Ich bin seit vielen Jahren ein großer Fan der Siedler-Serie, angefangen mit dem ersten Teil als PC-Port auf dem Rechner eines Schulfreundes. Der zweite Teil gehört seit über 20 Jahren zu meinen absoluten Lieblingsspielen, den ich jederzeit auspacken und damit Spaß haben kann. Die weiteren Teile habe ich alle gespielt, wenn auch mehr oder weniger intensiv. Die Serie hat über die Jahre viel ausprobiert, wie man in der 2018 veröffentlichten History Collection gut nachvollziehen kann. Das führte aber dazu, dass der Serie eine klare Identität fehlt. Und das sieht man kaum besser als am neuesten Teil.
Bereits 2018 angekündigt, wieder mit Serien-Erfinder Volker Wertich an Bord, sollte es eine Rückkehr zu alter Stärke werden. 2019 gab es eine weitere Präsentation auf der GamesCom, dann erstmal lange Funkstille. Von allem, was ich gehört habe, verlief die Entwicklung alles andere als glatt, es kam zum Bruch zwischen Ubisoft und Wertich (wo es wahrscheinlich auch böses Blut hinter den Kulissen gab, immerhin kündigte er sein neues Projekt in derselben Woche an, in der dieses Spiel hier erschien – für mich ein klares Nachtreten). Anfang 2022 wurde dann die neue Version des Spiels, mit dem Untertitel "Neue Allianzen" vorgestellt – und erntete nur Kritik, um es mal vorsichtig auszudrücken. Die Neuausrichtung als Echtzeitstrategiespiel, aus meiner Sicht recht nahe am dritten Teil dran, wurde nicht gut aufgenommen, die Raketenwerferochsen und Vogelscheuchen als Taunts ernteten nur Spott. Ubisoft nahm sich ein weiteres Jahr Zeit, um zusammen mit der Community (oder eher wer sich noch dafür interessierte oder nur weiter spotten wollte) zumindest die gröbsten Wogen zu glätten.
Ich muss zugeben: ich habe es mir gar nicht gekauft. Obwohl ich es drei Jahre in Folge in der Ausblick-Galerie des jeweiligen Jahres auf GamersGlobal aufführte. Ich war einfach zu skeptisch, dass es mir Spaß machen würde. Kürzlich hat Ubisoft seinem Abo-Service, wo das Spiel enthalten ist, eine kostenlose Testphase spendiert, in dessen Rahmen ich mir das Spiel angesehen habe. Was ich davon halte, könnt ihr hier nachlesen.
Inhalt
Malerische Landschaften: die Technik
Fangen wir mit dem guten Teil an, im technischen Bereich kann das Spiel durchaus punkten. Technisch basiert Die Siedler – Neue Allianzen auf der Snowdrop-Engine, eine Ubisoft-eigene Technologie, die u.a. The Division und die Mario + Rabbids-Spiele nutzen. Bei mir lief alles flüssig, Abstürzte hatte ich keine zu beklagen (das sah zum Release wohl noch anders aus).
Die Grafik würde ich das durchaus schick bezeichnen: Die Gebäude haben viele Details, aber trotzdem ein klares Design, wodurch ich sie je nach Volk gut zuordnen kann. Auch die Einheiten sehen gut aus, ein wenig überzeichnete Proportionen, aber nicht viel. Texturen und Beleuchtung sehen auch gut aus, besonders gefallen hat mir das Wasser mit seinen Farbverläufen und leichten Spiegelungen. Die Welt ist hell und freundlich, sie sieht regelrecht malerisch aus. Selbst wenn ich ein gegnerisches Lager zerstöre, und es zusammen mit vielen umgebenden Gebäuden in glimmenden Holzbalken zerfällt, sieht das schick aus. Statt einer grauen Suppe als Kriegsnebel sind noch nicht entdeckte Gebiete von dicken Wolken bedeckt, die durch ihr Wabern auch etwas hermacht. Nicht so toll sieht es aber aus, wenn man sie aufdeckt: Wie die sechseckigen Teile einfach weg ploppen ist irgendwie unterwältigend, hätte da nicht ein leichter Fade mehr hergemacht? Dass die Späher in Tarnung statt auf Transparenz auf ein simples Dithering-Verfahren setzen, ist für mich in Hinweis darauf, dass das eine Schwachstelle der Engine sein könnte. Aber das ist nur Spekulation meinerseits.
