Eine zweite Chance für: Quake 4

Quake 4

Auf Quake 4 lasteten zum Release anno 2005 große Erwartungen: Fünf Jahre nach dem reinen Multiplayer-Titel Quake 3 – Arena kam ein neuer Teil (wieder mit Singleplayer-Kampagne) einer beliebten Serie. Der stammte zwar nicht vom Original-Studio aber von kompetenten Genre-Veteranen, die zudem eine enge Verbindung zum Hauptstudio hatten. Was konnte da schon schiefgehen? Wie wir heute wissen: eine ganze Menge. Trotz aller guten Vorzeichen und Hype gilt das Spiel heute als schwarzes Schaf der Serie, konnte weder Fans im Einzelspieler überzeugen noch im Multiplayer am Thron seiner Vorväter rütteln. Zumindest in der landläufigen Meinung. Aber ist das wirklich so? Wurde Quake 4 zu Unrecht abgestraft? Und wie schlägt es sich heute? Das ist die große Frage, die ich hier klären möchte.

Dieser Artikel erschien auch bei GamersGlobal. Danke an SupArai und Hagen Geritz für Korrekturen und Feedback!

Inhalt

Schweres Erbe: die Vorgeschichte

Die Quake-Serie von id Software hat eine lange und bewegte Geschichte, auf die ich an anderer Stelle näher eingehe. Der vierte Teil sticht in mehrerlei Hinsicht heraus: Er wurde bei Raven Software entwickelt, einem langjährigen Partner der Schöpfer des Franchise. Entwickler der Vorgänger waren nur in beratender Funktion beteiligt, sofern sie überhaupt noch im Unternehmen arbeiteten. Das Spiel wurde ein Launch-Titel für Microsofts Xbox-360-Konsole, was aber nach allem, was ich gehört habe, nicht gut lief. Der technische Zustand des Spiels war wohl miserabel und die Version wurde recht schnell abgeschrieben, sprich viele Probleme existieren bis heute. Da ich diese Konsole nicht besitze, kann ich das aber nicht aus erster Hand sagen (und abgesehen davon Shooter nur auf dem PC spiele). Deshalb geht es hier rein um die PC-Version.

Screenshot: Durch das Szenario eines großen Krieges ist man oft mit KI-Kameraden unterwegs
Das Szenario wirft euch in einen großen Krieg der Strogg gegen die Menschheit,deshalb seid ihr oft mit KI-Kameraden unterwegs.

Es ist nie leicht, einen neuen Teil einer so bekannten und beliebten Serie zu entwickeln. Aber bei Raven Software arbeiten Veteranen des Genres, ihren ersten Versuche wagten sie 1993 mit Shadowcaster, basierend auf der Engine von Wolfenstein 3D, so weit geht die Verbindung der beiden Studios zurück. In enger Zusammenarbeit entstanden Hexen und Heretic, zu ihrem Portfolio gehören mit Soldier of Fortune, Star Wars – Jedi Knight 2: Jedi Outcast und Star Trek: Elite Force weitere Klassiker des Genres. Keine schlechten Voraussetzungen, trotzdem ist Quake nochmal eine andere Hausnummer.

Zudem handelt es sich dabei um keine ganz einfache Serie: Bis dahin erschienen drei Teile, alle mit völlig unterschiedlichen Settings und Schwerpunkten. Durch Half-Life und das erste Call of Duty hatte sich das Genre zudem in Richtung mehr Story und Inszenierung entwickelt. Klassische Shooter waren nicht gefragt, das Zeitalter der Boomer-Shooter lag noch in weiter Ferne. Für den vierten Teil wurde deshalb entschieden, an den zweiten anzuschließen, wohl weil der noch am meisten Story zu bieten hat. Mir geht es primär um die Einzelspieler Kampagne. Der Multiplayer-Modus wird durchaus noch gespielt, eine Handvoll laufender Server mit Spielern konnte ich finden, speziell für den Capture-The-Flag Modus – natürlich nur mit der internationalen Version. Womit wir beim Thema der deutschen Version wären.

