Heute vor 18 Jahren: Titan Quest

Screenshot: Titan Quest

Seit dem Jahr 1996 war das Genre der Action-RPGs fest in der Hand eines gewissen Höllenfürsten, der es aus der Taufe hob. Vom Erfolg angelockt gab es zahlreichen Nachahmer, aber nur wenige konnten der Dominanz trotzen und sich zumindest als ernsthafter Konkurrent etablieren. Einer davon wurde vom Studio Iron Lore entwickelt, dass von Ensemble-Studios-Veteran Brian Sullivan gegründet wurde. Ihr erster Titel sollte es mit dem Höllenfürst aus Irvine aufnehmen, mit einem anderen Setting, Lootsystem und handgebauten Leveln: Am 26. Juni 2006 erschien Titan Quest.

Auffälligste Neuerung gegenüber dem Vorbild ist das Setting, statt düsterer Fantasy werden in der Antike allerhand Gegner verkloppt. Das Spiel startet in Griechenland, die Reise führt über Ägypten und die Seidenstraße nach China. Die Gegenden werden von allerlei mythologischen Kreaturen bewohnt, wie Satyre, Zentauren und Gorgonen, dazwischen allerlei gefährliche Wildtiere wie Fledermäuse, Wildschweine, Riesenschildkröten und unterschiedliche Spinnen. Dazu gesellen sich alte Fantasy-Bekannte wie wiederauferstandene Skelette und Geister. Andere Gegner sind aus der Mythologie und Geschichte der Regionen inspiriert, wie die Mumien in Ägypten oder die Terra Cotta Krieger im dritten Akt. Nur warum sich auf der Seidenstraße Neandertaler tummeln, erschließt sich mir nicht. Alle lassen bei ihrem Ableben genretypisch einiges an Gegenständen fallen, aber hier mit der Einschränkungen, dass es zum Gegner passen muss: Wenn ein Satyr einen Leder-Harnisch und eine Keule trägt, findet man nach seinem Ableben genau diese auf dem Boden. In Titan Quest erhält man keinen dreimal so großen Kettenpanzer von einem Vogel oder ein Turmschild von einem Geist. Das führte aber auch dazu, dass die Gegner sehr viel Unbrauchbares verteilen. Ich habe sehr schnell den Filter auf "Magische Gegenstände" gestellt, weil sonst der Bildschirm von Anzeigen von nutz- und wertlosen Tand geflutet war. Die hohe Zahl an magischen Gegenständen führt auch dazu, dass Geld nie ein Problem ist. Wobei Funktionen wie das zerlegen von Gegenständen oder die Talente des Charakters neu verteilen eine ordentliche Summe kosten. Das Inventar ist dazu stark begrenzt, da auch Tränke, Relikte und Quest Gegenstände darin Platz finden. Eine Truhe für wertvolles, für Relikte um gefundene Gegenstände zu verbessern sowie um sie zwischen Charakteren zu teilen steht in größeren Städten zur Verfügung.

Bei den Charakterklassen wählten die Entwickler einen sehr offenen Ansatz: statt sich vor dem Spielstart zu entscheiden, wählt ihr auf Level 6 frei aus 8 Klassen. Bei Level 8 könnt ihr aus den verbliebenen eine zweite wählen. Zwar bekommen die Kombinationen keine eigenen Fähigkeiten, aber immerhin einen schnittigen Namen. Oder ihr lasst es, und konzentriert euch ganz auf eine Klasse. Neben Attributssteigerungen bekommt ihr bei jedem Levelaufstieg Talentpunkte, die ihr in die Verbesserung der Klassenfähigkeit sowie aktive und passive Fähigkeiten stecken könnt. Der Bildschirm erinnert mich an Schichten statt einen Baum, ich muss Punkte in die generelle Klasse stecken, damit weitere Ebenen mit neuen Fähigkeiten freigeschaltet werden.

Ein großes Alleinstellungsmerkmal gegenüber vielen Konkurrenten ist das Level-Design: Statt aus vorgefertigten Teilen zufällig zusammengesetzt, sind alle Landschaften in Titan Quest von Hand gebaut. Dadurch sehen sie natürlicher aus, andererseits ändern sie sich beim wiederholten Durchspielen nicht. Wobei ich zugeben muss, dass die Innenräume langweilig sind, weil sie wie generiert wirken durch ihre Aneinanderreihung von rechteckigen Räumen. Die Gegnergruppen sind sehr ähnlich, die Nebenquests sind an derselben Stellen und auch die Beute ändert sich nur wenig. Durch die unterschiedlichen Settings ist aber trotzdem genug Abwechslung dabei. In Griechenland dürftet ihr die meiste Zeit verbringen, der Trip nach China stellt den kürzesten Abschnitt, wenn man den Abstecher nach Babylon außen vorlässt.

Auch wenn das System mit dem organischeren Loot seine Nachteile hatte, mochte ich es. Weil es die Welt weniger künstlich und "gamey" wirken lässt. Dazu merke ich selbst bei den besten Algorithmen irgendwann, wo die Nahtstellen der Teile sind, aus denen die Level randomisiert zusammengesetzt sind. Handgebaute Level haben da einen ganz anderen Charme. Und mit einem Setting in der Antike kann man mich immer ködern. Da ist es schade, dass ich seit dem Release nur das Hauptspiel durchgespielt habe. Das Addon habe ich mir erst deutlich später geholt, da musste ich als Schüler/Student in der Pre-Steamsale-Ära noch mehr aufs Geld schauen. Die neueren Versionen habe ich mittlerweile und spiele sie aktuell, mehr dazu an anderer Stelle.

Für Iron Lore ging es nicht lange weiter: Zwar produzierten sie mit Immortal Throne noch eine Erweiterung für Titan Quest, danach haben sie als Auftragsarbeit ein weiteres Addon zu Relics‘ Dawn of War entwickelt. Im Anschluss musste das Studio bereits schließen. Einige Entwickler gründeten mit Crate Entertainment eine neue Firma, ihr erstes Projekt war mit Grim Dawn ebenfalls ein Action-RPG, das die Engine und viele der Eigenheiten von Titan Quest wie das Klassen- und Talentsystem übernahm. Vom selben Studio stammt das Survival-Aufbauspiel Farthest Frontier.

Titan Quest ist aber nicht vergessen, nach der Pleite des alten THQ hat die Embracer Group die Markenrechte gekauft. In ihrem Auftrag entwickelten die Studios Pieces Interactive und Digital Arrow drei Erweiterungen, das deutsche Team von Black Forest Games brachte es auf Konsolen. Beim Münchener Studio Grimlore Games, bekannt für SpellForce 3 (das definitiv einen zweiten Blick wert ist), wie die anderen im Embracer-Konzern beheimatet, ist aktuell mit Titan Quest 2 ein richtiger Nachfolger in Arbeit, der noch dieses Jahr erscheinen soll.