Mit SpellForce – Breath of Winter bekam der Echtzeitstrategie-Rollenspiel-Hybrid aus dem Jahre 2003 knapp ein dreiviertel Jahr später ein Add-On. Neben einer neuen Kampagne mit 12 Karten waren die Änderungen aber auf den ersten Blick überschaubar. Das Hauptspiel hatte zudem die ein oder andere Schwäche, Add-Ons werden normalerweise auch dazu benutzt, um diese auszubügeln. Ist das auch bei diesem der Fall?
Technisch bleibt alles beim alten. Die Jahre sieht man der Engine heute an der Polygondichte an, speziell in Nahaufnahmen. Die Texturen sehen aber immer noch sehr gut aus, vor allem aus der Isometrischen- und der Vogelperspektive. Der Soundtrack wartet mit einige neuen Stücke auf, durch Technik der dynamischen Musik bekommt man sie aber nicht so oft zu hören, wie man sie es eigentlich verdient hätten. Speziell auf der Karte Tirganach fällt als abrupte Ende des Stückes zur Stadt negativ auf.
Die Speecher sind wieder auf dem sehr hohen Niveau des Hauptspiels, auch wenn ich kaum einen Wiedererkannt habe. Unschön: bei einem der wenigen Charaktere, die bereits im Hauptspielvorkamen, wurde der Sprecher von Craig Un’Shallach ausgetauscht. So etwas ist immer ärgerlich und sollte vermieden werden – Blizzard hat es bei StarCraft 2 sogar nach über zehn Jahren geschafft, einige der alten Sprecher wieder zu verpflichten.
Spielerisch gibt es leider nur wenig neues – keine neuen Einheiten, Gebäude, Upgrades oder gar Völker, die Auswahl bleibt auf denen das Hauptspieles beschränkt. Immerhin bei den Helden hat sich etwas getan: zwar sind sie immer noch gesichtslose Niemande, dafür gibt es auch Runen mit Helden der Goblins, eine Elfe, einen Ork, Dunkelelfen und gar einige der Eisernen, die Hauptgegner aus dem Grundspiel. Das bringt etwas Abwechslung in die Gruppe, da z.b. die Eisernen Helden nicht mit Gegenständen ausgerüstet werden können und über keine Fähigkeiten verfügen. Andere, wie den Dunkelelf, lassen sich nur mit Waffen ausrüsten.
Es kommen mit den Eiselfen, weiteren Orkstämmen und den Dunkelelfen des Roten Imperiums zwar neue Fraktionen dazu, diese bestehen aber immer aus alten Einheiten, die umbenannt und mit anderen Waffen und Texturen versehen wurde – im Grunde unterscheiden sie sich aber kaum von den alten Varianten. Teilweise werden auch die gleichen Modelle für mehrere Einheitentypen verwendet, die man nur Anhand des Namens und des Levels unterscheiden kann – optisch nicht.
Auch bei der Geschichte werden die anderen Völker stärker mit einbezogen. Im ersten Teil waren die meisten Gesprächspartner und für die Story relevanten Charaktere noch Menschen, ist es in Breath of Winter eine bunte Mischung aus Mitgliedern aller Völker. Die Geschichte um das Erwecken des Eisdrachen Aryn selbst ist ähnlich gut inszeniert wie die des ersten Teils, wobei die Wendungen eher vorhersehbar sind. Dramatisch und gut inszeniert ist es allemal.
Die Geschichte beginnt nach dem Ende des ersten Teils mit einem neuen Hauptcharakter. Verweise auf die Geschichte des Hauptspiels gibt es nur wenige, es wird erwähnt dass die Eisernen von einem Runenkrieger besiegt wurden – das war es aber auch schon. Um so mehr werden Anspielungen auf das zweite Add-On und den zweiten Teil und Charaktere wie Darius und Flink McWinter haben zumindest Gastauftritte und halten Nebenquests bereit. Alle Karte sind neu, man besucht keinen der alten Schauplätze.
Während meiner knapp 35stündigen Spielzeit haben ich neben der Hauptstory auch einige sehr gute Nebenquests erledigt. Für Abwechslung ist hier gesorgt, mehr noch als im Hauptspiel, wo die Quest selber eher Standard, aber in gute Geschichten verpackt waren. Die alten Qualitäten sind aber wieder da, egal ob man einen Mordfall in der Eiselfenstadt Tirganach löst (inkl Entscheidung), von einem alten Ork die Kunst des Knoschenschnitzens erlernt (und im Verlauf sehr gute Gegenstände herstellen kann) oder Bestandteile der Eisernen für neue Heldenrunen sammelt. Kleiner Wermutstropfen: eine geradezu episch Questreihe wie die von Amra und Lea, die fast die komplette Handlung des Hauptspiels über läuft, fehlt – die meisten Nebenquests umfassen nur zwei oder drei Karten.
Im Gegensatz zu den Kampfeinheiten verhalten sich die Arbeiter der Hellen und Dunklen Völker friedlich.
