Ein Indie-Spiel mit Pixel-Art-Grafikstil? Dazu basierend auf Flash mit kratziger Chiptune-Musik? Wie soll das bitte gut sein? Ich muss zugeben, als ich das erste mal von Anodyne gehört bzw. es aus einem Indie-Bundle bekommen habe war ich skeptisch. Es klang zu sehr wie so viele andere Indie-Spiele, auf der von Minecraft los getretene Welle mitreiten und von denen die meisten nur Müll oder zumindest nichts besonderes sind. Und lange habe ich das Spiel gar nicht beachtet, die Trading-Cards gefarmed und verkauft, bis ich bei Summer Games Done Quick 2014 einen Speedrun des Spiels gesehen habe. Ich hatte erst kurz vorher The Legend of Zelda – A Link to the Past auf dem GBA durchgespielt und war irgendwie in Laune für ein 2D-Zelda, welche ich den 3D-Vertretern klar vorziehe. Es bin dann zwar eine Weile nicht dazu gekommen, aber da es auf meinem Notebook auch gut läuft (im Gegensatz zu Transistor) habe ich mich über Weihnachten des Spiels angenommen.
Technisch hat das Spiel nicht viel drauf, die typisch pixelige Grafik kann zwar hoch skaliert werden, aber dann hat man daumengroße Pixel auf dem Bildschirm da die interne Auflösung nicht geändert werden kann. Nur dass das Seitenverhältnis der Bildschirmauflösung sehr zu Gunsten der Vertikalen ausfällt ist ungewöhnlich, ich habe aber insgesamt schon schöneren Pixel-Art gesehen. Ansonsten ist nicht viel dazu zu sagen, als Flash-Spiel hat es auch so seine Macken und die Eingabe ist nicht sonderlich präzise und zeitnah, was auf Dauer nervig sein kann. Die Soundeffekte sind spärlich, aber passend. Die Musik ist dagegen außergewöhnlich, auch wenn das meiste dem Chiptune-Genre entspringt. Eine große Bandbreite von Klängen sind zu hören, von Chiptune über Piano-Solos hin zu Geräuschen, die am ehesten weißem Rauschen oder Motoren entsprechen. Generell ist es eher düster mit einigen schrägen Tönen, die schlechte Lautsprecher gar nicht wiedergeben können. Sie unterstreicht aber gekonnt die melancholische bis düstere Stimmung des Spiels.
Auf einer Staubwolke surfen geht bedeutend schneller wie gehen und ist physikalisch natürlich vollkommen korrekt.
Das Spiel orientiert sich stark an den 2D-Ablegern der The Legend of Zelda Reihe, insbesondere Link’s Awakening scheint Pate gestanden zu haben. Das fängt bei der Story an (man spielt den Traum des Hauptcharakters), geht über das allgemeine Gameplay als 2D-Topdown-Action-Adventure und endet bei den Sprungeinlagen, die Pflicht aber nur sehr schwer zu steuern sind. Allgemein ist die Steuerung nicht ganz so präzise und eine deutliche Eingabeverzögerung ist spürbar, die meiste Zeit stört es aber nicht.
Man spielt einen weißhaarigen Hauptcharakter, der nur als „Young“ bekannt ist und landet in einer Traum-Welt (wenn man das Spiel regulär beendet landet man in seinem Schlafzimmer), welche man von Briar befreien soll – was er überhaupt angestellt hat bleibt im dunkeln. Oder eher verschwoben, alles im Spiel hat einen etwas surrealen Touch, wie man es von einem Traum erwarten würden. Insgesamt hat die Spielwelt eine eher düsteres Flair und jeder der wenigen NPCs, die man trifft scheinen einen mittelschweren Dachschaden zu haben. Aus der Story selbst konnte ich wenig entnehmen, sie ist selbt für meinen Anspruch zu verworren und gibt allgemein nur sehr wenig Preis. Das kann durchaus Absicht sein, ein Traum macht meiner Erfahrung nach auch in den wenigsten Fällen Sinn. Vielleicht ist es auch einfach nur für meinen Intellekt zu hoch.
Die Welt von Anodyne ist von allerlei skurillen Charakteren bewohnt. Wie Rank, der mit dem Geld, was er aus umgemähten Büschen findet seine Familie ernährt.