Das vierte Beben: die deutsche Version

Womit wir beim Thema wären. Zum Release von Quake 4 brachte Publisher Activision auch in Deutschland die internationale Version in den Handel, ohne USK-Siegel. Ähnlich wie Import-Titel konnte das Spiel nur von Volljährigen erworben worden. Diese Vorgehen ist aber auch eine Einladung dazu, dass das Spiel schnell indiziert wird, was nur kurz darauf wenig überraschend geschah. Einige Zeit später kam eine neue Version des Spiels in den Handel, aber mit einem blauen Siegel darauf – diese Version hatte von der USK eine Freigabe ab 16 Jahre erhalten.

Screenshot: In allen Versionen lösen sich erledigte Strogg auf, in der deutschen Version aber auf sauberem Boden
In allen Versionen lösen sich erledigte Strogg auf, in der deutschen Version aber auf sauberem Boden

Um diese Einstufung zu erreichen, waren große Einschnitte nötig. Es gibt schlicht kein Blut in dieser Version, auch kein grünes, wie es andere Spiele gerne färbten. Ganz zu schweigen von nicht komplett intakten Körpern und den nicht immer zugehörigen, abgetrennten Teilen. Sogar Ladebildschirme wurden ausgetauscht, sofern sie auch nur einen roten Flecken enthielten. Zwei besonders gewalthaltige Szenen im Spiel wurden komplett gestrichen, stattdessen sehen Spieler in Deutschland nur eine Schwarzblende. An einer anderen Stelle wird einem besonders grausamen Mord an einem Kameraden eine Wand vorgeschoben, die Kamera hält aber voll drauf – also auf die Wand. Unfreiwillig komisch wird es, wenn Wissenschaftler über die Struktur von Strogg-Organen reden, während sie auf leere Gläser starren. Generell habe ich den Eindruck, dass hier schnelle Lösungen bevorzugt wurden, um alles, was die Gefahr einer weiteren Indizierung bergen könnte, zu entfernen.

Durch diese drastischen Änderungen ergab sich ein handfestes Problem: Da Daten entfernt und verändert wurden, unterscheiden sich die Spieldateien von der internationalen Version, wodurch die hiesige Ausgabe im Multiplayer nicht mit anderen kompatibel ist. Im Einzelspieler ist das kein Problem, ihr müsst bei der Installation des letzten Patches 1.4.2 aber darauf achten, "German Language Files" auszuwählen, sonst quittiert das Spiel das Laden einer bestimmten Kampagnen-Karte mit einer Fehlermeldung. Mich wundert ehrlich gesagt, dass sie überhaupt daran gedacht haben. Ich hatte angenommen, diese Version wurde schlicht abgeschrieben. Digital gibt es nur die internationale zu kaufen – bis heute aber nicht von Deutschland aus. Die deutsche Version ist also nur auf Disk erhältlich. "Deutsch" ist aber nur der Gewaltgrad, Texte und Sprachausgabe sind komplett auf Englisch.

Screenshot: Wichtige Ereignisse wie ein Bosskampf werden mit kurzen Zwischensequenzen eingeleitet
Wichtige Ereignisse wie ein Bosskampf werden mit kurze Zwischensequenzen eingeleitet

Einen Vorteil hatte die niedrigere Altersfreigabe: Da es weniger Jugendschutzauflage zu beachten galt, hätte man das Spiel besser als eSport präsentieren können. Das hat allerdings überhaupt nicht geklappt, vor allem wegen der technischen Inkompatibilität zur vorherrschenden, internationalen Version. Nur in Ausnahmen kam die deutsche Version zum Einsatz, wie bei einem Match bei Giga Games. Hiesige Spieler griffen deshalb meist zum Import.

In diesem Artikel behandle ich die deutsche Version, aus dem simplen Grund, weil die Internationale meines Wissens nach weiterhin auf dem Index steht und es deshalb für mich schwierig ist, über sie zu schreiben. Alle Screenshots stammen ausschließlich aus der genannten Version.

