Indie Spiele waren die letzten Jahre schwer im kommen. Sei es, dass die längst aus der Mode gekommene Spielkonzepte aufgreifen, eine eigenwillige Spielmechanik haben oder einfach nur einen Grafikstil verwenden, der nicht für den Massenmarkt taugt. Bastion hat dabei mit seinem Grafik- und Erzählstil für viel Wirbel gesorgt und ist schon im voraus mit viel Lob bedacht worden. Nachdem es auch schon einige Zeit in meiner Steam-Bibliothek lag habe ich endlich Zeit gefunden, es zu spielen.
Was in Bastion als erstes auffällt ist der Grafikstil: alles sieht aus wie gemalt, was dem Spiel seine eigenes Flair verleiht. Die Welt selbst besteht aus schwebenden Plattformen, die sich nach und nach aufbauen. Der Effekt sieht sehr beeindruckend aus, auf Screenshots lässt der aber nur unzureichend darstellen, deshalb ein Video dazu. Das ganze erinnert ein wenig an den Abschnitt in Diablo 2, in dem man in eine mystische Welt mit im Nichts schwebenden Plattformen kommt – allerdings alles wesentlich farbenfroher. Dadurch wirkt die Welt zwar insgesamt etwas statisch, das tut der Atmosphäre aber keinen Abbruch. Einziges Problem: manchmal ist nur schwer ersichtlich, wie die Ebenen zueinander liegen. Gerade in der später im Spiel eingebauten (und aus meiner Sicht unnötig bis nervigen) Hüpf-Pasage merkt man es deutlich, ansonsten läuft man nur gegen eine Wand, ist aber nicht weiter tragisch.
Statt der Ausweichrolle kann Kid am Ende des Spiel springen, was zu einer unnötigen Jump & Run Passage
Die Gegner sind schön animiert und mit viel Fantasie gestaltet: ob es sie Minengeister (Windbags), die an eine Mischung aus Djinni mit Spitzhacke erinnern, Frösche mit Panzerung vorne wodurch sie nur von hinten erlegt werden können, Pflanzen die kleine Bälle verschießen oder Vögel, die sich im Rudel auf den Spieler stützen: Abwechslung ist hier ebenso wie Kreativität geboten. Jeder Gegner ist mit einem anderen Angriffsmuster ausgestattet und von den meisten gibt es mehrere Varianten, die sich farblich unterscheiden. Die unterschiedlichen Windbags haben dann unterschiedliche Angriff: der eine haut einfach zu, der nächste startet eine Wirbelattacke, der dritte stürmt auf den Spieler zu. Auch die Charaktere sind schön und mit viel Liebe zum Detail gestaltet, auch wenn es nur vier sind. Die Animationen des Hauptcharakters Kid sind butterweich, die anderen stehen leider nur rum. Dafür sind auch die Umgebungen mit viel Liebe zum Detail gestaltet: befindet man sich zu Beginn noch in der Bastion und den Überresten der Stadt Caelondia, bewegt man sich im Verlaufe des Spiels immer weiter in die Wildnis, was deutlich zu sehen ist. Statt Mauern und Straßen trifft man mehr auf hohes Schilfgras und blanken Erdboden, mit den entsprechenden Gegnern.
Besonders zur Atmosphäre trägt der Soundtrack des Spiels bei. Statt wie viele moderne Tripel-A Spiele auf orchestrale Klänge setzt Bastion auf einen eigenen Stil: hier ein wenig Western, dort ein wenig Trip-Hop – aber immer eine einzigartige Mischung und immer passend zum Spielgeschehen (Der Komponist Darren Korb bezeichnet es selbst als Acoustic Frontier Trip-Hop). Ich war zuerst skeptisch, ob ein Soundtrack für 10€ zu einem Spiel, das gerade mal 14€ kostet passt, aber für mich hat sich jeder Cent gelohnt und ich kann ich getrost weiterempfehlen. Auch die Soundeffekte sind auf durchweg hohem Niveau, wenn auch manchmal etwas spärlich.