Um Briar überhaupt zu treffen muss man Karten sammeln, welche in der Spielwelt verteilt sind und Tore öffnen. Nach jedem Bosskampf gibt es eine, alle anderen sind in der Welt versteckt. Die Welt besteht aus abwechslungsreich gestalteten Gebieten, von launigen Wäldern über einen Gebirgspass bis zu einem roten Sumpf. Alle sind allerdings von Gegner bewohnt, um diesen Herr zu werden bekommt man eine Waffen: einen Besen. Immerhin gibt es für ihn Upgrades die seine Reichweite erhöhen oder in die Breite zieht sowie das Swap-Upgrade (dazu später mehr). Der Besen kann auch dazu benutzt werden Staubwolken an einem anderen Ort zu platzieren, z.b. in einem Fluss um sie dann als Floß zu benutzen. Der Besen ist wichtig, um die Rätsel in den Dungeons und den Oberweltgebieten zu lösen, ebenso wie die Sprungstiefel, mit denen man Abgründe überwinden kann. Speziell die Dungeons sind sehr gut designed, Türen (für welche man Schlüssel findet) kann man in beliebiger Reihenfolge öffnen ohne hängen zu bleiben und die Rätsel sind anspruchsvoll, aber machbar – ohne dass das Spiel eine viel Hilfe dabei gibt. Oft reicht es schon alle Räume zu erkunden.
Die Dungeons sind gesprickt mit Rätseln, welche eine gute Portion Hirnschmalz voraussetzen, aber nicht zu viel.
Was gerade die Sprungeinlagen frustrierend macht ist zum einen die mangelnde Präzision der Steuerung: wie weit man springt ist nicht immer konsistent, vor allem nicht wenn man im Sprung auch noch die Richtung ändern muss. Dazu sind die Sprungeinlagen meistens mit Fallen gespickt, z.b. große, rollende Röhren mit Stacheln. Wird man getroffen wird die Spielfigur ungefähr ein Feld nach hinten versetzt, abhängig von der Blickrichtung. Da hat es dann meistens einen Abgrund, man verliert einen Lebenspunkt und muss nochmal am Eingang des Raumes anfangen. Gerade die späteren Levels verzeihen wenig Fehler in dieser Hinsicht und hab mich fast in den Wahnsinn getrieben. Um so besser aber dann das Gefühl, es endlich geschafft zu haben – sofern man nicht merkt dass man den nächsten Raum schon beim betreten verloren hat weil man z.b. eine Staubwolke vergessen hat und nochmal von vorne anfangen muss. Immerhin: im Spiel gibt es viele und fair gesetzte Speicherpunkt, welche auch noch die Lebensenergie auffrischen.
Die Sprungeinlagen gehören zu den anspruchsvolleren Teilen, hier eine relativ einfache mit weniger Frustgefahr.
Im Gegensatz zu den meisten anderen Spielen ist in Anodyne das betreten der Welt außerhalb der Levels gewollt: am Ende des Spiels bekommt man das Swap-Upgrade für den Besen, durch welches man zwei beliebige Felder auf eine Bildschirm miteinander tauschen kann. Nimmt man ein Feld, welches einen vorher daran gehindert hat den Bildschirm zu verlassen kann man neue Bildschirme entdecken und weiter Karten sammeln. Für den Abschluss der Story ist das nicht relevant, Achievementjäger oder wer in einem Spiel alles sehe und sammeln will werden sich aber darüber freuen. Allerdings sei man gewarnt: die Sprungeinlagen im sog. Debug-Level (in welchem die Entwickler Grafikeffekte und anderes ausprobiert haben) sind die härtesten im Spiel.
Anodyne ist ein kleines, feines Indie-Spiel mit solidem Gameplay, sehr gutem Level-Design und klasse Musik. Bei der Steuerung hapter es etwas, was hoffentlich nur an der Technik liegt und beim momentan in Entwicklung befindlichen zweiten Spiel „Even the Ocean“ nicht mehr auftreten wird. Herausragend sind seine gekonnt erzeugte melancholische Stimmung. Wer sich dem Genre erwärmen kann und im besten Fall schon einmal einen der älteren Zelda-Teile gespielt hat ist hier gut aufgehoben.