Aus Zwei mach Vier: die Story

Bei der Story schließt Quake 4 an den zweiten Teil an, die Kurzfassung: die Menschheit befindet sich seit dem Jahr 2065 im Krieg mit den außerirdischen Strogg, eine Mischung aus organischen Wesen und Maschinen. Ähnlich wie die Borg aus Star Trek, aber deutlich dreckiger. Mit knapper Not konnte der erste Angriff auf die Erde abgewehrt werden. Um die Bedrohung dauerhaft zu bändigen, startet die Armee der Menschheit einen Gegenangriff auf die Heimatwelt der Strogg, den völlig ausgebeuteten und entsprechend verödeten Planet Stroggos. Ein einsamer Marine mit dem Kampfnamen Bitterman kämpfte sich durch Horden von Gegnern, schwächte die planetare Luftverteidigung entscheidend und erledigte sogar den Makron, den Anführer des Strogg-Kollektivs.

Screenshot: Dialoge gibt es nicht nur in Zwischensequenzen, sondern auch im Spiel. Weiter komme ich erst, wenn das meist belanglose Gebrabbel vorbei ist...
Dialoge gibt es nicht nur in Zwischensequenzen, sondern auch im Spiel. Weiter komme ich erst, wenn das meist belanglose Gebrabbel vorbei ist…

Hier setzt Quake 4 an. Als Corporal Matthew Kane sitze ich mit meinen Kameraden des Rhino-Squads im Truppentransporter im Anflug auf Stroggos, als der kommandierende Offizier reinkommt und über die Lage informiert. Wegen der guten Nachrichten wird entschieden, einen groß angelegten Angriff mit Landung durchzuführen. Das geht natürlich gehörig schief, der Transporter wird abgeschossen, ich lande unsanft auf der Planetenoberfläche.

Von hier an verläuft die Geschichte streng linear. Unterbrochen werden die Missionen durch Sequenzen auf dem Kommandoschiff Hannibal, wo ich außer herumlaufen, anderen Charakteren zuhören und Meetings (aka Zwischensequenzen mit Dialogen) beiwohnen, nichts tun kann. Kane als stummer Protagonist erduldet alles, bis neue Befehle da sind und er zur nächsten Mission geschickt wird. Es soll die Kulisse eines großen Kriegs mit vielen Beteiligten aufgebaut werden, aber bei mir hat das nicht gezündet. Ich war selbst in keiner Armee, aber bisher dachte ich, dass man meist mit seiner festen Gruppe unterwegs ist. Kane wird dagegen Trupps zugewiesen, die häufig aus Soldaten komplett unterschiedlicher Squads bestehen. Die sind zwar alle namentlich benannt, aber im Endeffekt nur austauschbares Kanonenfutter. Beim nächsten Checkpoint oder Skriptevent trennen sich die Wege meist schon wieder, in fast allen Fällen dauerhaft. Eine wirkliche Bindung baute ich deshalb im Verlauf des Spiels zu niemanden auf, nicht mal zu den Charaktere des Rhino Squads, die ich öfter treffe. Zumal es außer dem kantigen Frontkämpfer keinen anderen Typus Mensch im Spiel zu geben scheint.

Screenshot: Die Hannibal ist eine Operationsbasis der menschlichen Armee. Außer Meetings erlebe ich darauf aber nichts.
Die Hannibal ist eine Operationsbasis der menschlichen Armee. Außer Meetings erlebe ich darauf aber nichts.

Nach etwa der Hälfte des Spiels kommt es zum großen Twist, als Kane in eine Fall tappt und von den Strogg gefangen genommen wird. Da er sich wohl gut dafür eignet, wird damit begonnen, ihn in einen der ihrigen zu verwandeln. Also: weg mit dem Fleisch, her mit den technischen Augmentierungen. Die längere Sequenz mit dem blutigen Prozess (bei vollem Bewusstsein) war wohl zu viel für hiesige Jugendschützer, in der deutschen Version sieht man davon nichts. Die deutsche Fassung geht erst kurz vor Abschluss der Transformation weiter,  als Kane mit dem Strogg-Kollektiv verbunden werden soll. Dank Deus-Ex-Kameradia wird er gerade noch gerettet, aber seine Verwandlung hat einige Nebeneffekte: Ich kann nun die Schrift der Strogg lesen, zumindest an den wichtigen Terminals. Zudem höre ich immer wieder, wie die Krieger des Strogg-Kollektivs neue Befehle bekommen. Das ist ein nettes Detail, aber nicht konsequent umgesetzt, die Gegner schreien mir immer noch unverständliches entgegen (und schon gar nicht das verquere Englisch des zweiten Teils). Ansonsten bewegt sich Kane etwas schneller und mein HUD erstrahlt in orange statt grün. Das sind wenige Änderungen nach einem so umfangreichen Prozess, hier wurde meiner Meinung nach eine Chance vertan.

