Review: Serious Sam – Siberian Mayhem

Screenshot: Serious Sam - Siberian Mayhem

Als ich letztes Jahr Serious Sam 4 gespielt habe, hat es mich etwas ernüchtert zurückgelassen. Es war so wie man es von der Serie kennt, im Guten wie im Schlechten. Die paar wenige Neuerungen konnten das nicht ändern, ein paar der Einschränkungen gegenüber älteren Teilen haben meinen Eindruck sogar etwas verschlechtert.

Anfang des Jahres kam für mich sehr überraschend, weil komplett aus dem Nichts, das Stand-Alone-Addon Siberian Mayhem heraus. Entwickelt von einem Team von Fans sollte es eine Story-Lücke im vierten Teil schließen. Ich war zwar etwas skeptisch, habe es mir aber trotzdem angesehen – sollte ja nur ein kleiner Happen sein. Ich erwartete keine großen Veränderungen, aber zumindest ein paar Verbesserungen gegenüber dem Hauptspiel.

Inhalt

Solide Basis tritt auf der Stelle: Technik

Screenshot: Einige Abschnitte sind klare Referenzen an ältere Teile der Serie
Einige Abschnitte sind klare Referenzen an ältere Teile der Serie

Das es im Grunde ein Stand-Alone-Addon ist, basiert Siberian Mayhem auf der Technologie von Serious Sam 4, mit kaum für mich sichtbaren Upgrades. Es ist eine durchaus solide Engine, aber mit den Großen wie id Software kann das kleine Croteam nicht mithalten, und schon gar nicht die ehemalige Fan-Truppe von Timelock Studio, die dieses Spiel verantwortet haben. Ich hab keine grundlegenden Überarbeitung und die selben Stärke und Schwäche erwartet.

Und so kam es auch: Die Beleuchtung wirkt vor allem in den Außenbereichen sehr statisch und die Umgebung ist bei weitem nicht mehr so zerstörbar wie in den früheren Spielen. Der Detailgrad geht in Ordnung, speziell wenn die Gegner nahe kommen, was ich häufig nur in Videos, die ich mir Frame für Frame angeschaut habe, richtig sehen konnte (so sind ein Großteil der Screenshots in diesem Artikel entstanden, weil es unmöglich wäre, bei dem schnellen Spielablauf im richtigen Moment die Screenshot-Taste zu drücken). Aber in der schnellen Action fällt das kaum auf. Das Design einiger, speziell der Bio-Mechanoid-Läufer mit ihrem sehr fleischigen Kopf mag ich nicht, aber das ist eher persönliche Präferenz.
Das vor Release des Hauptspiels groß angekündigte Legion-System kommt gar nicht zum Einsatz, die meiste Zeit sind es nur einige dutzend Gegner, mit denen ich es aufnehmen musste. Später kommen Abschnitte mit großen Wellen mit mehr Gegnern, die aus einiger Distanz anrennen. Neu ist eine Art Wettersystem für Schneestürme, die je nach Levelfortschritt dichter werden oder ganz aufhören. Die sorgen für zusätzliche Atmosphäre in den ansonsten recht statischen Außenlevel. Generell fand ich die auch besser gebaut, die Einschränkungen fielen mir zumindest nicht so auf – das könnte aber auch am lichtarmen Setting liegen, im Hauptspiel waren es vor allem Rom und Süd-Frankreich, die mir negativ in Erinnerung blieben, nicht das Finale in Tunguska.

Die Fehler mit sehr sichtbar nachladenden Texturen ist immer noch da, aber nicht mehr so präsent. Wobei das auch daran liegen könnte, dass es deutlich weniger Zwischensequenzen wie im Hauptspiel gibt. In einigen sind sie aber gut sichtbar. Auch unschön finde ich die Ladezeiten, die nie unter einer halben Minute pro Level liegen. Besonders ärgerlich: Das nächste Level wird immer automatisch geladen, ich kann es nicht verhindern (außer das Programm abzuschießen). Das nervt wenn ich eigentlich eine Pause einlegen will und trotzdem die Ladepause abwarten muss.

Screenshot: Gibt es eine ikonischere Serious-Sam-Szene wie schreienden, kopflose Kamikaze, die einen Hügel herunter stürmen?
Gibt es eine ikonischere Serious-Sam-Szene wie schreienden, kopflose Kamikaze, die einen Hügel herunter stürmen?

Ansonsten läuft das Spiel schön stabil, auch in Ultrawide-Auflösung, in der ich mittlerweile spiele. Framedrops sind mir keine aufgefallen, die 60FPS werden zu jeder Zeit gehalten. Außer wenn das Spiel hin und wieder kurz "anhält". Mir ist es ein paar mal passiert, dass das Spiel für ein bis zwei Sekunden komplett einfriert, wie wenn es abgestürzt wäre. Es geht zwar weiter, aber beruhigte mich jedes mal kurz.