Nervig fällt wieder die enorme Wartezeit auf, die geschätzt ein Viertel der Spielzeit ausgemacht hat. Den Abschuss lieferte die Karte „Der Abgrund“ kurz vor Schluss. Nachdem ich die Karte fast komplett von Gegner befreit hatte, ging es an den Angriff auf die Stadt in der Mitte. Ich wollte meine Ork- und Elfen-Armeen ganz aufstocken, sonst bin ich nicht rein gekommen. Orks mit ihren Wildschweinfarmen sind kein Problem, aber da Elfen Nahrung nur über Beeren und Jagen sammeln können, aber wesentlich effektiver als die Orks in dieser Mission waren, musst ich lange zubringen Zeit warten, bis ich genug Nahrung zusammen hatte. Vorzeitige Angriffe scheiterten regelmäßig und haben ich nur noch mehr genervt. Letztlich fand ich einen, *hüstel*, anderen Weg, die Wartezeit zu verkürzen – mehr war es wirklich nicht.
Die Karten erben alle Stärken und Schwächen des Hauptspiels: wieder sind sie extrem groß mit teils elend langen Laufwegen. Alle Landschaftstypen sind wieder vorhanden, vom Start in den Sümpfen von Mirraw Thur, über den verschneiten Gebieten der Eiselfen zur von Wüste umgebenen und an einem Vulkan gebauten Hauptstadt des Roten Imperiums, Shal’Dun. Neue Umgebungen kamen keine dazu, da die Kampagne mit 12 Karte aber kürzer ist wie das Hauptspiel wiederholen sie sich nicht so stark. Man durchquert auch alle eher Kreuz und Quer, nicht linear wie im Hauptspiel.
Für ein Add-On typisch richtet sich Breath of Winter klar an Spieler, die The Order of Dawn durchgespielt haben. Der Schwierigkeitsgrad hat merklich angezogen und ist gerade zu Beginn fast schon frustrierend schwer. Man muss öfters feindlichen Patrouillen ausweichen, die schlicht viel zu stark sind. An sich kein Problem,aber dazu kommt, dass man von Anfang an mit Grim und Lena zwei KI-gesteuerte Charaktere dabei hat. Diese kann man nicht direkt steuern, dadurch greifen sie schnell feindliche Einheiten an, obwohl man viel zu Schwach ist. Die zwei können nicht sterben, sobald ihre Lebenspunkte in den kritischen Bereich gehen greifen die Gegner sie nicht mehr und dafür den Avatar an – auch wenn man schon zu beginn weg gelaufen ist, sie laufen einem über die halbe Karte nach.
Besonders fies sind Stellen, bei denen aus dem Nichts auf einmal Gegner erscheinen. Bei einer Ruine in Tirganach dachte ich zuerst: „Die Level der Gegner und die Anzahl sehen machbar auch, das pack‘ ich mit meinem Heiler/Schwerer Nahkampf Charakter“. Pustekuchen, kaum war ich an den Gebäude erscheinen nochmal doppelt so viele Gegner, von denen meine Helden gnadenlos nieder gemetzelt wurden. Solche Stellen gibt es zwar nur zwei oder dreimal, sind aber trotzdem ärgerlich, speziell, wenn man so einen Großteil seiner Armee verliert.
Später, wenn der Avatar im Bereich von Level 15 und darüber befindet, ist er stark genug und hat genug Fähigkeiten, um nicht mehr ganz so schnell zu sterben. Dann entspannt sich die Sache etwas, ohne wirklich einfacher zu werden. Das Hauptspiel habe ich noch auf „Normal“ beendet, beim Add-on musst ich schon früh auf „Einfach“ zurückschalten, um nicht völlig frustriert meine Tastatur zu verprügeln.
Am Rollenspielsystem hat sich nichts getan, es gibt keine neuen Stufen, Fähigkeiten oder Zaubersprüche – zumindest sind mir keine Aufgefallen. Immerhin gibt es viele neue Waffen und Ausrüstungsgegenstände, wobei viele optisch wie die alten aussehen oder nur anders eingefärbt wurden. Da man am Ende aber auf ungefähr dem gleichen Level endet wie im Hauptspiel (bei mir 27), steigt man entsprechend schneller auf. Zumindest wenn man der Story nach geht, stupides Farmen von unendlich erscheinenden Gegnern wie am Portal nach Shal’Dun in Mirraw Thur funktioniert nicht. Da man die Erfahrungspunkte nicht direkt einsehen kann, kann ich meine These nicht endgültig bestätigen – meine Erfahrung spricht aber dafür.
Auch an Einheiten und Gebäude gibt es nicht neues. Man startet allerdings mit Arbeitern für alle Völker und einige Einheiten, wobei diese auch stark durcheinander gewirbelt wurden – gerade die Abwehrtürme findet man erst sehr spät im Spiel und das Finale muss man mit den Zwergen und damit komplett ohne stationäre Verteidigung bestreiten.
Fazit: das Add-On macht nichts grundlegend falsch und schließt an die Stärken das Hauptspiels an: die Grafik ist immer noch ansehnlich, die Musik und Sprecher Top, die Geschichte spannend und gut inszeniert. Leider wurde es versäumt, die Schwächen auszubügeln: ein guter Teil des Spiels besteht aus warten, die Laufwege sind immer noch extrem lang. Zudem gibt es spielerisch keine wirklichen Neuerungen. Fans des Hauptspiels bekommen aber vor allem neuen Inhalt und die Chance, einen anders gestalteten Charakter spielen zu können.