Der Story-Mode ist das Herzstück von Bastion. Der Spieler wird im Spiel linear von der Bastion aus in die Levels geschickt, wobei sie sehr kurz sind: kaum eines dauert länger als 15 Minuten. Da es ansonsten keine Möglichkeit zu speichern gibt, kommt das sehr gelegen, wobei es frustrierend sein kann, kurz vor dem Ende zu scheitern. Im Spiel trifft man auf ganze drei Charaktere, den Hauptcharakter Kid ausgenommen. Dieser Junge mit schneeweißem Haar, dessen bester Freund sein Kriegshammer ist. Schon früh lernt man den Stranger Rucks kennen, der gleichzeitig der Erzähler des Spiels ist. Das ist auch der größte Kniff des Spiels: Es gibt keine Dialoge, nur den Erzähler, der das Spielgeschehen kommentiert und die Story voran treibt. Das funktioniert erstaunlich gut, aber auch weil Bastion komplett linear ist. Alle andere Charaktere bleiben stumm, was sie sagen erfährt man durch den Erzähler. Die weiteren Charaktere sind The Singer Zia und The Survivor Zulf, beides Überlebende des schlicht als Calamity (Katastrophe) betitelten Unglücks, dass die Welt zerrissen und in einzelne, schwebende Inseln zerlegt hat. Man kann sie aber auch nur zu Gegenständen, die man im Verlauf findet, fragen. Sie erzählen dann teilweise ihre eigene Geschichte, so erfährt man viele kleine Details und erhält eher subtile Hinweise, was es mit allem auf sich hat. Die Geschichte bleibt bis zum Ende geheimnisumwoben, trotzdem klärt sich alles gut auf und hat mich auch emotional berührt – etwas, dass manche Blockbuster-Spiele versieben. Zia und Zulf gehören bei dem Volk der Ura an, welche eine nicht unwichtige Rolle im Spiel haben, während Rucks und Kid Einwohner von Caelondia sind und diesem Volk angehören. Alle vier haben eine Verbindung zueinander, die erst im Verlauf der Story richtig klar wird – aber weiter gehe ich hier nicht, ich will ja keine unnötigen Spoiler verbreiten.
Mehr über die Hintergründe der Charaktere erfährt man in den Levels mit dem Titel Who knows where. Das sind Traumsequenzen, in denen sich Kid durch zwanzig Wellen von Gegner kämpfen muss. Währenddessen kommt er neue Informationen durch den Erzähler und natürlich Boni wie Erfahrungspunkte und Splitter (Fragments). Mit letzteren kann man Upgrades kaufen.
Proper story’s supposed to start at the beginning. Ain’t so simple with this one heißt es am Anfang von Bastion – und damit hat der Erzähler auch recht. Die Geschichte beginnt nicht am Anfang und verläuft auch nicht streng in eine Richtung – sie entfaltet sich während das Spiel ins beide. Am Anfang steht man mit wenig sehr Wissen da, dafür mit umso mehr frage: Warum besteht die Welt nur noch aus schwebenden Plattformen? Wo sind die anderen Bewohner? Warum ist selbst die Bastion so leer und teilweise zerstört? Das und viele Informationen zu den Hintergründen der Geschehnisse und der Personen bekommt man im Laufe des Spiels, die Geschichte entfaltet sich aber nur langsam. Das erste Hauptziel ist der Wiederaufbau der Bastion, dafür wird man vom Erzähler auf die Suche nach Kernen (Cores) für die Bastion geschickt. Mit jeden bekommt man ein neues Gebäude dazu, insgesamt sechs, mehr dazu später. Danach sucht man Scherben (Shards) (die Arme-Leute-Kerne/poor peoples cores), welche je ein Gebäude aufrüsten. In welcher Reihenfolge bleibt dem Spieler überlassen, beim ersten Durchlauf kann man mit dem Schrein aber getrost warten.