An der Audio-Front ist das Spiel unauffällig, in jeglicher Hinsicht. Die Musik ist gefällig, bleibt aber so sehr im Hintergrund, dass ich sie kaum bemerkte – ich musste sie nicht mal ausschalten, wenn ich nebenher ein Video auf meinem zweiten Monitor schauen wollte (warum ich das mache, folgt weiter unten bei Gameplay). Die Sprecher machen ihre Sache gut, dass die Charaktermodelle nicht mithalten können, ist nicht ihre Schuld. Was mich aber nach einer Weile dezent genervt hat, sind die Kommentare der Figuren. Von den normalen Siedlern kommen sie selten, die Soldaten und Ingenieure plappern deutlich mehr: Die Kämpfer beschweren sich ständig, dass sie verletzt sind, auch wenn sie bei voller Gesundheit sind. Ingenieure sind dagegen fast schon penetrant positiv, dass sie "alles bauen" und "die Bewegung gut gebrauchen" können. Da wäre etwas weniger mehr gewesen.
Ganz fehlerfrei ist das Spiel auch heute nicht. Ich konnte nach Beendigung einer Kampagnen-Mission nicht direkt zur nächsten, sondern bekam nur eine "wolkige" Fehlermeldung. Ich konnte sie zwar manuell starten, es nervte aber trotzdem. Einmal hat sich das Spiel nicht richtig beendet und lief im Hintergrund weiter, aber ohne wirklich Ressourcen meines Rechners zu beanspruchen. Ich habe es erst gemerkt, als ich das Spiel wieder starten wollte und es nicht ging, weil Ubisofts Client dachte, es würde noch laufen (was es ja auch irgendwie tat). Da es kein weiteres Mal auftauchte, halte ich das für keinen kritischen Fehler.
Was bin ich? Das Gameplay
Das Gameplay ist der große Streitpunkt des Spiels. Hier war lange nicht klar, was die neue Version eigentlich sein wollte: Echtzeitstrategie, näher an Siedler 3 dran, oder ein reines Aufbauspiel, wie die ursprüngliche Version oder Siedler 2? Die Kurzfassung: keines von beidem, und das ist mein größtes Problem mit dem Spiel.
Weder Fisch noch Fleisch
Die Animationen der Arbeiter können sich sehen lassen und es lässt sich zu jeder Zeit nachvollziehen, was wohin transportiert wird
Es gibt Tutorial-Missionen, welche die wichtigsten Konzepte vermitteln sollen, aber das sind wirklich nur die absoluten Basics. Wichtige, weiterführende Aspekte wie die Forschung werden nicht behandelt. Dass sie überhaupt existieren, habe ich erst im Verlauf der Kampagne gemerkt, wenn die entsprechenden Gebäude freigeschaltet werden.
Als aufbaulastiges Spiel spielt die Platzierung von Gebäuden und die Verbindung dazwischen eine wichtige Rolle. Hierbei setzt das Spiel auf ein Hexgrid, sprich die Spielwelt ist in Sechsecke eingeteilt. Das hat der zweite Teil auch gemacht, aber verdeckt, die Felder waren dort nie direkt sichtbar. Im Klassiker stehen die Gebäude auf den Feldern und die Wege verlaufen an den Kanten entlang. Das ist im neuesten Teil anders, alles wird auf den Feldern gebaut, auch Wege und Kreuzungen. Zudem ist klar ersichtlich, wieviel Platz ein Gebäude braucht: Nur Wohnhäuser geben sich mit einem zufrieden, wirklich große wie Bauernhöfe nehmen fünf oder sechs ein, dann als Block geformt. Hin und wieder war mir nicht klar, warum ich ein Gebäude trotz offenkundig genug Platz nicht bauen kann, zwar werden blockierte Felder dunkler dargestellt, so richtig klar, warum das so ist, wurde mir aber in einigen Fällen nicht. Und dass Straßen einfach gelöscht werden, wenn sie im Weg sind, ohne Rücksicht darauf, ob die Gebäude dahinter noch angeschlossen sind. Immerhin erscheint dann sofort ein kleines Symbol, dass zeigt, dass das Gebäude nicht mehr mit dem Straßennetz verbunden ist.
