Heute vor 22 Jahren: Age of Mythology

Screenshot: Szene aus Age of Mythology - Extended Edition

Der Screenshot stammt aus der Extended Edition

Einen dritten Teil einer Spieleserie zu entwickeln, gilt oft als sehr schwieriges Unterfangen: Für den zweiten reicht es meist, "nur" das Prinzip des ersten auf Hochglanz zu polieren. Für einen weiteren erwarten Fans dann signifikante Neuerungen, aber zu viele dürfe es auch nicht sein. Ensemble Studios umschiffte dieses Problem, indem sie für ihren größten Erfolg keinen direkten Nachfolger entwickelten, sondern ein Spin-Off – zumindest auf dem Papier. Die Verwandtschaft zu Hauptreihe ist unübersehbar, klar weiterentwickelt, mit neuen Ideen und einem veränderten Setting angereichert. Am 14. November 2002 erschien Age of Mythology.

Dass der goldene Apfel nicht weit vom Age-of-Empires-Stamm gefallen ist, wird schnell klar: Ressourcen abbauen, Dorfbewohner produzieren, Armee ausheben und Gegner plattwalzen kannten RTS-Veteranen bereits zu genüge. Aber dazu kommen einige Neuerungen: Mit den Griechen, Ägyptern und Wikingern gibt es nur noch drei Völker, dafür mit drei Hauptgottheiten, mit welcher ihr spielt, entscheidet ihr vor Spielbeginn. Bei jedem Zeitalteraufstieg wählt ihr zwischen zwei untergeordneten Göttern, welche unterschiedliche Technologien und Einheiten bereitstellen, womit ihr euren Spielstil feiner ausgestalten könnt. Statt Steine sammelt ihr nun die Gunst der Götter, womit ihr mythologische Technologie erforscht und Kreaturen ausbildet. Mit Minotauren, Skarabäen oder Frost-Riesen in die Schlacht ziehen? Kein Problem. Ihnen sind Sterbliche eher weniger gewachsen, dafür müssen waschechte Helden her: Ajax, Odysseus, der Pharao eurer Dynastie oder Hersiere aus dem hohen Norden sind hier gefragt. Zusammen mit den menschlichen Einheiten stellen sie ein zweites Stein-Papier-Schere-System auf dem Bestehenden aus Infanterie-Kavallerie-Bogenschützen dar. Mythische Einheiten und Helden verfügen oft über Spezialfähigkeiten, die automatisch ausgelöst werden – Micro-Orgien wie im direkten Konkurrenten WarCraft 3 gibt es nicht, der Fokus liegt auf größeren Schlachten. Und natürlich der komplexen Wirtschaft und ausgiebiger Forschung.

Aber dabei bleibt es nicht: Jeder Gott stellt euch zudem eine Götterkraft zur Verfügung. Wildtiere für einfaches Jagen anlocken, eigene Einheiten heilen oder doch lieber mit einem Meteroidenschauer die feindliche Basis dem Erdboden gleich machen? Ist alles möglich. Da das Spiel erstmals für die Serie komplett in 3D gehalten ist, hat sich der Basenbau etwas verändert, vorbei sind die Zeiten des festen Rasters. Die wichtigste Änderung ist aber, dass ihr neue Dorfzentren nur auf vorgegebenen Punkten errichten könnt. Durch die Begrenzung der Zahl der Häuser und Dorfzentren kommt es zu ähnlich großen Schlachten wie im Vorgänger.

Generell spielt sich Age of Mythology ein gutes Stück schneller als die historischen Vorgänger, ihr sammelt schneller Ressourcen und könnt dadurch früher eine Armee ausheben, entsprechend schneller kommt es zu den ersten Gefechten. Im Multiplayer setzten die Entwickler statt auf die alte MSNZone mit Ensemble Studios Online erstmals auf ein eigenes System, ähnlich zu Blizzards‘ Battle.net. Matchmaking, Profile, alles Wichtige war da. Bis 2011 wurde der Dienst voll unterstützt, er lief zwar danach noch, war aber nur noch umständlich und mit allerlei Tricks zu nutzen. Mittlerweile wurde er komplett eingestellt. Dank des LAN-Modus waren Spiele über Drittanbieter wie Voobly weiter möglich, aber auch etwas umständlich zu organisieren.