Ecken und Kanten: die Technik

Screenshot: Nicht nur dunkel, sondern schwarz: Die harten Schatten sind ein Erbe aus Doom 3
Nicht nur dunkel, sondern schwarz: Die harten Schatten sind ein Erbe aus Doom 3

Als nur eines von nur drei Spielen setzt Quake 4 auf die mittlerweile als id Tech 4 betitelte Engine von id software, entwickelt für Doom 3 und ansonsten nur im wahren Prey von Human Head Studios und 3D Realms genutzt. Das mag vor allem vertragliche Gründe gehabt haben, war aber für diese Art von Spiel nicht unbedingt die beste Wahl. Der Horror-Shooter auf dem Mars hatte kaum Level unter freiem Himmel und noch weniger Charaktere, entsprechend viele Anpassungen mussten die Entwickler bei Raven vornehmen.

Die meiste Zeit bin ich in Innenräumen unterwegs, enge Korridore, Lagerhallen, aber nichts wo man leben kann. Den Himmel von Stroggos sieht man öfter als den des Mars, aber was ich da sehe, ist nicht wirklich schön. Es wird eine klassische Skybox eingesetzt, deren niedrige Auflösung mir schon zum Release 2005 aufgefallen ist. Gebäude und Landschaften im Hintergrund sind wenig detailliert, da ändern auch die wenigen, passend platzierten Elemente wie Rauchschwaden wenig. Dazu scheint das Farbschema 50 Shades of Brown zu sein.

Doom 3 versuchte noch, seine sehr kantigen Charaktere in den Schatten zu verstecken. Quake 4 verfügte mit seinem größeren Story-Fokus nicht über diesen Luxus, entsprechend musste der Detailgrad der Modelle steigen. Für die Zeit geht der auch in Ordnung, ebenso die Texturen. Vor allem die Charaktere wirken nicht gar so kantig und ungelenk wie die Dämonen aus der Hölle, man merkt aber noch die Limitierungen. Das ein Jahr zuvor erschienene Half-Life 2 bot deutlich natürlicher aussehende Figuren. Ganz selten treffe ich auf Kreaturen mit nicht-humanoidem Körperbau, ihre Animationen würde ich als glaubwürdig einstufen.
Dazu gibt es ein paar Effekte die meine Sicht verändern: Wenn mich ein Berserker mit seinem Elektroschlag erwischt, verschwimmt der Bildschirm kurz. Durch Schwarzblenden wird simuliert, wenn Kane ohnmächtig wird, vor allem bei… oh wartet, die Szene kennt ihr ja nicht, deutsche Version und so.

Screenshot: Für den Hintergrund werden einfache Skyboxen genutzt, mit schon damals geringer Auflösung. Da helfen auch die darüber gelegten Effekte nichts
Für den Hintergrund werden einfache Skyboxen genutzt, mit schon damals geringer Auflösung. Da helfen auch die darüber gelegten Effekte nichts

Auf modernen Systemen gibt es einen Bug, wodurch die Details immer auf niedrig zurückgestellt werden. Um das zu beheben, empfehle ich den Einsatz des Tools Q4 Tweaker. Damit kann auch das Limit von 1920×1080 Pixel bei 62 FPS in der Kampagne aufgehoben werden. Er funktioniert nur mit der letzten Version 1.4.2. Einfach das Tool in das Verzeichnis von Quake 4 entpacken, die exe-Datei mit der grafischen Oberfläche für die Einstellungen starten, alles wie gewünscht einstellen und dann im Hintergrund laufen lassen. Beim Start des Spiels sollte sich eine maschinelle Stimme aus einem einfachen Text-to-Speech-System mit "twaker loaded" melden. Eventuell müsst ihr das Spiel ein zweites Mal starten, damit Änderungen korrekt übernommen werden.


