Review: Amid Evil

Screenshot: Amid Evil

Für Ego-Shooter, die sich an den Klassikern des Genres orientieren, bin ich eigentlich immer zu haben. Amid Evil nimmt sich mit Heretic ein nicht so offensichtliches Vorbild, sonst werden eher die Spiele direkt von id Software genommen. Bei Heretic (und dessen Nachfolger Hexen) hatte ich immer den Eindruck, dass sie im Schatten von Doom und Quake stehen. Dabei unterscheiden sie sich durchaus von den Spielen von id, nicht nur durch das Setting, sondern auch durch Eigenheiten im Gameplay. Ich habe sie bisher selbst kaum gespielt, der Großteil meiner Infos stammt deshalb aus einer Episode des Stay Forever Podcast zum Thema.
Aber zurück zu Amid Evil: ich hatte schon den Eindruck, dass es ein modernisiertes Heretic sein will, wobei modernisiert sich hauptsächlich auf den technischen Unterbau bezieht, beim Gameplay will es sehr nahe am Original sein. Aber kann man sowas heute noch gut zocken? Ich habe es mir angeschaut.

Inhalt

Grafik und Sound

Screenshot: Der Raketenwerfer verschießt Planeten - oder aufgepowered Sonnen
Der Raketenwerfer verschießt Planeten – oder aufgepowered Sonnen

Da der technische Unterbau die aktuelle Unreal Engine 4 ist könnte man meinen, dass man hier ein Spiel mit aktueller Top-Grafik vor sich hat. Dem ist aber nicht so, Amid Evil setzte durchgängig auf einen auf Alt getrimmten Look, mit niedrig aufgelösten Texturen und recht groben Polygonmodellen. Es geht in seinem Stil nicht ganz so weit wie Dusk, da speziell die Texturen nicht so eintönig ausfallen und auf einige Entfernung gar nicht so schlecht wirken, aber wenn man ihnen nahe kommt sieht man, wir grob die eigentlich sind.
Vor allem an den Gegner sieht man die niedrige Polygon-Zahl, wobei sie nicht ganz so niedrig ausfällt wie bei anderen Vertretern dieses Grafikstils. Die Animationen gehen in Ordnung, da alles sehr auf Old-School getrimmt ist darf man aber auch keinen Wunder erwarten.
Die Waffenmodelle sind generell in Ordnung und entsprechen dem allgemeinen Stil, wobei die Axt sehr viel Platz im Bild beansprucht. Der Rest ist da deutlich kompakter und stört die Sicht nicht so stark.

Für die Musik ist Andrew Hulshult zuständig, der bereits die Musik zu Dusk und dem Remake zu Rise of the Triad komponiert hat. Beiden sind in dem für ihn eher typischen Metal-Sound mit Schwerpunkt auf Gitarren, in Amid Evil hört man aber eine anderen Seite: Gitarren kommen fast nicht vor, stattdessen ist es vom Stil her deutlich mehr auf Ambient getrimmt, mit sehr ruhigen, aber zum Setting passenden, sehr mystisch anmutender Musik.
Die Soundeffekte wirken dagegen wie aus einer vergangen Zeit und fast schon veraltet, der ganzen Aufmachung des Spiels nach würde ich vermuten, dass das Absicht ist. Und sie passen auch gut dazu, sie sind nicht qualitativ schlecht, sondern eher auf alt bzw. Retro getrimmt.

RTX Beta Update

Screenshot: Mit dem RTX-Beta Update spiegelt der Boden im Demo-Level merklich
Mit dem RTX-Beta Update spiegelt der Boden im Demo-Level merklich

Um den Jahreswechsel gab es noch eine Überraschung: die Entwickler reichten in einer öffentlichen Beta Unterstützung für Raytracing Reflexionen via Microsofts DirectX-Raytracing-Technik nach. Dazu gibt es ein spezielles Level, wo sie besonders zur Geltung kommen sollen.
Ums kurz zu machen: wie bei vielen anderen Spielen ist der Effekt eher subtil, zumal das Spiel auch in der normalen Version schon Spiegelungen in Oberflächen hatte, aber wahrscheinlich eher sowas wie Screen Space Reflections. Da ist der Unterschied nicht so groß wie z.b. bei Quake 2 RTX. Sie kommen im Demo-Level gut zur Geltung, aber bei der Geschwindigkeit des Spiels gehen sie schnell unter.