Für viele Spieler ist die Kampagne das Kernstück des Spiels, und hier hat Age of Mythology eine der besten des Genres. In "Der Fall des Dreizacks" begleitet ihr den Atlanter-Admiral Arkantos auf seiner Reise. Ihr startet auf Atlantis mit vermeintlichen Piratenangriffe, zieht dann in den Trojanischen Krieg, geratet über den Tartarus nach Ägypten um den Gott Osiris wieder zusammenzusetzten, um dann im hohen Norden Ragnarök zu verhindern. Die Entwickler vermischen hier geschickt Geschichten aus der Mythologie der Völker mit einer eigenen Story. Die 34 Missionen punkten zudem mit viel Abwechslung.

Knapp ein Jahr später erschien mit The Titans ein offizielles Addon. Die Atlanter wurden als spielbares Volk hinzugefügt, sie verehren die Titanen der griechischen Mythologie. Die Story der neuen Kampagne spielt 5 Jahre nach der des Hauptspiels, neuer Hauptcharakter ist Arkantos‘ Sohn Kastor. Sie war deutlich kürzer, ein Anzeichen dafür, dass die Verkäufe hinter Microsofts Erwartungen geblieben sind. Heute gelten sie nach dem Mega-Hit Age of Empires 2 aber als überzogen. Age of Mythology hat in den ersten Monaten mehr als eine Million Exemplare abgesetzt, was auch schon damals ein großer Erfolg war. Nur eben nicht im direkten Vergleich zum übermächtigen Vorgänger.

Danach herrschte einige Jahre Funkstille, bis 2014 Skybox Labs für Microsoft die Extended Edition entwickelte. Wobei nichts wirklich erweitert wurde, "HD-Edition" hätte es aus meiner Sicht besser getroffen. Das Spiel läuft wieder problemlos auf aktuellen Betriebssystemen, der Multiplayer nutzt Steamworks und ein paar grafische Effekte wurden eingefügt. Mit Tale of the Dragon gab es noch einen DLC, und die Chinesen als weiteres Volk mit zugehöriger Kampagne brachte, beides wurde von der Community eher schlecht aufgenommen und veranlasste mich zu einer negativen Bewertung auf Steam und hier.

Seit dem 4. September 2024 gibt es mit Age of Mythology – Retold ein offizielles Remake, entwickelt von Forgotten Empires, dem Studio das bereits die Remaster für Age of Empires 1 und 2 entwickelt hat. Es basiert auf der Engine von Age of Empires 3: Definitive Edition. Neben der aufgefrischten Grafik nimmt das Spiel einige spielerische Änderungen vor: Götterkräften können nun mehrfach eingesetzt werden, ab dem zweiten Mal kosten sie aber Gunst. Im neuen, durch die Fertigstellung eines Weltwunders eingeläutete "fünften Zeitalter" Wunderzeitalter sind mystische Einheiten stärker und die Kosten für Götterkräfte werden stark reduziert. Damit dürften ins Stocken geratene Partien schneller zum Ende kommen. Dafür sind die Prachtbauten keine Siegbedingung mehr, was ich doch etwas schade finde, weil sie für mich immer ein wichtiger Teil eines Age-of-Spiels waren und sind. Initial fehlten die Chinesen, welche als DLC nachgereicht werden, ein weiteres, noch unbekanntes Volk ist bereits in Aussicht gestellt. Auch auf der eSport-Seite wird das Spiel von Microsoft und Turnierveranstaltern unterstützt. Es geht also doch noch weiter mit dem oft übersehenen, mythologischen Spin-Off der Age-of-Empires-Serie.