Im Kern ist Bastion ein Action-Adventure mit Rollenspielanleihen, wobei der Vergleich mit Diablo und seinen zahlreichen Klonen nur zum Teil passt. Zuerst einmal ist das Rollenspielsystem dafür zu rudimentär: Es gibt keine Attribute wie Stärke oder Geschicklichkeit, die sich steigern lassen. Zwar steigt der Hauptcharakter Kid im Level auf, da aber nur sehr langsam (ich bin in einem Durchlauf nur bis auf Level 6 von 10 gekommen), das steigert aber nur die Gesundheit, andere Dinge (wie Gebäude und Upgrades) werde im Verlauf des Spiels nach dem abschließen eines Levels freigeschaltet. Als erstes bekommt man eine Destille für die Bastion, in der man verschiedene Destillate nutzen kann. Pro Level wird ein neuer Slot frei. Die Tränke bekommt an im Verlauf des Spiels und steigern z.b. permanent die Gesundheit oder erhöhen die Tragekapazität der Gesundheits- und Spezialfähigkeitstränke.
Im laufe des Spiels braut man die Bastion wieder auf, bis alle sechs Gebäude stehen. Es folgen Upgrades für jedes Gebäude.
Die Kämpfe sind schnell und es wird viel vom Spieler gefordert. Statt einfach nur da zu stehen und die Gegner tot zu klicken muss man viel in Bewegung bleiben und das Schild gut nutzten, da man nur wenige Treffer einstecken kann. Den richtigen Umgang mit den Waffen kann an in den Trainingsarealen lernen, für jede gibt es eines und wenn man gut abschließt warten Belohnungen auf den Spieler. Der Spieler hat immer zwei Waffen dabei, wobei sich eine Nah- und einer Fernkampfwaffe anbieten, prinzipiell sind aber alle Kombinationen aus den insgesamt elf Verfügbaren möglich. Dazu kann man im Arsenal in der Bastion noch eine Spezialfähigkeit auswählen. Der einsatz letzterer kostet aber Black-Tonic Tränke, die man aber genügend findet. Jede Waffe hat ihre Vor- und Nachteile: Der Hammer teilt gut aus, hat aber keine Reichweite. Besser ist da die Lanze, die zumindest ein Stück weit reicht, aber langsam ist. Bei den Fernkampfwaffen ist es ähnlich: Währen der Repeater wie eine Art Steampunk-Maschinengewehr wirkt, gleicht die Muskete einer Schrotflinte, währen der Bogen gespannt werden muss bevor man feuern muss. Die Auswahl sollte groß genug sein, damit jeder zufrieden wird. Einzig ein präzises Gewehr (Army Carabine), bei dem man erst zielen muss fand ich sinnlos, da der Vorgang viel zu lange dauert und man sich in dieser Zeit nur langsam bewegt und ohne zu ziele trifft man nur wenig. Der Schaden, den man damit austeilt ist auch nicht so groß, dass er das rechtfertigt. Die Spezialfähigkeiten sind immer an eine Waffe gebunden, mal sollte also die passende dabei haben, wobei das Spiel darauf hinweist. Ein Beispiel ist eine Wirbelwindattacke für den Hammer oder eine Art Feuerregen für die Muskete. Ein weiterer Punkt ist das Schild, mit dem gegnerische Angriffe geblockt oder zurückgeworfen werden können, wenn das Timing stimmt. Dazu gehört ein wenig Übung, dafür gibt es aber die Trainingsmissionen. Ein weiterer Kniff: ähnlich wie in Magicka können sich die Gegner auch gegenseitig Schaden: prallt z.b. eine verschossene Drone von einem Monster im richtigen Winkel ab, können davon seine Kollegen getroffen werden. Das ist aber eher Glückssache, weil die Projektile nicht ganz nachvollziehbar am Schild abprallen, trotz gleichem Winkel fliegen sie in unterschiedliche Richtungen.
