Heute vor… 16 Jahren: Microsoft schließt Ensemble Studios

Screenshot: Logo von Ensemble Studios aus dem Startup von Age of Empires 2 in Graustufen

Am 29. Januar 2009 schloss Microsoft eines ihrer bekanntesten Entwicklungsstudios: Ensemble Studios. Gegründet wurde die Firma von den Brüdern Tony und Rick Goodman als Ableger ihres gleichnamigen Unternehmens, das bereits erfolgreich Software für Banken entwickelte. Aus dessen Belegschaft stieß Angelo Laudon als erster Programmierer dazu. Mitarbeiter Nummer 4 wurde Bruce Shelley, ein alter Bekannter der Gründer, der sich als Entwickler beim Brettspielverlag Avalon Hill und als rechte Hand von Sid Meier bei Microprose einen Namen gemacht hatte. Von da an wuchs das Studio, zu seinen Hochzeiten zählte das Ensemble um die 120 Mitarbeiter. Aber zurück zum Anfang.

Als große Fans von WarCraft 2 wollten die Brüder als erstes Projekt ein Echtzeitstrategiespiel entwickeln. Allerdings kam für sie kein futuristisches oder Fantasy-Setting in Frage, da diese Bereiche bereits von Command & Conquer und WarCraft besetzt waren. Da sie sich sehr für Geschichte interessierten, fiel die Wahl deshalb auf ein historisches Setting. Der Anbeginn der Menschheit sollte den Rahmen des Spiels bilden, was sich im Arbeitstitel "Dawn of Man" widerspiegelte. Diese erste Version hatte noch mehr Survival-Elemente, die zugunsten des Spielflusses gestrichen wurden. Als Publisher stieg Microsoft ein, die damals nach Projekten suchten, um im rasant wachsenden Spielemarkt Fuß zu fassen.

Im Oktober 1997 erschien nach mehreren Verschiebungen mit Age of Empires das Erstlingswerk von Ensemble Studios. Das war direkt so erfolgreich, dass Microsoft nicht genug Exemplare für den amerikanischen Markt produziert hatte, über Weihnachten war es ausverkauft. In Europa erschien das Spiel lokalisiert nur wenig später. Im Jahr darauf sollte bereits ein Nachfolger erscheinen, seine Entwicklung lag aber deutlich hinter dem Zeitpla. Stattdessen wurde mit Rise of Rome eine Erweiterung für den ersten Teil eingeschoben. Erst im Herbst 1999 erschein mit Age of Empires 2 – The Age of Kings der heiß erwartete Nachfolger, der bis heute mit Abstand beliebteste Teil der Serie ist. Sofern man Vietnam ausklammert, wo der erste Teil weiterhin seine Vormachtstellung behauptet. Es folgte mit The Conquerors ein offizielles Addon. In der Folge kaufte Publisher Microsoft das Studio für 100Mio $. Ensemble wurde zu einer Tochterfirma, aber weiterhin mit vielen Freiheiten gegenüber dem als "Borg" verschrienen Softwarekonzern aus Redmond.

Statt einer direkten Fortsetzung ihrer erfolgreichen Serie entwickelte das Studio mit Age of Mythology einen Ableger. Es ging zurück in die Antike, aber vermischte Historie mit der Mythologie der drei Völker Griechen, Ägypter und Wikinger. Erstmals kam eine selbst entwickelte 3D-Engine zum Einsatz, die vor allem die neuen Götterkräfte spektakulär in Szene setzte. Kernstück war die Kampagne, die bis heute als eine der besten des Genres gilt. Ein Jahr später erschien das Addon The Titans, welches die Geschichte fortführte und die Atlanter als spielbare Zivilisation ins Spiel brachte. 2005 erschien mit Age of Empires 3 ein weiterer Teil der erfolgreichen Serie. Es folgten zwei Addons, eines wurde extern bei Big Huge Games entwickelt. Der dritte Teil beeindruckte vor allem mit seiner Grafik und der Physiksimulation, die auf die damals populäre Havoc-Physik-Engine setzte. Das Setting zur Zeit der Kolonisierung Amerikas traf aber nur wenige Geschmäcker. Zudem hatte zu diesem Zeitpunkt das Genre der Echtzeitstrategie bereits seinen Höhepunkt überschritten. Zwar verkauften sich die Spiele weiter respektabel, an die Erfolge früherer Titel konnten sie nicht anknüpfen.

Lange war nicht bekannt, dass Ensemble neben Age of Empires an zahlreichen weiteren Spielen arbeitete, die nie erschienen. Am bekanntesten war ein MMO im Halo-Universum, was Designer Sandy Petersen in einem Interview als "Milliarden-Dollar-Idee" bezeichnete. Ebenso erging es dem Action-Adventure mit dem Code-Namen "Agent", dessen Konzeptzeichnungen auf einen Grafikstil hindeuten, der an Disneys "Die Unglaublichen" erinnert und das Gameplay war stark von Tomb Raider inspiriert. Daneben wurde über die Jahre an einem halben Dutzend weiteren Projekte gearbeitet, von denen aber keines über den Prototyp-Status hinauskam. Diese Zeit war eine Zäsur für das Studio, die Stimmung intern gespalten. Ein Teil der Belegschaft hatte genug von Echtzeitstrategie und freuten sich auf neue Projekte, andere stießen genau wegen dieses Genres zur Firma. Unter ihnen war Graeme Devine, der vom Programmierer zum Lead Designer des letzten Spiels des Studios aufstieg. Nachzulesen ist das alles in Jason Schreiers Buch "Blood, Sweat & Pixels" im Kapitel zu eben diesem Titel Halo Wars.

Bereits vor Veröffentlichung des Echtzeitstrategiespiels für die Xbox 360 war klar, dass dies das letzte Projekt des Studios sein würde. Zu viele angefangene und abgebrochene Projekte und hohe Kosten durch Boni und Zusatzleistungen weit über dem Branchen-Standard waren der Sargnagel für die Firma. Allerdings stiegen aus der Asche einige neue Studios auf, viele widmeten sich dem aufkommenden Markt für Mobile-Spiele. Das größte und bekannteste Nachfolgestudio ist Robot Entertainment, welches als erstes Projekt für Microsoft das glücklose Age of Empires Online entwickelte und heute für die Orcs-must-Die!-Reihe bekannt ist. Die Marke Age of Empires lebt bei Microsoft weiter, 2021 erschien der von Relic Entertainment entwickelte der vierte Teil, für Remaster aller bisherigen Teile zeichnete sich das aus Moddern hervorgegangene Studio Forgotten Empires verantwortlich. Auch wenn die klassische Echtzeitstrategie seine Hochzeit hinter sich hat, gibt es für alle Spiele von Ensemble Studios eine stabile Fan-Basis. Das weiß auch Microsoft, die mit Worlds Edge 2019 eine Tochterfirma gründeten, die sich ganz der Pflege der Marke Age of Empires verschrieben hat. So lebt die Marke auch ohne ihre ursprünglichen Entwickler und deren Studio weiter.