Eine bekannte und beliebte Serie der es zuletzt nicht so gut ging ein gelungenes Comeback zu verschaffen ist schonmal eine große Aufgabe, id Software hatte da mit Doom zuletzt sehr gut abgeliefert, ihr Partner Maschine Games hat mit Wolfenstein The New Order zwar eine andere Richtung eingeschlagen, aber das war aus meiner Sicht mindestens genauso gut. Nach dem Ex-DLC Stand-Alone Addon The Old Blood hieß es für den vollwertigen Nachfolger vor allem: größer und besser. Eine noch größere Herausforderung als zuvor weil jetzt die Erwartungen auch deutlich höher sind.
Hinweise: hier geht es um das Spiel an sich, meine wertlose Meinung zur deutschen Version habe ich in einen extra Artikel ausgelagert weil es zu viel wurde: Ein Paar Gedanken Zu: Das Deutsche Wolfenstein.
Technisch habe ich wenig zu meckern, die bereits in Doom (2016) genutzte id Tech 6 dient als Basis und lässt ihre Muskeln spielen. Vorbei die Zeiten von Tischen auf denen die Objekte wie Stifte wie aufgemalt aussehen. Die Umgebungen sind detailliert, die Charaktere fantastisch animiert und was mich am meisten beeindruckt hat: die Beleuchtung. Die Lichtstimmungen in den Levels sind fantastisch und unterstreichen die Atmosphäre. Schon relativ zu beginn im zerstörten New York kämpft man sich durch zerstörte Wolkenkratzer, welche an einigen Stellen sehr dunkel sind. Ausgeleuchtet werden sie nur mit Baustrahlern, oft sieht man direkt in ihre gleißend helles weißes Licht und sieht quasi nichts – außer die gigantischen Schatten die die Gegner werfen. Da BJ selber auch gerendert wird sieht man auch seinen eigenen Schatten, in der Nacht von New Orleans von Feuern umringt eine Leiter hochklettern und seinen eigenen Schatten, akkurat zu den Animationen ist schon sehr beeindruckend. Auch in der Nacht durch New Orleans auf einem Panzerhund reiten der Feuer aus seinem Maul spuckt sieht höchst beeindruckend aus.
Ein für mich mittlerweile verstecktes Highlight von Spiele mit id Software Technologie sind die Animationen: die sind auch hier sehr flüssig und glaubwürdig, auch wenn die Gegner meistens humanoid sind und bei weitem nicht die Palette eines Doom erreichen. Dafür wird mehr wert auf die Gesichtsanimationen und die Gestik gelebt, in einem storylastigeren Spiel auch sehr wichtig. Sind auch durch die Bank ausgezeichnet, gerade wenn man ein Gesicht Bildschirmfüllend sieht ist das besonders wichtig, hier gibt sich das Spiel keine Blöße. Die Details an den Charakteren stehen in nichts nach, alle sind hoch detailliert und wirken absolut glaubwürdig. Bis auf eine Ausnahme, und das ist ausgerechnet Anya. Sie wirkte auch mich immer etwas merkwürdig, hier haben ich Uncanny-Vally Gefühle bekommen.
Das Spiel setzt komplett auf einen Vulkan-basierten Renderer und lief bei mir sehr gut. Mein neuer Rechner kratz am Highend Segment (Ryzen 7 1700X, Geforce GTX 1080, 32GB DDR4-2933) so dass ich das auch erwartet habe. In FullHD Auflösung (1920×1080) in vollen Details lief das Spiel stabil mit 144FPS ohne dass ich irgendwelche Framedrops gemerkt hätte. Nach meinem Upgrade auf Bildschirme mit 2K Auflösung (2160×1440) war das aber nicht mehr drin, stattdessen schwankte die Framerate zwischen 90 und 120FPS je nach Situation. Immer noch OK und ich habe auch keine merklichen Probleme wenn die Framerate runter ging, für mich ist es aber nicht mehr ideal für mein Setup, da bräuchte ich eine noch stärkere Pixelschleuder. Mit Abstürzen oder ähnlichem hatte ich keine Probleme, solange ich Drittanbieter Programme wie DxTory nicht nebenher laufen lies.