Jede Waffe kann zudem in fünf Stufen aufgerüstet werden, auf jeder Stufe stehen zwei Möglichkeiten zur Auswahl, die bei jedem Besuch in der Rüstkammer (Armory) wieder geändert werden können. Upgrades werden in der Schmiede gegen Materialien und Splitter gekauft. Weitere Gebäude in der Bastion sind die bereits erwähnte Destille, ein Schrein für die Götter, ein Fundstelle (hier kann man neue Destillate und anderes für Splitter kaufen) sowie eine Gedenkstätte (Memorial), in dem man für erledigte Achivements ebenfalls Splitter bekommt (dies sind nicht die Steam-Achivements, diese hier müssen für jeden Spielstand separat erfüllt werden). Die Gebäude können nach und nach gebaut werden, eines pro Bastion-Kern. Später kann jedes nochmal aufgerüstet werden, was jeweils neue Upgrades, Götter oder Destillate freischaltet.
Im Spiel trifft man immer wieder auf versteinerte Einwohner, die die Katastrophe nicht überlebt haben.
Bastion ist trotz aller Anforderungen an den Spieler nicht unfair schwer, eher im Gegenteil: Auf dem normalen Modus war es für mich sogar relativ einfach, wer eine größere Herausforderung sucht kann sich an das Pantheon der Götter wenden: In der Bastion bekommt man einen Schrein, in dem man die sog. Idols auswählen kann. Diese bringen Boni in Form von mehr Erfahrungspunkte und Splitter, dafür aber auch Nachteile: weniger Heiltränke in den Levels, Gegner halten mehr aus oder lassen nach ihrem Ableben kleine Granaten fallen. So kann sich jeder das Spiel so schwer anpassen, wie er will – eine wie ich meine kreative Alternative zu einfach nur unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden. Wem es immer noch zu schwer ist und einfach nur die Story genießen will, für den gibt es den no sweat mode, welcher von Anfang an verfügbar ist und das Spiel kinderleicht macht. Wenn man es einmal durchgespielt hat wird das sog. New Game Plus sowie weitere Modi freigeschalten, welche für erfahrene Spieler neue Herausforderungen bringen. Im New Game Plus startet man mit den Waffen, Upgrades sowie den Erfahrungspunkte, mit denen man das Spiel davor beendet hat. Im Score Attacke Mode geht es schlicht darum, einen neuen Highscore aufzustellen, der in eine Online-Rangliste übertragen wird. Der aktuelle Rekord liegt bei knapp 2 Millionen Punkten, dafür muss man sich schon sehr anstrengen. Wer die Jagd nach neuen Highscores mag oder den Schwierigkeitsgrad individuell einstellen und nach oben treiben will sollte mit Bastion eine Weile versorgt sein.
Was kann man abschließend zu Bastion sagen? Für mich ist das Spiel rundum gelungen: das Spielprinzip ist eingängig, die Umgebunden schön gestaltet. Die größte Stärken sind meiner Meinung nach der Soundtrack und die Geschichte, die durch den Erzähler etwas ungewöhnlich, aber sehr schön erzählt wird. Ein wenig Schade ist die Spielzeit, die mit gerade mal 8 Stunden nicht übermäßig lang ist, daran können auch die weiteren Modi nichts ändern, da man doch wieder durch das gleiche Spiel stapft, nur leicht verändert. Trotzdem gehört für mich Bastion zu den besten Spielen, die ich in letzter Zeit gespielt habe. Wer Action-Adventures mit eigenwilligem Grafikstil und schön Story etwas anfangen kann, sollte zumindest die Demo ausprobieren.
In diesem Sinne: I set my sail / fly where the wind will take me / back to my home, sweet home…
Bastion ist als reiner Downloadtitel auf Steam für 14€ zu haben und läuft auf PC und Mac, der Soundtrack schlägt mit 10€ zu Buche. Eine Demo ist ebenfalls verfügbar. Wer Steam nicht hat oder will, kann auch im Google Chrome Web Store vorbei schauen: dort gibt es eine Version des Spiels, die in Googles Browser (und auf Chromium-basierten Browsern) läuft. Die Demo ist dort ebenfalls verfügbar, das komplette Spiel kostet wie bei Steam 14€.