Ein paar Gedanken zu Avatar – Der Herr der Elemente auf Netflix

Avatar - The Last Airbender von Netflix

Wenn ich Avatar höre, denke ich nicht an 8-bit-Rollenspiele oder Aliens mit blauer Haut, sondern an einen kleine Jungen mit einem blauen Pfeil über den Kopf tätowiert. Avatar – Der Herr der Elemente (The Last Airbender – Der letzte Luftbändiger im Original) ist einer meiner liebsten Zeichentrick-Serien, ach was sage ich, Serien allgemein. Auf Netflix erschien kürzlich der zweite Versuch, die Serie mit Schauspielern zu adaptieren. Dass die Macher des Originals sich während der Produktion wegen "kreativer Differenzen" aus dem Projekt verabschiedeten, ist nie ein gutes Zeichen. Trotz Vorbehalte habe ich sie angesehen und verspürte im Anschluss das Bedürfnis, meine Meinung dazu in Text zu gießen. Denn wirklich glücklich bin auch mit dieser Adaption nicht, auch wenn sie die von M. Night Shaymalan schlägt. Das ist aber auch keine Kunst. Aber der Reihe nach.

Inhalt

Vorgeschichte

Die Zeichentrickserie von Michael Dante DiMartino und Bryan Konietzko gehört zu meinen liebsten des Genres. Sie ist zwar für Kinder gemacht, aber ist nicht darauf beschränkt, sie nimmt sich auch anderer Themen an. Immerhin ist das Ausgangsereignis ein Genozid. Dazu ist sie intelligent geschrieben und die Charaktere entwickeln sich spürbar. Zu guter Letzt findet sie eine gute Balance aus Action, Dramatik und Humor. Deshalb würde ich sie jedem empfehlen, der sich nicht gegen eine Anime-artige Ästhetik mit Händen und Füßen wehrt. Und vielleicht mindestens 8 Jahre alt ist, ich denke davor wird es schwierig, den Ereignissen zu folgen. Im Nachgang gab es noch Comics und Romane, die die Geschichte weitererzählen oder Hintergründe und vergangene Ereignisse beleuchten. In die habe ich bisher nicht reingeschaut. Aber da ich das Original nochmal komplett geschaut habe, will ich mich auch mit ihnen beschäftigen.

Es gab 2010 schonmal den Versuch einer Adaption unter der Regie von M. Night Shayamalan. Er war damals noch keine komplette Lachnummer wie heute, aber an seinem Ruf hatte das ein oder andere Projekt schon etwas gekratzt. Was rauskam, war dann wirklich schlecht. Mir war klar, dass es keine gute Idee ist, eine Staffel mit 22 Folgen in einen einzigen Film mit 103 Minuten Laufzeit zu packen, weil vieles gestrichen werden musste. Wo die Schwerpunkte gelegt wurde, hat für mich auch nicht immer Sinn ergeben. Und das war bei weitem nicht das einzige Problem: Das Casting der Darsteller ging mal komplett daneben, vor allem was die Ethnien angeht. Das Original zeichnete sich durch sehr diverse Charaktere aus, generell asiatisch angehaucht. Aber auch die schauspielerische Leistung war alles andere als gut, die Hauptdarsteller spielten erschreckend steif und emotionslos. Dazu lächerliche Special-Effects, die der Darstellung in der Serie überhaupt nicht gerecht werden. Und das von einem selbsterklärten "großen Fan des Franchise", wobei der Satz immer fällt und entsprechend nichts bedeutet. Ich habe zwar gehört, dass es hinter den Kulissen einige Probleme mit Budgets, Drehbüchern und Hollywood-Kungeleien gab, aber am Ende muss ich bewerten was da ist – und das ist einfach ein rundum schlechter Film. Es ist zudem einer der wenigen Filme, wo ich die deutsche Synchronisation besser finde als das Original, weil sich die Synchronsprecher wirklich Mühe geben – im Gegensatz zu denen vor der Kamera. Oder einfach viel mehr Talent haben.