An der Audiofront ist das Spiel solide, die Musik hält sich die meiste Zeit im Hintergrund. Selbst in den Kämpfen habe ich sie kaum bemerkt, am meisten noch in den Zwischensequenzen. Die Sprecher dagegen sind klasse. Wieder viele mir unbekannte Stimmen, aber sehr gut und passend zu den Charakteren. Im Gegensatz zur original Version wo die deutschen Charakter auch deutsch sprechen (mit Untertiteln) sprechen hier alle Deutsch und einige der Charaktere (z.b. Frau Engel) haben den selben Sprecher wie im Original.
Was mit Sicherheit nicht jedem gefallen wird ist dass das Spiel gut zur Hälfte aus Video-Zwischensequenzen besteht. Sie sind aus meiner Sicht gut gemacht, die Qualität ist nicht schlecht, von der Technik sehr sieht man kaum Bildartefakte und die Kameraeinstellungen und Bildkompositionen können sich sehen lassen. Sie sind auch ein guter Weg um die Ladezeiten zu überbrücken, das Spiel geht quasi nahtlos weiter, wo man ansonsten Unterbrechungen vor allem durch Ladezeiten hat gibt es sie hier quasi gar nicht – wenn man eine Auszeit braucht kann man auf der Hammerfaust umherlaufen und Dinge erkunden, dazu später mehr. Einen Nachteil gibt es doch, zumindest in den früher Versionen sind die Videos teils alles andere als Lippensynchron. Es gab zwischendurch Patches, ich habe die Patchnotes aber nicht verfolgt ob das behoben wurde. Nachprüfen ist auch schwierig weil das Spiel nur eine begrenzte Anzahl von Spielständen zulässt (was im Jahr 2017 eigentlich kein Problem mehr sein sollte), ich kann nicht mehr an jede beliebige Stelle zurück springen.
Beim Gameplay wagen die Entwickler keine Experimente, es bleibt ein Shooter wie er klassischer kaum sein könnte. Wie im Vorgänger kann man mit zwei Waffen gleichzeitig sich durch die Horden an Regimesoldaten kämpfen, welche Kombination man nimmer ist dem Spieler komplett überlassen. Das mit den Horden ist keine Untertreibung, wird man entdeckt schlägt der anwesenden Kommandant Alarm und es erscheinen so lange Gegner bis man den Kommandanten ausgeschaltet hat. Man kann es aber auch anders versuchen, bleibt man unentdeckt und schleicht sich bis zum Kommandanten durch kann man ihn auch ohne viel Aufsehen ausschalten. Für mich ist das immer sehr schwer weil mir dieser Spielstil so gar nicht liegt. Meistens schaffe ich es ein stück weit unentdeckt zu bleiben bevor ich einen unvorsichtigen Moment habe und das Chaos losgeht.
Ein kurzer Ausflug zur Venus ist auch dabei – die Installation sieht aber genauso aus wie jede andere Regimeinstallation
Dann wird es extrem hektisch, vor allem weil BJ nur sehr wenig aushält. Zu beginn des Spiel ist er noch mit 50 Lebenspunkten unterwegs, kann dafür 200 Rüstungspunkte halten. Später ändert sich das in 100/100, trotzdem hält man gefühlt sehr wenig aus weil die Gegner gut austeile und selber auch einiges aushalten. Man kann innerhalb von Sekunden sterben was auch noch ziemlich häufig vorkommt. In den Levels liegt zwar sehr viele Healthpacks und Rüstungsteile herum, aber sie aufsammeln ist nicht ganz einfach. BJ regeneriert zwar auch selbständig seine Lebenspunkt, aber nur bis zum nächsten 20er Schritt oder zum Limit. Man kann es auch überschreiten (oder wie es das Spiel nennt: Überladen), es tickt aber sehr schnell wieder auf das Limit herunter. Healthpacks sammelt man deswegen nicht automatisch auf, sondern muss sie anvisieren und über die Benutztentaste aufnehmen. Das macht alles noch hektischer, ich bin öfters fast tot durch die Levels gerannt und haben wie in Irrer die Benutztentaste gedrückt in der Hoffnung irgendwas nützliches zu bekommen. Rüstungsteile und Munition gibt es auch reichlich, sie aufzusammeln ist aber fast genau so schwer, da man sie zwar durch darüber laufen aufsammeln kann, aber das muss extrem präzise passieren – so präzise, dass ich lange dachte es geht gar nicht, per Benutztentaste geht es auch. Ich hatte jetzt keinen Sog wie es der Doom Marie hat erwartet, aber ein wenig größer hätte der Radius schon sein dürfen. Weil das alles auf Dauer zu frustig wurde habe ich für den zweiten Durchgang auf den niedrigsten Schwierigkeitsgrad zurück geschaltet, der ist quasi der Touristenmodus in welchem man kaum streben kann, die Gegner bleiben aber relativ schwer zu knacken.