Ein Großteil der Atmosphäre des Spiels wird über die Beleuchtung erzeugt, die ist in Quake 4 aber ein zweischneidiges Schwert. Die Innenlevel sind tendenziell recht dunkel, aber stimmungsvoll und nicht so übertrieben sprälich wie in Doom 3 ausgeleuchtet. Im Zweifelsfall hilft die in der Blaster-Pistole und Maschinengewehr eingebaute, sehr simple Lampe aus. Allerdings sind die Schatten sehr hart, ihre Kanten sind deutlich sichtbar und sie färben die Umgebung fast schwarz – kein Vergleich zu den modernen Methoden zur Schattenberechnung, welche mehr Details belassen und natürlicher wirken. Für die Zeit ging das noch in Ordnung, überragend war es aber auch nicht, da hatte insbesondere Half-Life 2 ein Jahr zuvor andere Maßstäbe gesetzt.

Screenshot: Hin und wieder versucht sich Quake 4 an Horror, das zeigt sich beispielsweise an den Iron Maidens aus dem zweiten Teil, die mit neuem Design wiederkehren.
Hin und wieder versucht sich Quake 4 an Horror, das zeigt sich beispielsweise an den Iron Maidens aus dem zweiten Teil, die mit neuem Design wiederkehren.

An der auditiven Front geht es unspektakulär zu, die Soundeffekte sind passend ohne herauszuragen, einzig der kernig-krachende Sound der Shotgun ist mir in Erinnerung geblieben. Die Musik hält sich meist im Hintergrund und ist eher orchestrales Standard-Geplänkel. Die englischen Sprecher machen einen ordentlichen Job, auch wenn ich sie etwas zu klischeehaft ausgewählt finde. Lippensynchron ist dabei so gut wie nichts, passende Gesichtsanimationen waren zu dieser Zeit aber auch kein Standard.

Grau, Grün, Braun ist der Korridor…

In meiner Erinnerung war Quake 4 voll immergleicher, grau-brauner Korridore. Was sich leider auch bei der Wiederbegegnung bestätigt hat. Zwar sind einige der Level verzweigt und vertrackt gebaut, davon merke ich aber nichts, weil mich Story-Skripte und die Dramaturgie in engen Bahnen halten. Die vielen verschlossenen Türen sind letztendlich nur Fassade. Teils muss ich Gänge mehrfach ablaufen, garniert mit neu erscheinenden Gegnern. Wenn ein Hindernis aufgesprengt wird, ist das fast schon ein Highlight. Meist wird nur nach Ende des Skripts eine Tür geöffnet, die vorher verschlossen war. Die Erklärung? Das Skript will es so. Das wirkt nicht natürlich, sondern verstärkt nur meinen Eindruck, dass ich hier auf Schienen gedrückt werden soll. Wenn die Tür auch noch weit außerhalb meines Sichtfeldes ist, muss ich suchen, bei welcher die Leuchten von Rot auf Grün gesprungen sind. In Außenareale wird es kaum besser, ein Schützengraben ist im Endeffekt auch nur ein linearer Gang ohne Dach, die vereinzelten Abzweigungen führen meist zum selben Ziel oder verbinden Levelabschnitte.

Die grafische Gestaltung der Umgebungen strotzt auch nicht gerade vor Abwechslung. Zwar ist Stroggos eine karge Einöde, aber muss wirklich jeder Gang denselben, braun-dreckigen Look haben? Nur in einigen tiefer liegenden Ebenen dominiert ein kaltes blau-grau. Etwas anderes als stark technisierte Umgebungen gibt es aber nicht. Entsprechend eintönig und austauschbar wirken die meisten Level.