Alle Gebäude müssen an das Wegenetz angeschlossen sein, sonst können die Träger die Waren nicht transportieren. Die Warenketten sind nicht übermäßig komplex, sondern bewegen sich ungefähr auf dem Niveau der anderen Serienteile. Klassiker wie Holzfäller-Sägewerk, Farm-Mühle-Bäcker und Eisenmine-Kohlemine-Eisenschmelze-(Waffen-)Schmied sind dabei. Etwas ungewöhnlich ist, dass das Werkzeug (symbolisiert als Hammer) aus Holz und Stein produziert wird.
Die Bewohner, die keine anderweitig Arbeit haben, warten oder arbeiten als Träger, welche die Waren transportieren. Ist ein neues Gebäude fertig, werden automatisch so viele freie Arbeiter wie nötig dorthin geschickt, um dort zu arbeiten – falls genug vorhanden sind. Spezielle Werkzeuge werden nicht benötigt, und die Arbeit ist deshalb auch nicht dauerhaft. Habe ich mal zu wenig Träger, kann ich nicht benötigte Gebäude deaktivieren, damit wieder Kapazitäten frei werden. Endgültig ist die Berufswahl nur bei Soldaten (mehr dazu später) und Ingenieuren. Letztere sind die Allzweckwaffe des Spiels, sie sind quasi eine Kombination aus den Bauarbeitern, Geologen und Pionieren aus Siedler 3: Sie bauen alle Gebäude, sind nicht genug vorhanden geht der Bau entsprechend schleppend voran. Sie können das eigene Gebiet vergrößern, indem sie die Grenzsteine neu setzten, was aber gegen einen Angriff schlechter geschützt ist, und sondieren auf Bergbaugebieten, was an Rohstoffen sich wo im Boden versteckt.
Eine Umstellung für Fans der Klassiker ist das Nahrungssystem: Fische, Brot und Fleisch wird nicht mehr für Bergleute benötigt, damit sie überhaupt arbeiten (das machen sie jetzt genauso kostenlos wie alle anderen), sondern um die Produktivität einiger Gebäude zu erhöhen. Puristen haben das System schon von vornherein verteufelt, ich mag es aber. Auf Wunsch macht es Betriebe produktiver, was nur eine zweite Produktionskette erspart. Langfristig ist letzteres zwar besser, aber gerade bei Karten mit wenig Platz geht es nicht anders. Oder wenn ich nur einen temporären Boost einer Ware brauche, ist das besser als die große Investition an Baumaterial und Siedler in eine zweite Produktionskette.
Als nette Hilfe zeigt u.A. der Holzfäller ausgewählt an, welche Bäume erreicht werden. Dabei wird zwischen nachwachsenden Wäldern und solchen, die das nicht tun, unterschieden. Das mag zuerst etwas seltsam klingen, dürfte aber einer Spielmechanik geschuldet sein: Wie in den meisten Echtzeitstrategiespielen soll um Ressourcen gekämpft werden, sie zu verteidigen ist der Schlüssel zum Sieg: Goldadern und Hochsee-Fische in Age of Empires, Vespin-Gas und Mineralien in StarCraft, Timonium in Rise of Legends – ihr kennt das Spiel. Das bzw. das dadurch resultierende Fehlen eines Försters hat aber einem ganz gewissen Ex-GameStar-Redakteur so sehr auf die Palme gebracht, dass es ihn zu einer Schimpftirade verleitet hat, die wohl auch bei Ubisoft in Düsseldorf für ein Donnerwetter gesorgt hat. Heraus kam der Förster als Gebäude, der keine Bäume in seiner Umgebung pflanzt, sondern auf seinem Grundstück und quasi direkt Holzstämme produziert. Nicht nur dass damit die Mechanik torpediert wird, es war dem Herrn nicht mal recht. Ich finde das auch keine gute Lösung, weil es eine ansonsten wichtige Mechanik egalisiert. Immerhin kostet das Gebäude viel und braucht recht viel Platz, ist also eher was fürs Lategame. Dass es keine Bäume in der Landschaft pflanzt, stört mich weniger, das hat mich in Siedler 2 das ein ums andere Mal genervt, weil ich es nicht kontrollieren konnte. Das Bauernhöfe nach demselben Prinzip arbeiten, hat einen gewissen Jemand auch nicht weiter gestört…
Gekämpft wird in Die Siedler – Neue Allianzen auch, und zwar so ähnlich wie im dritten Teil der Serie: Es gibt vier Soldatentypen, drei "normale" und einer speziell für jedes Volk, dazu einen Heiler und Krieger speziell gegen Gebäude, alle werden direkt gesteuert. Sie brauchen Waffen und werden in ihren Anwerbergebäuden rekrutiert, in dem ein bisheriger Träger die Waffen nehmen und gut sichtbar damit trainieren. Dahinter steckt kein komplexes Konter-System, zumindest konnte ich keines erkennen. Vorne ein paar Schildträger, die mehr Aufhalten als selbst Schaden machen, ein paar der Nahkampfkrieger und dahinter ganz viele Bogenschützen, bevorzugt alles an einer Engstelle, und die Sache ist geritzt. Selbst Heiler halte ich für eher Optional, zumindest soweit wie ich gespielt habe.