Neben den normalen Regimesoldaten trifft man schnell auf ihre gut gepanzerten Kollegen, gefolgt von Robotern in mehreren Größen – insgesamt bleibt die Abwechslung aber auf niedrigem Niveau, die meisten sind mehr oder weniger humanoid, mal abgesehen von den gelegentlich auftauchenden Panzerhunden. Schleicht man sich an die Gegner unbemerkt heran kann man die meisten mit einer Aktion erledigen, was bei den menschlichen Gegner in einer sehr blutigen Animation resultiert – abgehackte Beine und ein Beil direkt ins Gesicht sind da keine Seltenheit. Bei großen Gegner reicht das meistens nicht, ihnen muss man ausweichen oder mit Waffengewalt direkt entgegentreten. Durch das System ist man im Gegensatz zu Doom nur selten in Arenen eingeschlossen, man kann vieles auch einfach umgehen oder das Gebiet verlassen. Einzige Ausnahme sind die seltenen Bosskämpfe, ich habe zumindest keinen direkten Weg gefunden sie zu umgehen. DAS wäre aber recht schön weil sie alles andere als gut sind. Auch die direkten Vorgänger hatten nicht gerade die besten, aber was man hier bekommt ist einfach nur enttäuschend: meistens sind es nur eine Reihe von immer stärkeren Gegnerwellen, meistens mit gepanzerten Gegner und ein paar der ganz großen wie der Panzerhunde. Das wars aber auch schon, nichts wirklich eigenständiges und schon gar nicht hervorzuhebendes.
Das Arsenal von BJ ist dabei auch gerade erschreckend Standard: eine Pistole, zwei Maschinengewehre, eine Schrotflinte und eine große Pistole als eine Art Mini-Raketenwerfer, dazu die Spezialwaffe der jeweilige Zeitlinie und Granaten und das war es auch schon. Als neue Nahkampfwaffe nach dem Messe und Rohr in den Vorgängern kann BJ Äxte nutzten und auch werfen um Gegner lautlos aus der Distanz auszuschalten. Je nach gewählte Zeitlinie hat man das bereits bekannte Laserkraftwerk (Fergus) zur Verfügung welches auf eine Railgun degradiert wurde oder das neue Diselkraftwerk (Wyatt), welches eine Kombination aus einem Granatwerfer und einer Flammenwerfer zu sein scheint. Beide sind gut gegen gepanzerte Gegner und können gegen kleine Metallwände eingesetzt werden um sie zu durchbrechen – das ist aber so wenig nötig dass ich es später fast vergessen hatte. Alle Waffen können mit Upgrades versehen werden, die Teile dafür findet man verstreut in den Levels, teilweise muss man aber gut suchen. Dann kann man die Pistole mit eine Schalldämpfer versehen oder das Sturmgewehr mit panzerbrechender Munition, letzteres für mich ein Must-Have, sie verändern aber die Spielweise mit den Waffen kaum. Nicht ausrüstbar sind die schweren Waffen welche man in den Levels findet und kurzzeitig mitnehmen kann, ihre Munition kann man aber meistens nicht auffüllen. Da ist auch nichts wirklich neues dabei, ein schweres Lasergewehr oder schweres Schrotgewehr sind auch nur deutlich stärkere Varianten der bereits bekannte.
Die schweren Waffen räumen auch unter den dicksten Gegnern auf, man bezahlt mit stark verminderter Beweglichkeit
Wieder dabei sind die sog. Vorteile, Boni die man für Aktionen im Spiel gekommen. Erledigt man viele Gegner mit zwei Waffen in der Hand wird nach und nach die Munitionskapazität erhöht, erledigt man sie mit überladener Gesundheit tickt diese nicht mehr ganz so schnell herunter. Die meisten kennt man aber auch schon in der ein oder anderen Form aus dem Vorgänger. Neu sind dagegen die Kampfmods von denen man eine ungefähr zur der Mitte des Spiel bekommt, die anderen kann man später noch einsammeln und alle kombinieren: der Python-Gurt zieht BJs enormen Oberkörper zusammen damit er durch kleinsten Öffnungen passt, die Taktischen Stelzen ist man auf einmal doppelt so hoch und kann vorher unerreichbare Stellen erklimmen oder man wählt den direkten Weg mit den Donnerfäusten wodurch man durch dünnere Wände und Gegner einfach hindurch laufen kann, in einem Stück bleiben die dabei nicht. Das sind schön Neuerungen, wobei der Einsatz eingeschränkt bleibt. Abgesehen vom Kampf sieht man deutlich die Stellen wo sie eingesetzt werden sollen und da man die freie Wahl hat muss jede Variante unterstützt werden, Stellen an denen oben ein Schacht ist, geradeaus eine dünne Wand und unten ein enger Schacht ist keine Seltenheit und beraubt ihnen etwas ihre Eigenständigkeit.