Inzwischen gab es mit Die Legende von Korra eine Nachfolge-Serie, die mir auch sehr gefallen hat, auch wenn sie einiges anders machte und sich vor allem an Jugendliche richtet. Sie litt recht stark unter strategischen Entscheidungen des Senders Nickelodeon, wo die Serie erschien und die auch die Rechte am Franchise halten. Aber die Zutaten des Originals waren alle vorhanden, nur nicht immer ganz so gut umgesetzt, auch wegen der äußeren Umstände. Trotzdem von mir eine Empfehlung, insbesondere, wenn man den Vorgänger mochte. Vielleicht den aber zuerst schauen.

Der Netflix Avatar

Nun hat Netflix einen neuen Versuch gewagt, die Serie mit Schauspielern zu adaptieren. Nicht als Film, sondern als Serie, wobei in acht Folgen mit einer Laufzeit von 45-60 Minuten. Unterm Strich ist das nur ein unbedeutend weniger Zeit als das Original hatte. Wobei die Credits nach jeder Folge sehr lang sind und entsprechend viel Zeit brauchen. Dass nicht alles 1zu1 umgesetzt wurde hatte ich erwartet. Auch dass einige Geschichten fehlen oder zusammengefasst werden auch. Trotz allem finde ich die Schwerpunkte teilweise etwas merkwürdig. Generell wurde die erste Staffel adaptiert, wenn auch ein paar Sachen aus der zweiten bereits dazu kamen.

So ist die Folge auf der Insel Kyoshi drin, aber auf 45 Minuten aufgeblasen, mit ein paar kleineren Storyhappen aus anderen Episoden angereichert. Fand ich komisch, denn so wichtig fand ich die Folge im Original eigentlich nicht. In einer anderen wurden drei Folgen des Originals zu einer zusammengefasst und deren Geschichten etwas hanebüchen zusammengebracht, dass sie irgendwas miteinander zu tun haben. Einzig die letzte Folge entspricht so ziemlich den letzten beiden aus dem Original, welche die Gruppe am Nördlichen Wasserstamm verbringt. Dazu gibt es neue Szenen, z.b. wird der Angriff auf die Lufttempel am Anfang in mehrminütigen Sequenzen gezeigt statt nur angedeutet. Diese zeigen aus meiner Sicht vor allem die neu Ausrichtung: hier geht es deutlich düsterer zu als im Original. Es werden Menschen gezeigt, die bei lebendigen Leib verbrannt werden (USK12 btw). Von der grundsätzlich positiven und freundlichen Stimmung des Originals ist nichts übriggeblieben. Stattdessen wird sehr viel gekämpft, es scheint fast so, als ob die Macher das Original nur so nebenher geschaut haben und sich nur darauf konzentrierten, wenn gekämpft wurde. Die ruhige und vor allem humorigen Momente fehlen fast komplett. Diese Balance aus Ernsthaftigkeit und Humor machte für mich einen großen Teil des Charms des Originals aus, der hier komplett fehlt.

Nach ein paar Folgen ist mir aufgefallen, dass die Erzählstruktur stark vereinfacht wurde. Das Original arbeitet viel mit Rückblenden oder ließ Dinge anfangs im Dunkeln. Man erfährt zum Beispiel nicht sofort, das Aang der Avatar ist und welche Verantwortung er trägt. In der Netflix-Adaption wird das in der erste Folge direkt und ohne Umschweife einfach erzählt – Tell, not Show, scheint hier das Motto zu sein. Das Original beginnt dagegen damit, dass Aang, Katara und Sokka zuerst Freundschaft schließen, bevor sie zusammen aufbrechen. In der Netflix-Adaption (und der von Shaymalan auch) wirkt es eher so, dass Katara und Sokka mitkommen, weil er der Avatar ist und nicht, weil sie Freunde sind. Das würde ihre Motivation komplett verändern.

Ich war überrascht, dass eine Serie, die sich von der Stimmung her eher an Erwachsene richtet, die Erzählstruktur so weit runterdummt – gegenüber einer Serie für Kinder! Allgemein wird alles Wichtige irgendwie erklärt und explizit ausgesprochen, man braucht quasi gar keine Hirnkapazitäten beim Schauen, keine Interpretation und kein Mitdenken. Es wird auch nichts im Dunkeln gelassen oder angedeutet. Der Feuerlord, im Original bis zur dritten Staffel in Schatten gehüllt und lange ein Mysterium, wird hier einfach gezeigt, als wäre es keine Besonderheit. Dass Azula und ihre Freundinnen bereits auftreten und ihren eigenen, sehr flachen Handlungsbogen bekommen, schließt das Ganze ab. Wobei ich diese Neuerung noch einigermaßen mag, weil er ihren Motivationen etwas mehr Tiefe gibt.