Verteidigt wird mit zwei Arten von Türmen, einer macht viel Schaden, vor allem über seine Spezialfähigkeit, der andere heilt. Erstere lässt sich auch ohne Belagerungsspezialisten leicht austricksen, indem ich einen Soldaten todesmutig in die Reichweite schicke, wenn die Fähigkeit zündet, direkt wieder rausziehe und dann warte. Der Cooldown ist recht lange und meist genug, um den Turm auch mit normalen Einheiten einzureißen. Mehrere Reihen an Türmen habe ich von der KI bisher nicht gesehen. Komplett allein lassen darf ich sie aber nicht, weil später in der Kampagne die Gegner auch über "Belagerugnsmagier" verfügen und die Verteidigungsanlagen sehr schnell abreißt, wenn ich sie nicht mit meinen eigenen Soldaten vorher erledige. Da helfen auch die stumpfen "Lockvogel"-Teile nicht, mit einen Taunt Gegner dazu bringen, nur noch die Soldatenattrappen anzugreifen. Eine arg stumpfe Mechanik, die aber funktioniert – in die eine oder andere Richtung. Die im ursprünglichen Konzept noch vorgesehenen, bemannbaren Mauern konnte ich nicht entdecken.
Ab einem gewissen Punkt sind die kleinen, geskripteten Angriffe der Gegner eher lästig als eine Herausforderung
Beim Militär gibt es einen der wenigen, spielerischen Unterschiede zwischen den Völkern: Jede hat eine Spezialeinheit, die gegen Gold angeheuert wird. Soweit ich das sehe, sind alle Nahkämpfer mit einem Speer, aber verfügen jeweils über eine Spezialfähigkeit. Der Einfluss auf das Spielgeschehen hält sich entsprechend in Grenzen. Dazu sind sie sehr teuer, meist ist es effektiver, sich auf die anderen Einheitentypen zu verlassen.
Generell ist das Tempo des Spiels eher gemächlich. Einheiten traben fast unerträglich langsam über die Karte, einen unverhofften Angriff abwehren ist fast unmöglich. Ein Gebäude bauen dauert auch seine Zeit, wird aber von schönen Animationen untermalt. Am meisten Zeit brachte ich aber schlicht mit Warten zu, bis ich wieder genug Baumaterial hatte, die Basis weit genug ausgebaut war oder schlicht ein vorgegebener Timer in der Kampagne abgelaufen war. Ich mag es in Aufbauspielen eigentlich gemütlich, aber das war mir zu langsam, rumsitzen macht keinen Spaß, sondern eher das Planen und beim Bauen zusehen.
Nur Beiwerk? Die Kampagne
Eines vorneweg: Im Gegensatz zu den meisten Reviews hier, habe ich die Kampagne nicht durchgespielt, sondern "nur" sechs von dreizehn Missionen abgeschlossen. Auch ein Grund, warum es unter meiner kürzeren Kategorie "Ein paar Gedanken zu" läuft (zumindest was bei mir als "kurz" durchgeht).