Die Story setzt nahtlos am Ende des Vorgängers ein, nach dem Kampf mit General Totenkopf (warum nicht „Der Schädel“ wie in Return to Castle Wolfenstein? Macht aus meiner Sicht mehr Eindruck) ist BJ schwer gezeichnet und wird von seinen Kameraden gerettet. Hier macht man nochmal die gleiche Entscheidung zwischen Fergus und Wyatt wie im ersten Teil, Spielstände werden nicht automatisch übernommen. Dann folgen fünf Monate Pause, BJ wacht just in dem Moment auf als General Engel das U-Boot der Widerstandes findet und angreift. Der Held lässt sich nicht lange bitten, hieft seinen geschundenen Körper in einen Rollstuhl und fängt damit an die Regime Schergen umzunieten.
Eine kurze Sequenz vor der Roswell-Mission bietet einen kleinen Einblick in den Alltag des vom Regime eroberten Amerika
Hat man alle Regimesolaten vom U-Boot vertrieben geht es an die eigentlichen Mission: wie die ganze Welt hat das Regime auch die USA unterworfen, das Ziel ist das starten einer neuen Revolution. Leider sind nur einige wenige Widerstandskämpfer geblieben, sie aufspüren und überzeugen sich der Gruppen an zu schließen wird die Hauptaufgabe des Spiels. Damit ist sie ziemlich ähnlich zur Geschichte des direkten Vorgängers, nur leider nicht so abwechslungsreich. Speziell was die Schauplätze angeht geht es ziemlich vorhersehbar zu: Regime-Installation, zerstörte Stadt, Regime-Installation, zerstörte Stadt und weiter zu was? Einer Regime-Installation? Nein, etwas ganz neues: eine fliegenden Regime-Installation! Naja. Auch einen Ausflug ins Weltall analog zur Mond-Mission in The New Order gibt es, in einer Mission infiltriert BJ das Regime Oberkommando, was aus Sicherheitsgründen auf der Venus stationiert ist. Es ist im Endeffekt auch nur eine weitere Regime-Installation, zumal die Venus dem Mars aus Doom doch verdächtige ähnlich sieht. Auch die anderen Schauplätze sind nicht so verschieden wie man zuerst denkt, klar haben Manhatten und New Orleans eine deutlich andere Architektur und Lichtstimmung, aber gerade die vielen Regimebunker sehen alle irgendwie gleich aus. Macht zwar Sinn, hilft aber nichts das man gefühlt durch die immer gleichen Gänge rennt.
Auf der Hammerfaust kann man die kleinen Geschichten der Rebellen hören, einfach neben hin stehen reicht
Klares Highlight sind die Charaktere im Spiel: die Widerstandsgruppe Wisenauer Kreis um Caroline Becker sind wieder dabei und so liebenswürdige wie eh und je, egal ob es um den etwas zerstreuten aber trotzdem genialen Wissenschaftler Set, den Piloten Bombate oder Max Hass, welcher nur seinen eigenen Namen sagen kann und die mittlerweile hochschwangere Freundin von BJ, Anja. Es gibt auch noch viele andere Charaktere auf dem Schiff, welchen man zwischen den Missionen zuhören kann um ihre eigenen, kleinen Geschichten zu erfahren. Das ist alles optional, man kann sie auch ignorieren und einfach weiter machen. Bei den neuen Charakteren wird aber viel Potential verschenkt,weil ihnen in der Story viel zu wenig Platz eingeräumt wird um sich zu entwickeln. So bleiben wie ein wenig stereotypisch, Grace als Badass-Motherfucker vor dem Herrn oder Super Spesh als abgedrehter Verschwörungstheoretiker. Zwar sind sie in den Lagebesprechungen dabei und bekommen auch jeder eine längere Zwischensequenz, das reicht aber nicht um sie zu den gleich gut ausgearbeiteten Charakteren aus dem Vorgänger zu machen. Die bekommen hier zwar auch wenig Zeit eingeräumt, aber da man sie schon kennt und gut etabliert sind stört das nicht so stark.