Die Musik hat wie für die Serie typisch einen rockigen Stil, aber geht im Effekt-Gewitter der Explosionen, Laserschüsse und Schreie der Headless Soldier komplett unter. Zwischen den Kämpfen ist es ruhig, fast schon zu ruhig, Musik kommt dann fast gar keine mehr – ich warte eigentlich nur auf den nächsten Kampf.

Serious Sam in Reinkultur: das Gameplay

Muss ich zum Gameplay eines Serious Sam wirklich etwas sagen? Siberian Mayhem ist so klassisch, wie es in der Serie nur geht. Die Kurzfassung: Ein Mann, eine Menge Knarren und Unmengen an Gegnern, die es zu erledigen gilt.

Screenshot: Raketeneinschläge lockern die Fahrzeugpassagen auf
Raketeneinschläge lockern die Fahrzeugpassagen auf

Kernstück ist die fünf Karten umfassende Kampagne. In der näheren Betrachtung stellte ich doch ein paar Unterschiede zum Hauptspiel fest, vor allem im Leveldesign: es gibt keine engen Gassen mehr wie in den Levels in Rom, stattdessen bin ich in den breiten Korridoren unterwegs, für die die Serie bekannt ist. Und zwar ausschließlich. Gut, sie sind nicht mehr alle rechteckig wie im Erstling sondern etwas schöner ausgestaltet, so dass es nicht mehr sofort auffällt, bei etwas genauerem hinsehen bemerkte ich es aber doch. Hin und wieder gibt es Abzweigungen zu einer Nebenquest, die zu mehr Ressourcen (Waffen, Munition, Rüstung, etc.) und kleinen Geschichten führen, die sich aber auf hinterlassene Nachrichten wie Briefe und Tonaufzeichnungen beschränken.

Die weitläufigen Level mit Fahrzeugen gibt es wieder, die sind aber zum einen nicht mehr ganz so groß und zum anderen sind die Nachladeartefakte, besonders auffällig bei den Straße Markierungen, nicht mehr so deutlich zu sehen – weil sie schlicht komplett fehlen. Statt Straßen ist Sam in (sehr lückenhaften) Wäldern mit unbefestigten Waldwegen und weiten Wiesen unterwegs. Seine Fahrzeuge sind ein unbewaffnetes Schneemobil und ein Quad, sowie zum Schluss ein Panzer (!!). Auch eine Sequenz mit einem Mech wie im Hauptspiel ist mit dabei – der ist nun neben einem Raketenwerfer mit einer für ihn passend dimensionierten Kettensäge ausgestattet, aber nur für den Nahkampf.

Egal ob zu Fuß oder per motorisiertem Gefährt, es gilt immer das Ende des Levels zu erreichen, davor stellen sich Sam zahllose Schergen des Oberbösewichts Mental in den Weg. In einigen Fällen müsste ich sie gar nicht erledigen, aber es macht die Sache einfacher – und da ich kein Speedrunner bin, sehe ich auch keine Notwendigkeit dafür. Bei den Gegnern gibt es nur ein paar wenige Neuzugängen, wie einen der an einen Mix aus den Fröschen aus dem ersten Teil und einem Gnarr erinnert. Auch das Waffenarsenal wurde dezent erweitert, mit einer Armbrust für Gegner auf weite Distanz, eine Art Laser-Flammenwerfer und natürlich das landestypische AK-Sturmgewehr. Sie ersetzten bekannte wie das Scharfschützengewehr, die vierläufige Laserwaffe und das Sturmgewehr (offenkundig aus amerikanischer Produktions), ein paar wie die automatische Schrotflinte und den halbautomatischen Granatwerfer, alles Neuzugängen aus den jüngeren Teilen, fehlen allerdings – die Entwickler konzentrieren sich ganz auf die Klassiker.

Screenshot: In Innenräumen kann die Beleuchtung und Stimmung zu überzeugen
In Innenräumen kann die Beleuchtung und Stimmung zu überzeugen

Auch ansonsten ist das Gameplay so klassisch, wie man es von Serious Sam kennt: Ballern, ballern, ballern, Schlüssel sammeln um eine Tür zu öffnen, ballern, ballern, ballern, Knopf drücken um eine Tür zu öffnen, ballern, ballenr, ballern, alle Gegner in einem Bereich erledigen damit sich eine Tür öffnet, ballern, ballern, ballern, ballern, ballern, Level-Ende erreichen, meistens nochmal ein bisschen ballern, und im nächsten Level das selbe von vorn. Das Level-System für Perks aus dem Hauptspiel wurde soweit ich das sehe unverändert übernommen. Die Gadgets als Power-Ups sind auch wieder mit dabei, mit ein paar Neuzugängen – zumindest konnte ich mich nicht an ein Hoverboard erinnern, was auch noch die Waffen aufwertet. Die allermeisten sind aber bekannt. Die Nahkampf-Exekutionen funktionieren immer noch genauso schlecht wie im Hauptspiel, kein Vergleich zu Doom Eternal. Sie auszulösen klappt alles andere als zuverlässig und durch ihre schiere Masse ist es meist deutlich effektiver, die Gegner mit Projektilen aus den verschiedenen Schießprügeln zu erledigen. Vorteile wie zusätzliche Munitions-, Rüstungs- und Heilungs-Pickups bringen die kurzen Animationen auch nicht, eigentlich halten sie nur kurz das Spiel an. Ich fand sie im Hauptspiel schon unnötig, hier hat sich das nicht geändert.