Man startet mit dem Volk der Elari, die entfernt an ein mittelalterliches Fantasy-Volk erinnern, vielleicht mit leichtem Elfen-Einschlag, was die Architektur angeht. Man trifft die afrikanisch angehauchten Maru, auf die nordisch inspirierten Jord habe ich bisher nur im Skirmish gesehen, sie dürften erst später in der Kampagne einen Auftritt haben. Man reist von Insel zu Insel, hilft den recht hilflose Maru gegen eine Banditenkönigin (die komischerweise dieselben Einheiten ins Feld führt…) und sucht seinen sagenumwobenen Vorfahren. Alles nicht berauschend und auch nicht sonderlich spannend in Szene gesetzt. Zwischensequenzen muss ich manuell auslösen, wenn das entsprechende Symbol auf der Karte erscheint. So werde ich nicht ungeschickt unterbrochen, nimmt aber auch Tempo heraus. Die folgenden Sequenzen sind auch alles andere als spektakulär: Entweder man sieht eine Kamera, die sich in fixer Entfernung um ein Objekt dreht (egal ob da noch Felsen dazwischen ist) oder ein Dialog im Expeditionslager, was ansonsten nur Platz auf der Karte beansprucht. Die Figuren sind ordentlich modelliert, nur Lippensynchronität darf man nicht erwarten, ich habe aber auch schon bedeutend schlechteres gesehen – aber auch besseres. Das wirkt wie ein Kompromiss der kurzen (Um-)Entwicklungszeit geschuldet. Gelegentlich läuft auch eine Videosequenz, die man an der grausam schlechten Kompression erkennt. Mir ist schon lange kein Spiel mehr untergekommen, dass derart viele Kompressionsartefakte wie Blockbildung und teils falsche Farben in seinen Videos zeigt wie hier.
Die Missionen sind recht Standard: zuerst reicht es, dass auf der Insel ebenfalls ansässige Banditenvolk auszulöschen, indem man seine Lagerhäuser zerstört. Es gibt auch interessantere, wie Orte "erforschen" (mit Militäreinheiten halten und ja keinen Gegner reinlassen, weil ansonsten der Timer von 3 Minuten komplett von vorne anfängt) oder im Hafen Ressourcen für die Weiterfahrt sammeln. Eine Mission fand ich interessant, weil die Karten ziemlich karg, aber reich an Gold ist und dadurch die Handels-Mechanik im Hafen in den Vordergrund stellt. Die langen Wartezeiten des Handels nehmen aber zusätzlich Tempo aus dem Spielablauf.
Die KI muss sich scheinbar mit alldem nicht rumärgern, ich hatte den Eindruck, sie baut so gut wie gar nichts auf, speziell ihr Militär scheint nur aus den Einheiten zum Start und dem zu bestehen, was über Skripte automatisch nachspawned (immerhin haben sich die Entwickler etwas Mühe gegeben, an den Stellen sieht man meist einen Tunneleingang, den man nicht schließen oder zerstören kann). Das macht den Kampf gegen sie aber unfassbar nervig, weil man nie wirklich sicher ist. Zu Anfang jeder Mission musste ich deshalb viele Ressourcen in den Aufbau der Verteidigung stecken, die dann anderswo fehlten und so den Spielfluss weiter bremsten. Rumsitzen und warten, bis man genug Holz und Steine für das nächste Gebäude hat, macht auch keinen Spaß. Man kann sie auch nur setzten, wenn genug Ressourcen im Lager (oder deaktivierten Industrien) vorhanden sind. Einfach das Fundament wie in den meisten Klassikern der Serie oder wie in Anno 1800 eine Blaupause platzieren geht nicht.
Die Charaktere sind gut modelliert und animiert, nur bei der Lippensynchronität der Dialoge hapert es
Die dreizehn Missionen der Kampagnen folgen streng linear nacheinander ab, so linear, dass es nicht mal ein Menü gibt, um Missionen auszuwählen. Zumindest, soweit wie ich gespielt habe, evtl. kommt das später noch. So weit wie ich bekommen bin, konnte ich nur die aktuelle weiterspielen, selbst für einen Neustart musste ich erst einen bestehenden Spielstand laden. Komfort sieht anders aus. Da nichts zwischen den Missionen übernommen wird, gibt es auch keinen technischen Grund.
Unausgegorener Fokus: Skirmish und Multiplayer
Schon am Menü merkt man, dass der klare Fokus des Spiels auf dem Multiplayer liegt, weil er viel stärker präsentiert wird. Dazu drehen sich die meisten Achievements und weiteren Systeme darum, dagegen wirkt die Kampagne wie ein Nebenkriegsschauplatz.