Unterschiede gibt es zwischen den beiden Zeitlinie mit Fergus und Wyatt in der Hauptstory nicht, die verläuft weitestgehend identisch. In den Zwischensequenzen gibt es Unterschiede, allein schon weil es zwei völlig unterschiedliche Charaktere sind und sich unterschiedliche Herausforderungen stehen. Nach einer unsanften Begegnung mit Frau Engel gleich zu beginn des Spiels verliert Fergus einen Arm und kämpft fortan mit einer mechanischen Hand – buchstäblich, sie hat ein gewisses Eigenleben mit der er sich nur schwer anfreunden kann. Wyatt dagegen hat mehr ein psychisches Trauma erlitten und bekämpft es mit Acid was er in einem Koffer eines Freundes aus dem Vorgänger hat – und das zieht sich durch das ganze Spiel, er ist eigentlich konstant auf Acid was in den einen oder anderen merkwürdigen Dialog mündet. Man muss aber auch eines sagen: es wurde damit nicht wirklich geworben, weshalb ich mich nicht wirklic stört dass die Unterschiede eher klein ausfallen.
In der Nacht von New Orleans kommt der Flammenwerfer des gekaperten Panzerhunds besonders gut zur Geltung
Ein Charakter hat dafür deutlichen Fortschritte gemacht, und das ist BJ selber. Klar ist er primär immer noch den Ballermann ohne große Charaktertiefe, aber sie ist deutlich besser wie im Vorgänger. Zwar murmelt er immer noch seine Monologe vor sich hin, dafür sieht man in zahlreichen Videosequenzen Szenen aus seiner Vergangenheit, speziell seiner traumatischen Kindheit mit der besorgten Mutter und dem rassistischen Vater der gleichzeitig auch noch furchtbar überheblich und ein Taugenichts ist – eine fast schon zu klischeehafte Kombination. Das Spiel lässt auch keine Gelegenheit aus um klar zu machen was für ein Arschloch man vor sich hat, übertreibt es aber auch mal – die Szene zu beginn mit dem Hund ist da das beste Beispiel. Dazu verwendet er ein Vokabular was aktullen nationalistischen Bewegungen nicht unähnlich ist, dadurch bekommt das Spiel eine (vermutlich unabsichtliche) Aktualität. Er beschwert sich beispielsweise ständig darüber wie hart er arbeitet (aber offenkundig nichts wirklich auf die Reihe kriegt) und dass seine Leistungen von Einwanderern und Menschen anderer Hautfarbe beschützt werden müsste, womit er den Rassenkult des Regimes schon vor deren Machtübernahme vor. Seine Erziehungsmethoden bestehen nur aus fluchen und ausüben von Gewalt, da wundert er sich echt noch darüber warum BJ nicht zu dem Sohn wurde den er sich vorgestellt hat. Er ist für mich neben Frau Engel die primäre Antagonist und transportiert die menschenverachtende Ideologie des Regimes besser als jedes Symbol es könnte – aber wie gesagt auch einige Male zu übertrieben und Klischeehaft.