Screenshot: An diesen Gang werde ich mich bis an mein Lebensende erinnern, weil er für mich der Inbegriff des langweiligen Leveldesigns  in Quake 4 ist
An diesen Gang werde ich mich bis an mein Lebensende erinnern, weil er für mich der Inbegriff des langweiligen Leveldesigns in Quake 4 ist

Hin und wieder versucht sich das Spiel an Horror-Einlagen, sie beschränken sich aber auf ein paar Jumpscares. Zwar sind sie nicht ganz so vorhersehbar wie in Doom 3, aber immer noch genug, dass sie mich nicht wirklich erschreckt haben. Da hilft es auch nicht, dass die meisten mit einem Soundeffekt unterstrichen werden, dessen Klang mich am ehesten an ein heruntergefallene Geige erinnert. Das wirkt bemüht und künstlich, wie der Laugh-Track in Sitcoms, als müsste mir extra gesagt werden "Hier jetzt erschrecken. Bitte".

War Never Changes

Statt wie im Vorgänger komplett alleine, bin ich öfters mit KI-gesteuerten Kameraden unterwegs. Zwar baue ich nie eine emotionale Beziehung zu ihnen auf, spielerisch sind sie aber nicht komplett nutzlos. Sie treffen ganz ordentlich, den ein oder anderen Gegner können sie auch erledigen, komplett alleine lassen will ich sie aber nicht. Da sie scheinbar unverwundbar sind, muss ich sie zumindest nicht babysitten. Sofern es das Skript nicht anders will: Es gibt eine Stelle, an der ich auf eine kleine Gruppe treffe, die im nächsten Gefecht hinter roten Fässern Deckung sucht. Mit dem erwartbaren Resultat. Ob das so beabsichtigt oder zufälliger Slapstick war kann ich nicht genau sagen, aber da sie sonst gefühlt gar keinen Schaden nehmen, vermute ich ersteres.
Medics und Techs, gut an ihren weiß/roten oder blauen Kampfanzügen erkennbar sind besonders nützlich, da sie mich heilen und meine Rüstung auffüllen können. Sofern sie gerade wollen, teils schreibt ihnen das Skript vor, dass sie lieber auf die Tür zielen sollen, die erst aufgeht, wenn ich ihr nahekomme. Lästig ist dagegen der Friendly-Fire-Schutz: Kommt mein Fadenkreuz auch nur leicht über eine befreundete Einheit, verweigern alle Waffen den Dienst. Besonders "nützlich", wenn mir mitten im Gefecht meine Kameraden durchs Sichtfeld laufen.

Bei der Inszenierung bemüht sich Quake 4, mir das Gefühl zu geben, Teil eines großen, dramatischen Kriegs zu sein. Neben den vielen Kameraden, die meist irgendwie sterben, wird auch auf knallige Action gesetzt. Da stürzten (von Skripten geplant) Flugzeuge ab, Transporter werden dramatisch, aber auch komplett vorhersehbar abgeschossen und allgemein endet vieles in Explosionen.
Dass Call of Duty als Inspirationdiente, ist unübersehbar, aber so richtig mitgerissen hat mich das Spiel dadurch nicht. Vielleicht weil die Explosionen und die Zerstörung nur so mittelgroß sind, es gibt keine übertrieben Sequenz wie das Entgleisen eines gefühlt kilometerlangen Zuges. Berühmte Bauwerke dem Erdboden gleichmachen ist wegen des außerirdischen Schauplatzes keine Option. Etwas Spektakel bietet gegen Ende die Sequenz, in der ich standesgemäß mit einem Drop Pod den Abstieg aus der Umlaufbahn von Stroggos bis in einen Gebäudekomplex hinein erlebe. Das wirkt zuerst spektakulär, wird aber spätestens dann, wenn das Gefährt einen Strogg aufspießt und sekundenlang vor sich herschiebt, während der nur wild mit den Armen wedelt, arg lächerlich. Auf der anderen Seite wirkt die Story auf mich, als will sie ein ernsthaftes Kriegsdrama sein. Aber die actionreiche Inszenierung passt nicht dazu. Am Ende ist es für mich nichts Halbes und nichts Ganzes, weder ernstes Drama noch überdrehter Popcorn-Krieg.