Gameplay und Leveldesign

Screenshot: Die Aeturnum genannte Superwaffe räumt unter Feinden auf wie legendäre BFG
Die Aeturnum genannte Superwaffe räumt unter Feinden auf wie legendäre BFG

Beim Gameplay hält sich Amid Evil sehr an sein Vorbild Heretic, es weicht quasi gar nicht ab: Man startet nur mit einer Axt und findet in den Levels allerlei magische Waffen, die von grünen, blauen oder orangenfarbenem Mana befeuert werden.
Der blaue Zauberstab verschießt schnell einfache Kugeln, die aber zu einem gewissen Grad zielsuchend sind und sich gut für weit entfernt Gegner eignen – mit den anderen ist das deutlich schwieriger, weil alle Projektilwaffen sind. Gar nicht mochte ich den Säbel, der recht unberechenbare, grüne Schnitte verschießt, für größere Gruppen von Gegner geht er aber. Der Dreizack verschießt Blitze ähnlich einer Lightninggun, der Quasi-Raketenwerfer feuert dagegen Planeten (!!!) und der Morgenstern wird nicht im Nahkampf eingesetzt, sondern mit einem Schwung lösen sich Eiszapfen, die gerade aus und recht schnell fliegen und somit auch auf größere Entfernung brauchbar sind. Zuletzt gibt es noch das Aeturnum, was im Endeffekt der BFG aus Doom entspricht, die mit einem Schuss alle Gegner auf dem Bildschirm ausschaltet, aber kurz aufladen muss und die Munition arg begrenzt ist.
Jeder erledigte Gegner hinterlässt seine Seele, hat man genug zusammen kann man den "Soul-Mode" aktivieren – was jede Waffe in einer überstarke Variante verwandet: der Zauberstab feuert deutlich schneller, die Planete werden zu Sonnen und machen deutlich mehr Schaden in einem größeren Radius. Allerdings ist das nicht ohne Tücken, man kann sich damit auch selbst schnell in die Luft jagen. Das Aeturnum erzeugt dann ein schwarzes Loch, was alles ansaugt – auch den Spieler, was zu sofortigem Ableben führt wenn man darin gefangen wird.
Auch ansonsten gibt sich Amid Evil klassisch, in den meisten Level reicht es, zum Ausgang zu kommen. Dazu muss man Schlüssel suchen und Schalter umlegen, wer einen Shooter aus den Neunzigern gespielt hat weiß, woran man ist. Dabei verändert sich die Levelarchitektur auch mal mittelschwer, dabei haben die Entwickler auch an Abkürzungen gedacht, damit man nicht nochmal komplett alles ablaufen muss. Die einzige Ausnahme von der Regel sind die Bosslevel am Ende jedes Kapitels, dort gilt es erwartungsgemäß einen besonders schweren Gegner zu erledigen. Die Kämpfe sind größtenteils solide, die Attacken studieren, ausweichen und zurückschießen reicht. Nur einer sticht für mich hervor, wo man gegen zwei fliegenden Schlangen kämpfte wärend man sich in einer Blase aus Wasser befindet.
Auch Klassisch: die Gegner-KI. Also dass es quasi keine gibt. Außer direkt auf den Spieler zustürmen können sie nichts. Nichtmal eine Kante hinunterspringen, sie halten sich streng an die Levelgeometrie, was es aber auch teils sehr einfach macht, sie abzuschießen. Jedes Kapitel hat eigene Gegnertypen, wobei das darauf hinausläuft, dass es in jedem nur fünf bis sechs hat und entsprechend schnell arg eintönig wird.

Screenshot: Die Leveldesigner scheinen ein Faible für sehr enge Pfade über Abgründen zu haben...
Die Leveldesigner scheinen ein Faible für sehr enge Pfade über Abgründen zu haben…

Ums gleich vorneweg zu nehmen: das Leveldesign ist mein Highlight des Spiels. Alle Kapitel haben ihren eigenen Stil, die ägyptische anmutenden und sonnendurchflutente Solar Soltice, das düstere Fantasy-Maschinen-Reich der Schmiede (The Forge) und man Ende geht es in die unendliche Leere mit im nichts schwebenden Plattformen. Die Architektur der Level ist dabei alles andere als realistisch sondern kann aus den vollen Möglichkeiten der Engine schöpfen, statt von Story und Realismus zurückgehalten zu werden.
Alle haben gemeinsam, dass die Architektur sehr imposant wirkt: dicke Säulen, weite Flächen und allgemein wirkt alles sehr massiv. Da das Spiel auch keine Anstanden macht, auch nur im Ansatz realistisch zu wirken, können sich die Desigern voll austoben und sehr fantasievolle Umgebungen erschaffen. Was mir aber auffällt: sie scheinen ein Faible für sehr schmale Stege über Abgründen zu haben, des öfteren musste ich auf ihnen Balancieren, um zum Ziel zu kommen. Auch Treppen findet man sehr oft, Jumppads oder Lifte dagegen eher selten und wenn, dann nur als Abkürzung, falls man mal wo runter fällt.
An einer Stelle habe es die Designer aber etwas übertrieben: einige Passage wiederholen sich zu oft. Warum muss ich mich gefühlt acht Stockwerke die immer gleiche Treppe hoch kämpfen, hätten es da nicht auch drei getan?