Am Kerngameplay ändert sich nichts, man startet mit einem Haupthaus, ein paar Soldaten und weiteren Siedlern und kann direkt mit dem Bauen anfangen, wie gewohnt zuerst Baumaterial, dann weiter zu Nahrungsproduktion und schließlich zur Schwerindustrie um Soldaten auszubilden und den Gegner zu überrennen. Alternative Siegbedingungen scheint es nicht zu geben, sobald das letzte Lager einer Partei fällt, ist das Spiel entschieden.
Als erstes ist mir aufgefallen, dass ich in meiner Basis eingesperrt bin. Auf den Wegen raus sind entweder Banditenlager mit nachspawnenden Gegnern sofern ich den sehr starken Anführer (erkennbar am lila Ring über dem Kopf und dass er oder sie sehr viel aushält) nicht erledige, oder Tore, die sich gegen Warenanlieferung öffnen, versperrt. Das soll wohl die in der ersten öffentlichen Beta aufgekommenen Rush-Taktiken entschärfen, aber mit dem Holzhammer. So sieht eine echte Notlösung aus.
Vieles kann ich nicht wirklich sagen, weil ich nur zwei Partien gegen die KI im 1-gegen-1 gespielt habe, weil sich alles andere nur schwierig starten lässt: Ich kann nicht allein ein Team-Spiel mit und gegen KI-Gegner spielen, ich brauche immer eine Party von richtigen Spielern, um einen Comp-Stomp zu starten. Allgemein kann man so gut wie gar nichts einstellen, nicht mal die Karte, ich nehme, sie wird zufällig ausgewählt. Immerhin kann ich das Volk wählen, auch wenn das, wie bereits beschrieben, nur wenig Einfluss auf das Spiel hat.
Es gäbe noch einen Hardcore-Modus mit besonders schweren Missionen, aber soweit ich weiß, wird das nur erreicht, indem der Spieler mit einer Übermacht konfrontiert wird, also auch etwas aus der Kategorie Holzhammer, und damit nicht mein Fall.
Fazit
Mir fällt es wirklich schwer, hier ein Fazit zu ziehen. Die Siedler – Neue Allianzen ist kein schlechtes Spiel, vor allem kein so abgrundtiefes, wie es in bestimmten Ecken des Internets gemacht wird, aber deren Einschätzung stand sowieso schon vorher fest. Richtig gut ist es aber auch nicht, sondern so mittelmäßig.
Ein wenig erinnert es mich an Dawn of War 3, dass als eine Mischung aus dem ersten und zweiten Teil antrat, aber am Ende weder Fisch noch Fleisch war und kaum jemanden wirklich zufrieden stellte. Das scheint mir auch hier der Fall zu sein: Die Siedler – Neue Allianzen wirkt wie eine Mischung aus Siedler 2 und 3, die aber nicht so ganz zusammenpassen, weil das eine ein reines Aufbauspiel ist und das andere stark in Richtung Echtzeitstrategie hängt. Heraus kommt ein Kompromiss, der Fans in beiden Lagern nicht zufriedenstellen kann. Dazu kommen die offenkundigen Kompromisse, die vor allem beim Design der Kampagnenmissionen sichtbar sind. Hier schien es darum zu gehen, das Spiel noch irgendwie einigermaßen zeitig auf den Markt zu bringen, um die finanziellen Verluste von Ubisoft zu minimieren.
Entsprechend kann ich das Spiel auch nicht wirklich empfehlen. Nicht weil es wirklich schlecht ist, sondern weil es in jeder Hinsicht bessere Alternativen gibt. Wer ein reines Aufbauspiel will, ist mit den Klassikern der Serie besser bedient, moderne Vertreter gibt es mittlerweile auch wie Sand im Meer: Foundation hat gute Ansätze, ist aber noch sehr Early-Access, Anno 1800 ein echtes Monstrum von einem Spiel, mit jedem DLC noch mehr. Klone davon und von alten Impressions-Spielen wie Pharaoh sind auch schwer in Mode.
Wer ein Echtzeitstrategiespiel ohne zu viel Stress will, ist wahrscheinlich bei Age of Empires mit seinen Remastern und dem vierten Teil gut aufgehoben, wenn es etwas Fantasy- und Rollenspiel sein darf sollte einen Blick auf SpellForce werfen. So steht Die Siedler: Neue Allianzen irgendwo in einem Niemandsland, kein wirklich schlechtes Spiel, aber warum soll man es spielen, wenn es bessere Alternativen gibt?