Screenshot: Der Gladiator ist mit seinem reflektierenden Schild vor allem in engen Gängen ein gefährlicher Gegner
Der Gladiator ist mit seinem reflektierenden Schild vor allem in engen Gängen ein gefährlicher Gegner

Die Schießprügel sind zahlreich, aber etwas Ausgefallenes ist nicht dabei. Maschinengewehr, Shotgun, Granat- und Raketenwerfer sind Standard. Plasma-, Rail-, Nail- und Lightninggun sind zumindest für Kenner der Serie alte Bekannte. Neu ist nur die Dark Matter Gun, eine Superwaffe, welche in einem großen Radius enormen Schaden anrichtet und mit einer Art kleinem Schwarzen Loch Gegner anzieht – aber vor allem, wenn sie bereits erledigt sind und ihre Körper dann wild umherwirbeln. An den Ragdoll-Animationen scheinen sich die deutschen Jugendschützer nicht gestört zu haben. Munition ist selbst auf dem mittleren Schwierigkeitsgrad nicht verschwenderisch vorhanden, aber genug, um mit den nicht allzu großen Horden an Gegnern fertig zu werden. Immer wieder mal durchwechseln und sich Raketen für die dicken Gegner aufsparen reicht völlig aus. An bestimmten Stellen im Spiel bekomme ich Upgrades, wie ein größeres Magazin für das Maschinengewehr, mehr Schaden für die Nailgun oder dass ich mehrere hintereinanderstehende Gegner treffe.
Die überwiegende Zeit war ich mit dem Maschinengewehr unterwegs, weil es in den meisten Situationen zumindest brauchbar war. Nur gegen die richtig dicken Gegner musste ein größeres Kaliber her, aber die traten nur vereinzelt auf. Die Nailgun war mir im Vergleich zu schwerfällig, die Shotgun habe ich kaum benutzt. Nicht weil sie schlecht ist, obendrein hat sie so einen herrlich kernig-krachenden Sound. Aber Kane bewegt sich so langsam, dass ich nur sehr schwer an Gegner heran komme – auf Distanz bleiben ist meist die bessere Wahl, zumal meine Spielfigur nicht übermäßig viel aushält.

Auch bei den Gegnern fehlt es an Abwechslung, die meiste Zeit bekomme ich es mit den gleichen drei Strogg-Fußsoldaten zu tun, die sich untereinander auch nicht wirklich unterscheiden. Sie hopsen rum, suchen ganz ordentlich Deckung und feuern mit ihren Standard-Waffen. Größere Gegner wie ein Enforcer oder Gladiator gab es im Vorgänger in späteren Leveln zuhauf, hier sind sie nur Einzelerscheinungen und fast schon ein Highlight. Generell bekomme ich es selten mit mehr als fünf oder sechs Gegnern auf einmal zu tun, eine bekannte Limitierung der Engine. Ein wenig enttäuscht war ich von den Strogg-Tactical, konvertierte Menschen, die als besonders intelligente Elitekrieger angepriesen werden. Sie verhalten sich aber kaum anders als ihre nicht-menschlichen Cousins. Gefährlicher als die Standardgegner sind sie hauptsächlich wegen ihrer schmächtigen Statur, wodurch ich sie schwerer treffe, und dass sie über sehr potenten Waffen wie Railguns verfügen.
Die Bosskämpfe geben sich klassisch, meist angekündigt durch große Mengen an Healthpacks und Munition. Dann werde ich in eine Arena gesperrt, gespickt mit Säulen oder andere Geometrie zur Deckung. Der Boss erscheint und es geht los. Nur der letzte hat mehrere Phasen, dafür verfügt jeder Obermotz über drei oder vier unterschiedliche Angriffe, die ich aber schnell durchschaut hatte. Ausweichen, auf Distanz bleiben und wenn sich die Gelegenheit bietet mit den dicken Waffen draufhalten funktionierte immer. Selbst die angezeigte Trennung zwischen Schild- und Lebenspunkten hat meiner Erfahrung nach kaum einen Unterschied gemacht.