Die Kampagne kommt vom Umfang her eher spartanisch daher, die fünf Karten hatte ich nach nicht mal vier Stunden durch, da rauschten schon buchstäblich die Credits über den Bildschirm (Spaß beiseite: ich kann sie kaum lesen weil die Namen so schnell über den Bildschirm fliegen). Das ist wirklich nicht viel. Immerhin ist der Preis mit regulär 20€ auch nicht allzu hoch. Wobei ich ihn doch einen Tacken zu teuer finde, für das, was es mir bietet. Aber mit Bundle mit dem Hauptspiel wird es günstiger (auch wenn man das bereits hat) und der nächste Sale kommt bestimmt.

Abseit der Kampagne gibt es einen Survival-Modus: auf fünf relativ bis sehr kleinen Arenen wird Sam mit sehr wenigen Waffen und Munition mit sehr vielen Gegner konfrontiert. Es gilt nur, so lange wie möglich zu überleben. Und die sind allesamt wirklich schwer, in keinem habe ich auch nur das niedrigste Achievement mit 5 Minuten geschafft. Sie richten sich klar an Hardcore-Spieler, die bis an ihre Grenzen gebracht werden wollen. Als nicht mich, der eher entspannt durchrauschen will.

Das Spiel hat auch einen Multiplayer-Modus, den ich mangels interessierter Mitspieler nicht ausprobieren konnte. Ich gehe von der gewohnt soliden Coop-Ballerei aus, einen anderen Modus gibt es im Menü auch gar nicht.

Lückenfüller durch und durch: die Story

Screenshot: Zwischensequenzen und weitere Charaktere sind selten - und dann auch noch inkompatibel mit meinem Ultrawide Monitor
Zwischensequenzen und weitere Charaktere sind selten – und dann auch noch inkompatibel mit meinem Ultrawide Monitor

Muss man zur Story in einem Serious-Sam-Spiel wirklich etwas sagen? Vor allem zu einem, dass nur eine Lücke füllt? Na gut, aber nur ein paar wenige Worte.

Siberian Mayhem schließt eine Lücke in der Story von Serious Sam 4: frisch von der Bohrinsel runter landete Sam direkt in der russischen Taiga, schon recht nah an Tunguska, wo das Portal mit den Alien-Invasoren steht. Eigentlich wäre da noch ein Abschnitt in der eisigen Tundra geplant gewesen, der von Croteam aber gestrichen wurde. Timelock Studio hat ihn fertig (oder neu) entwickelt. Und eigentlich war es das auch schon. Sam ist auf dem Weg nach Tunguska, trifft den ein oder anderen aus dem Hauptspiel bekannten Bösewicht und ein paar neue Widerstandskämpfer, bringt die Zeitlinie noch ein wenig mehr durcheinander (Spoiler btw), lässt einige One-Liner vom Stapel und das wars auch schon. Nicht nur als Prequel, auch als Zwischenstück ist klar, wo es hinausläuft. Da es keine überraschenden Wendungen gibt, ist die Story eigentlich nur ein ganz loser Rahmen, man könnte auch von einer Ausrede für das Setting sprechen. Aber wer wirklich mehr erwartet, hat das falsche Spiel gekauft.

Fazit

Screenshot: Mit den richtigen Power-Ups sind selbst die größten Gegnerhorden machbar
Mit den richtigen Power-Ups sind selbst die größten Gegnerhorden machbar

Siberan Mayhem ist Serious Sam in Reinkultur – sogar noch mehr als das Hauptspiel. Das Gameplay, Leveldesign, Musik und Gegner – das alles kennt man so oder so ähnlich seit dem ersten Teil. Kein Experimente, kaum Neuerungen, nichts was von der bekannten Formal abweicht. So ist dieser Lückenfüller noch mehr für Fans der Serie konzipiert wie das Hauptspiel und dürfte sich nur an sie richten.

Technisch weist es die selben Stärken und Schwächen wie das Hauptspiel auf, durch die Struktur kommen sie nur nicht so stark zum tragen. Vor allem, weil sich die Story nochmal einen Stück weiter hinten anstellen muss, Zwischensequenzen gibt es deutlich seltener.

So hatte ich mit dem Spiel meinen Spaß, vom Hocker gehauen hat es mich aber nicht. Das hatte ich aber auch nicht erwartet, es ist eben der Lückenfüller geworden, der angekündigt war. Wer mit dem Hauptspiel oder gar der Serie allgemein nichts anfangen kann, wird auch hier nicht glücklich – alle andere finden einen soliden Happen für Zwischendurch. Und Hardcore-Fans können sich an den Survival-Herausforderungen abarbeiten.