Ein Paar Gedanken Zu: The Witcher auf Netflix

The Witcher Netflix Titel

Wohl auch durch den enormen Erfolg von The Witcher 3 auf so ziemlich jeder Plattform, sind die Geschichte des polnischen Autoren Andrzej Sapkowski einer breiteren Masse bekannt. Da die Spiele aber eine von den acht Büchern (plus zwei Kurzgeschichten in der Anthologie, wobei eine davon kein Kanon ist) unabhängige Geschichte erzählen ist es eine TV-Serie gute Gelegenheit, diese auch einem breiten Publikum zugänglich zu machen, und die Masse guckt eher als sie liest. Das lies sich Netflix nicht zweimal sagen, sicherte sich die Rechte an den Büchern und verfilmte sie teilweise. Die erste Staffel erschien kurz vor Weihnachten 2019 und als Fan der Bücher habe ich sie mir angesehen. Da es schon einige Jahre her ist, dass die ersten Bücher gelesen habe ist meiner Erinnerung evtl. etwas getrübt und ich könnte gerade bei den Vergleichen durchaus falsch liegen, aber vieles war dann doch bekannt – oder auch nicht.

Story-technisch greift es eine Bunte Mischung aus den ersten drei Büchern auf. Die ersten beiden Bücher haben eine ungewöhnliche Struktur, sie enthalten nämlich mehrere Kurzgeschichten, die von einer umfassenden Story zusammengehalten wird. Erst mit dem Ende des zweiten und dem Fall von Cintra beginnt eine lineare Geschichte, die sich bis ins siebte Buch erstreckt. Das letzte erzählt was zwischen Buch zwei und drei passiert ist. Warum die Autoren der Serie aber mit dem Fall von Cintra anfangen, was am Ende des zweiten Buches passiert und erst im dritten so richtig behandelt wird, ist mir schleierhaft. Das zieht sich aber durch den Rest der Serie und ist mein größer Kritikpunkt: die Geschichten werden sehr wirr erzählt, es gibt häufig Zeitsprünge, die ich aber erst nach ein paar Szenen als solche Wahrgenommen habe und mich erstmal orientieren musste, wann und wo das eigentlich spielt. Ich weiß dass seit Christopher Nolans‘ Memento es groß in Mode ist, Geschichten außer der Reihe zu erzählen, aber wenn man die Geschichte nicht direkt darauf auslegt wirkt es oft wirr und so ist es auch hier. Etwas mehr Linearität hätte der Serie und vor allem der Dramaturgie gut getan. Oder nur kurze Einblendungen, wann und wo man sich gerade befindet. Das ist zwar nicht toll, aber wäre als Notlösung immer noch brauchbar.

Allgemein hält sich die Geschichte sehr eng an die Vorlage, es wird nur wenig geändert. Eines, was mir aufgefallen ist, bricht mit dem Stil von Sapkowski: der hat Schlachten häufig nur indirekt behandelt: man ist nicht direkt dabei und es wird nicht gefühlt jeder Schwerthieb beschrieben, stattdessen hört man es später von Überlebenden nur den groben Schlachtverlauf. Als Beispiel sind in der Serie der Fall von Cintra und die Schlacht bei Sodden zu nennen, wo das eigentliche Ereignis in ein paar Sätzen abgehandelt wird (in den Büchern ist Geralt z.b. bei beiden nicht mal in der Nähe) und es mehr um die Aus- und Nachwirkungen geht, speziell auf politischer Ebene. Sie verlaufen zwar grundsätzlich ähnlich, aber in Details etwas anders, was aber nicht wirklich schlimm ist – Film ist ein anderes Medium als ein Schriftstück, da wirken andere Stilmittel besser.
Woran ich mich aber nicht erinnern kann ist, dass die Vorgeschichte von Yennerfer so ausführlich behandelt wird. Yennefer ist allgemein in den ersten beiden Büchern eine eher mysteriöse Figur, über ihren Hintergrund ist kaum etwas bekannt, nur dass sie ein außergewöhnlich talentierte Magierin ist. Auch warum Magier keine Kinder bekommen können wird in den Büchern eher angedeutet, in der Serie aber sehr explizit gezeigt. Ich bin mir unsicher, ob es das ganze jetzt besser oder schlechter macht. Ich mag es eigentlich, wenn nicht alles auf dem Silbertablett serviert wurden, sondern ein gewisses Mysterium um manche Dinge bleibt.

Bei der Technik merkt man, dass hier kein Budget eines Game of Thrones am Start war, aber gerade bei einer ersten Staffel ist dass nicht weiter verwunderlich. Die Effekte gehen aus meiner Sicht in Ordnung. Speziell was die Charaktere angeht, bei den Monstern fällt das kleinere Budget eher auf.

Bei der Auswahl der Schauspieler gab es eine Kontroverse, in die betrifft natürlich den Hauptdarsteller: Henry Cavill als Geralt von Riva. Ich war auch erst skeptisch, ich meine, der Typ der quasi die Vorlage für Superman sein könnte? Superman ist quasi die menschgewordene Perfektion, während Geralt alles andere als Perfekt ist, sondern viele Ecken und Kanten hat, sowohl charakterlich und vor allem äußerlich. Und ganz ehrlich: komplett überzeugt bin ich auch danach nicht, was sich aber auf sein Aussehen beschränkt: Durch Makeup und Rüstung wirkt es nochmal anders, aber trotzdem sieht er irgendwie nicht abgefucked genug aus, gerade sein Gesicht wirkt zu perfekt. Aber vom Schauspielerischen finde ich die Figur sehr gut getroffen, Geralt ist ein sehr stoischer Charakter, der lieber sein Schwert als Worte sprechen lässt. Dazu versucht er, in dieser durch und durch schlechten Welt seinen eigenen, moralischen Kompass zu finden und diesem Treu zu bleiben, auch wenn es Opfer bringt und auch sehr schmerzhaft sein kann. Auch die Stimme ist gut getroffen, wobei ich die englische etwas besser finde, dass sie tiefer und rauer klingt.
Bei den anderen Schauspieler ist mir jetzt kein Ausrutscher ausgefallen, alle finde ich sind gut getroffen und machen ihre Sache gut. Sie haben aber auch deutlich weniger Screentime als Geralt, und da es doch einige sind bleibt oft wenig Zeit, um ihren Charakter wirklich zu formen. Bei Yennefer musste ich nachschauen ob das wirklich die ganze Serie über die gleiche Schauspielerin ist, ihre Transformation ist schon so groß, dass ich Zweifel bekam. Bei ein paar musste ich mich umgewöhnen, da ihr Bild in meinem Kopf, was durchaus auch von den Spielen beeinflusst ist, etwas anders aussieht als in der Serie. Speziell Triss entspricht mehr der Beschreibung in den Büchern und passt deswegen gut.

Fazit: The Witcher auf Netflix ist für mich eine gute Umsetzung der Bücher. Die Technik geht in Ordnung, die Schauspieler sind gut gewählt. Auch die Auswahl der Geschichten finde ich gut, es sind die wichtigsten dabei. Was mich stört ist, dass sie so völlig aus der Reihe erzählt werden und das nur verwirrt, ich darin aber keinen Mehrwert sehen.
Eine zweite Staffel und ein Anime mit Fokus auf Vesemir (Geralt Lehrmeister) sind angekündigt, da hoffe ich dass sie das zumindest angehen. Wegen mir könnten sie auch auf dem Niveau weiter machen und es wird trotzdem eine gute Serie dabei herauskommen.