Screenshot: Kämpfe in Fahrzeugen gehören bei Shootern Mitte der 2000er zum guten Ton
Kämpfe in Fahrzeugen gehören bei Shootern Mitte der 2000er zum guten Ton

Was in keinem Shooter Mitte der 2000er fehlen darf, sind Fahrzeugsequenzen. In der ersten fährt man nur in einem Konvoi mit und darf ein schweres MG bedienen. An einer Stelle muss ich einen KI-Kameraden vor angreifenden Strogg beschützen, also eine Turret-Sequenz auf einem Fahrzeug, der Klischeedoppelschlag! Die weiteren sind nur mäßig besser, wenn ich den Schwebepanzer selbst steuern darf, bemerkte ich die schwammige Steuerung und wie extrem empfindlich er auf den Untergrund reagiert. Bei der kleinsten Bodenwelle kippt er, was Zielen mit der festinstallierten Kanone sehr schwer macht – die automatische Stabilisierungstechnik aktueller Panzer hat man knapp 60 Jahre in der Zukunft wohl vergessen. Immerhin kann ich die meisten Gefechte auslassen, indem ich einfach davonfahre. Ich muss das Ende der langen Schlauchlevel erreichen, die Gegner sind nur Hindernis. Nur hin und wieder werde ich in eine Arena eingesperrt und kann erst weiter, wenn alle Gegner erledigt sind. Spät im Spiel gibt es noch eine Sequenz auf einer Schwebebahn, die ist aber nur eine simple Schießbude.

Kurz nach der Mitte des Spiels steige ich in einen schwerfälligen Mech, der mir noch am meisten Spaß bereitet hat. Wahrscheinlich, weil er kein richtiges Fahrzeug ist, sondern sich wie ein überdimensionaler und langsamer Fußsoldat anfühlt. Bei allen Fahrzeugen hatte ich Probleme mit dem Zielen: Irgendwie hatte ich immer das Gefühl, mit den Kanonen etwas daneben schießen zu müssen, damit ich treffe. Vielleicht weil ich in einer 16:9-Auflösung gespielt habe, Quake 4 scheint mir nicht dafür ausgelegt zu sein. Gegen große Gegner ist das kein Problem, aber im Kampf gegen die spinnenartigen Harvester tat ich mich ungewohnt schwer, was ich darauf zurückführe. Besonders die zielsuchenden Raketen dieses Gegners sind gefährlich, Ausweichen ist im schwerfälligen Mech keine Option, ich muss sie stattdessen abschießen. Den Schweif der Geschosse kann ich zwar gut erkennen, aber sie selbst sind ziemlich klein und entsprechend schwer zu treffen.

Die Frage aller Fragen: das Fazit

Screenshot: So nah sollte man die Berserker nicht kommen lassen
So nah sollte man die Berserker nicht kommen lassen

Kommen wir nun zur eingangs gestellten Frage zurück: Sollte man heute noch Quake 4 spielen, hat es eine zweite Chance verdient? Ich denke nicht. Es macht zwar nichts wirklich falsch, ist im Kern ein grundsolider Shooter – aber mehr auch nicht. Ohne den geschichtsträchtigen Namen würde heute wahrscheinlich kein Hahn mehr danach krähen. Gerade die langjährigen Fans hatten etwas anderes im Sinn, wenn der Name "Quake" fiel.

Quake 4 ist ein Produkt seiner Zeit, als so gut wie jeder Shooter Call of Duty nacheifern wollte, speziell was die Inszenierung angeht. Das Setting in einem großen Krieg begünstigt das zusätzlich, Sci-Fi hin oder her. Dadurch entfernte es sich aber weit von dem, was die Serie ursprünglich ausmachte: die unkomplizierte, schnelle Action. Die war zu dieser Zeit aber nicht gefragt, weshalb ich einige der Entscheidungen zumindest nachvollziehen kann, auch wenn sie mir nicht gefallen. Selbst im direkten Vergleich wirkt das Spiel aber wie ein Möchtegern-Nachbau, es setzt zu wenig eigene Akzente.

So ist Quake 4 ziemlich genau das, als was ich es in Erinnerung hatte: Der Inbegriff des Grau-Braunen-Korridor-Shooters, der sein Erbe vergessen hatte und stattdessen dem aktuellen Trend nacheifern wollte. Was herauskam, hat aber niemanden wirklich zufrieden gestellt. Damit dürfte das Spiel in den Annalen der Videospielgeschichte schlicht untergehen. Und aus meiner Sicht nicht mal zu Unrecht.