Screenshot: Sprungpassage gibt es auch, sie erfordern aber recht viel Präzision, was die Steuerung nicht immer her gibt
Sprungpassage gibt es auch, sie erfordern aber recht viel Präzision, was die Steuerung nicht immer her gibt

Dass die Steuerung nicht immer ganz so präzise ist hilft in den sehr engen Abschnitten wenig. Auch die in einer Episode häufiger auftretenden Sprung-Passagen macht das nicht einfach, zumal sie teils sehr präzises Timing erfordern. Da machte sich bei mir schnell Frust breit, immerhin sind die Ladezeiten kurz bzw. man wird an solchen Stellen schnell wieder an den Ausgangsort zurückgesetzt oder fällt nur auf eine niedrigere Ebene und kommt schnell wieder hoch.
Allgemein wirkt die Steuerung etwas simpel. Ich hatte nie den Eindruck, hier wirklich einen Körper zu bewegen. Es fühlte sich eher so an, als würde ich ohne Widerstand durch luftleeren Raum fliegen. Dem entgegen steht der sehr schwache Hopser den die Entwickler als Sprung bezeichnen, der ist wirklich nicht der Rede wert und erschwert zusätzlich die Sprung-Passagen. Bunny-Hopping, Strafe-Jumping oder eine andere, fortgeschrittenen Fortbewegungstechnik scheint es nicht zu geben, zumindest ist mir keine aufgefallen – einfach laufen bzw. Dauersprinten scheint mir nicht langsamer zu sein als alles andere.

Story und Arena-Modus

Screenshot: Jedes Kapitel mit mit einem Bosskampf abgeschlossen
Jedes Kapitel mit mit einem Bosskampf abgeschlossen

Aktuell hat Amid Evil zwei Spielmodi, die Story-Kampagne mit insgesamt 7 Kapitel mit je drei Leveln und einen Arena-Modus.

Die Story in der Kampagne ist irgendwie, naja Standard für das Genre: irgendwelche dunklen Mächte dringen in ein Fantasy-Reich ein, und man ist der einzige, der sie zurückdrängen kann. Nichts besonderes und kann man auch getrost ignorieren. In welcher Reihenfolge man die Kapitel angeht kann man sich aussuchen, wenn auch nicht komplett frei. Das Einstigskapitel ist immer fest, dann kann man zwischen zwei und dann zwischen den letzten vier wählen, bevor es ans Finale geht. Hat man eines abgeschlossen kann man von der Hubwelt aus dahin zurückkehren und sogar die Level der Episode einzeln anwählen. Neues zu tun gibt es dann nicht, es dient wohl nur dazu, übersehene Secrets und Textstücke zu finden.

Der Arena-Modus ist auch Standard, in einer von drei sehr kleinen Arenen spawnen Welle um Welle von Gegner, das Spiel ist vorbei wenn man stirbt – was sehr schnell gehen kann, da zwar alle Waffe und ordentlich Munition rumliegen, aber kaum Health-Pickups. Gutes ausweichen und Positionieren ist wichtig, Schaden vermeiden wichtiger als stumpfes Austeilen. Das es am Ende aber nur im Highscores geht und mich das nicht langfristig motiviert.

Fazit

Screenshot: Da die Architektur der Level nicht an Realismus gebunden ist, gibt es einige sehr fantasievolle Konstrukte
Da die Architektur der Level nicht an Realismus gebunden ist, gibt es einige sehr fantasievolle Konstrukte

Amid Evil ist für mich ein gelungener klassischer Shooter, der sich zwar sehr eng an sein Vorbild Heretic hält, aber damit doch die ein oder andere Besonderheit gegenüber anderen Vertretern seine Gattung von Spielen hat. Mir blieb vor allem die imposanten Architektur der Level in Erinnerung, die nicht so sehr an Story und eine realistische Welt gebunden ist, sondern seinen mächtigen Strukturen auch mal sehr ausgefallene Designs umsetzt. Auf die vielen, sehr engen Stege über tiefen Abgründen (oder gar nichts) sowie den vielen Wiederholungen sehr ähnlicher bis komplett gleicher Abschnitte hätte ich aber verzichten können. Nicht zu vergessen die teils wirklich schweren Plattforming-Passagen.
Beim Gameplay ist die Verwandtschaft am deutlichsten, das ist quasi identisch, bis hin zum System, wie das aufpowern der Waffen funktioniert. Das ist nichts schlechtes, wer das Original kennt wird sich sofort zuhause fühlen. Man darf aber keine großen Innovationen erwarten. Aber dann kann man mit dem Spiel viel Spaß haben.