Die Auswahl der Schauspieler fand ich gelungen, fast alle sind gut getroffen und spielen ihren Rollen auch gut – im Rahmen dessen, was ihnen die Macher und Regisseure zugestehen. Dass Sokka hier komplett humorlos ist, ist nicht die Schuld des Schauspielers. Am besten fand ich die Darsteller von Katara und Iroh, weil ihnen genug Zeit zur Charakterentwicklung gegeben wird, Aang würde ich direkt dahinter einordnen. Die anderen fand ich gut bis solide gewählt. Einzig die Darsteller von Azula, Mai und Ty Lee fand ich weniger gut getroffen, aber da sie nur wenige Auftritte haben will ich nicht wirklich bewerten, wie sie sich geschlagen haben. Aber nach dem Totalausfall der Shaymalan-Adaption ist es gut zu sehen, dass man sich bei der Auswahl sichtlich Mühe gegeben hat um passende zu finden. Gerade dass man Darsteller mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen wählt, welche deren im Original nahekommen. Ich habe von der Kontroverse um den Darsteller von Sokka gehört, da ich aber über die Geschichte nicht genug weiß und es auch außerhalb meines Bereiches liegt, wollte ich sie nur erwähnen, aber kann darauf nicht weiter eingehen.

Technisch geht die Serie in Ordnung, vieles ist computergeneriert und das sieht man teils auch sehr stark. Gerade großflächige Hintergründe wirken oft sehr künstlich und irgendwie tot, dass die Darsteller regelrecht herausstechen. Vor allem in den Innenräumen von Omashu ist mir das aufgefallen. Die Effekte zum Bändigen sind in Ordnung, überragend finde ich sie aber auch nicht. Auch weil den Erdbändigern etwas die Wucht fehlt, das könnte aber auch an den Darstellern liegen. Wie sie die Bewegungen ausführen, ist die halbe Miete. Die Original-Serie hat dazu eine sehr bunte Fauna, die hier fast komplett fehlt, einzig Appa und Momo sind länger im Bild. Positiv sind mir die Geisterwesen aufgefallen, die sind wirklich gut gestaltet und animiert. Ich kann schon verstehen, dass die Tiermischformen des Originals aufwändig zu modellieren und animieren sind, aber da sie im Original sehr präsent waren, fehlen sie hier merklich. Und für was sollte man ansonsten die 15 Mio. $ pro Episode ausgeben, was der ganze Spaß angeblich gekostet hat?

Fazit

Zusammenfassend weiß ich als Fan nicht so recht, was ich mit dieser Serie anfangen soll. Es wirkt wie ein gritty-Reboot, alles düsterer und erwachsener – aber auch völlig ohne den Charm des Originals. Und die Erzählweise wurde auf plumpste Art runtergedummt. Dazu noch einen Haufen Geld für gute, aber nicht überragende Spezialeffekte und teils richtig schlechte CGI-Hintergründe, fertig ist die seelenlose Großproduktion, von denen Netflix die letzten Jahre so einige verbrochen hat. Bei etwas anderem wäre es mir egal, aber bei einem Franchise, das ich mag, schmerzt es mich zu sehen, was daraus wurde. An sich ist die neue Serie nicht schlecht, aber so wirklich gut auch nicht. Sie lässt vor allem vieles vermissen, was das Original ausgemacht hat.

Ich frage mich dabei vor allem warum? Warum braucht es diese Art von Neuinterpretation des Serie? Weil Zeichentrick auch woanders immer noch das Stigma "nur für Kinder" zu sein anhängt? Ich hatte erwartet oder zumindest gehofft, dass mit der steigenden Verbreitung von Animes das eigentlich Geschichte sein dürfte. Ist offenkundig nicht der Fall.

Mit den Zahlen scheint Netflix aber zufrieden zu sein, weil die Serie bereits um zwei weitere Staffeln verlängert wurde, womit sie das Original komplett abdecken dürften, wenn sie die Pace beibehalten. Ob ich sie mir ansehen werden? Ich weiß noch nicht. Zumindest sind sie für mich kein Grund, meinen Netflix-Account zu reaktivieren.