Frau Engel ist als primäre Antagonisten zurück und transportiert die menschenverachtende Ideologie des Regimes
Ein zentrales Thema des Spiels ist die Unterdrückung des amerikanischen Volkes und den Einfluss auf dessen Gesellschaft. Es wird zwar oft darüber gesprochen, wirken davon sehen tut man wenig – außer man folgt der Marketing Kampagne von Bethesda mit ihren „eingedeutschten“ Serien. Am meisten lernt man aus den zahlreichen Briefen und Aufzeichnungen welche man im Spiel finden kann. Einen konkreteren Einblick gibt eine recht kurze Sequenz vor der Roswell-Mission in welcher man durch einen kleinen Abschnitt der Stadt läuft wo gerade eine Regime-Parade läuft. Man kann viel sehen und vor allem hören wenn man in der Nähe von Leute stehen bleiben. Z.b. Anhängern der Klu-Klux-Klas welche sich mit einem Regime Offizier über ihre Deutschkenntnisse unterhält oder eine Frau welche mit einem Offizier flirtet. In den Geschäften unterhalten sich Leute und man kann Musik von Neumond Recordings kaufen und im Kino läuft natürlich der neue Film von Frau Hadelinde. Sonst sieht man wenig, der Eindruck es mit einem faschistischem Regime mit menschenverachtender Ideologie zu tun zu haben wird vor allem durch die Charaktere transportiert, vor allem natürlich BJs Vater und Frau Engel. Sie transportieren die abartige Ideologie besser als es aus meiner Sicht jedes Symbol oder Name machen könnte, dazu aber an anderer Stelle mehr. Man kann auch die Gespräche der Soldaten belauschen solange man unentdeckt bleibt. Die meisten sind dabei durch und durch regimetreu, in den seltensten Fällen habe ich Zweifel in den Dialogen und den Texten lesen können, wobei ich auch bei weitem nicht alles davon gesehen und gelesen. Trotzdem finde ich schade dass man nicht mehr aus dem Alltag normaler Menschen sehen, dafür hätte aber wahrscheinlich deutlich Tempo aus der Story nehmen müssen was sich wiederrum auf das Gameplay ausgewirkt hätte. Aber das alles nur in die Marketing Kampagne auf YouTube auszulagern ist aus meiner Sicht eine verschenkte Chance.
Ich vermeide hier Spoiler so gut es geht, auf eines Muss ich aber hinweisen: das Spiel hat einige völlig bescheuerte Momente – aber so bescheuert dass sie schon wieder gut sind, wie in einem B-Movie eben. Hier wird im Vergleich zum bereits recht abgedrehten Vorgänger nochmal einer drauf gesetzt und gleichzeitig auch noch das ein oder andere Plot-Dilemma geschickt gelöst. Ein paar mal bin ich wirklich fassungslos vor dem Bildschirm gesessen, so bescheuert war was ich gerade gesehen habe. Allerdings ist da nicht alles gelungen. Die hochschwangere Anya, ein wichtiges Mitglied des Kreisauer Kreises in die gefährlichen Kampfgebiete zu schicken macht schlicht keinen Sinn. Hat es auf der Hammerfaust nicht noch viele andere, waffenerprobte Rebellen die das hätten machen können? Man ist sowieso nicht mit ihr direkt unterwegs sondern immer alleine, die einzige Interaktion findet in Dialogen in ruhigen Szenen oder per Funkt – das hätte sie auch von der Basis aus machen können.
Einen letzten Punkt muss ich aber noch ansprechen und der ist passenderweise das Ende des Spiels. Das war für mich komplett enttäuschend, es fühlt sich nicht wie ein Ende an sondern eher ein „jetzt gehts richtig los“, es hat mich sehr unbefriedigt zurück gelassen. Mal abgesehen davon dass der Bossfight davor schon enttäuschend war ist die Inszenierung auch nicht gerade die beste, sie ist sehr langatmig und deutlich gestreckt ist. Letztendlich muss man sich damit abfinden dass man nur eine Revolution startet, aber mehr auch nicht. Da ist noch einiges für einen Nachfolger offen.
Fazit: Ein für mich wirklich schwieriger Fall. Auf der einen Seite gefällt mir die Story, auch wenn die neuen Charaktere nicht genug Zeit bekommen um wirklich einen Eindruck zu machen. Der Spagat zwischen B-Moive und ernster Story gelingt aus meiner Sicht hier besser als im Vorgänger, vor allem weil BJ deutlich besser als Charakter gezeichnet ist – zwar immer noch der schwächste in der Gruppe weil er hauptsächlich der Muskel-Ballermann ist, aber immerhin eine deutliche Verbesserung. An der Gameplayfront hat sich nicht viel getan, im Gegenteil, fast alles wurde deutlich eingeschränkt, was die Auswahl der Waffen, Fähigkeiten und vor allem der Umgebungen angeht, an allen Ecken und Enden fehlt es an Abwechslung. Dazu ein abruptes und für mich recht enttäuschendes Ende. Positiv stechen für ich die bereits bekannten Charaktere heraus welche nach wie vor liebenswert oder komplett ekelhaft sind wie im Vorgänger. Die Grafik ist fantastisch und außerhalb des hohen Schwierigkeitsgrad aus den falschen Gründen stimmt die Action an sich auch.
Schlussendlich denke ich dass es trotz allem ein guter, klassischer First Person Shooter ist, wobei ich The New Order und The Old Blood besser in Erinnerung habe.