Die Ensemble Studios hatten sich mit ihrem Erstlingswerk von 1997 bereits einen Namen gemacht, für die noch junge Sparte Microsoft Games war es ein Überraschungserfolg. Zwei Jahre später stand der heiß erwartete Nachfolger in den Läden, welcher bis heute der beliebteste Teil der Serie ist und Microsoft durch Neuauflagen noch einiges an Geld einbringen dürfte. Die Geschichte eines Modder-Teams, welches mittlerweile mit der Pflege des Spiels ihr Geld verdient, konnte damals auch noch niemand ahnen. Am 27. Oktober 1999 erschien Age of Empires 2 – The Age of Kings in Deutschland.
Im Kern hat sich nicht viel im Vergleich zum Vorgänger geändert: Die meisten Partien starten mit einem Dorfzentrum und einer Handvoll Dorfbewohner. Es gilt Holz, Nahrung, Gold und Steine zu sammeln, um weitere Dorfbewohner zu erschaffen, Gebäude zu errichten und eine schlagkräftige Armee auszuheben. Ganz wie in jedem klassischen Echtzeitstrategiespiel, aber hier steht die Wirtschaft und Forschung mehr im Fokus. Wie zuvor teilen sich alle Zivilisationen den Technologiebaum, sie unterscheiden sich aber darin, welche Einheiten und Technologien verfügbar sind und über welche Boni sie verfügen. Neu sind die Spezialeinheiten, die nur die jeweilige Zivilisation exklusiv ins Feld führt.
Größte Neuerung dürfte die Grafik sein, speziell die Größenverhältnisse zwischen Gebäuden und Einheiten wurden angepasst, oder anders gesagt: die Gebäude wurden deutlich größer. Ein paar Entscheidungen zu Gunsten des Gameplays blieben, die bildschirmfüllende Burg von frühen Screenshots musste einem kompakteren Modell weichen, was eher einem Burgfried entspricht. Dieses Bollwerk kostet viel Stein, aber kann defensiv und offensiv sehr wirksam sein – wenn man es errichtet bekommt. Um die Defensive weiter zu stärken, können Einheiten in einige Gebäude einquartiert werden, sie sind dort sicher und schießen Pfeile auf Angreifer. Zudem halten Gebäude deutlich mehr aus, sie mit einer Handvoll Bogenschützen zu zerstören wie im ersten Teil geht nicht mehr in annehmbarer Zeit. In der Imperialzeit, dem vierten und letzten Zeitalter, steht allen Zivilisationen den Tribok zur Verfügung, eine mächtige Belagerungsmaschin, welche sich erst aufbauen muss, aber mehr Reichweite als alles andere hat und an Gebäuden enormen Schaden anrichtet. Weitere Neuerungen sind begehbare Felder, was deren Auffrischung deutlich vereinfacht und Tore, wodurch nicht mehr eine Lücke in den Mauern offengelassen werden muss. Der Handel geht nun auch zu Land und wurde vereinfacht, es wird einfach nur Gold erzeugt statt wirklich gehandelt. Das alles ist vor allem sehr viel Feinschliff gegenüber dem ersten Age of Empires.
Als Setting folgte der Antike des Vorgängers das Mittelalter, die Zeitspanne erstreckt sich grob vom Fall des Weströmischen Reiches bis kurz vor die Renaissance. 13 Völker standen zu Beginn zur Auswahl. Die fünf Kampagnen folgten bekannten Persönlichkeiten dieser Zeit, wie Johanna von Orleans oder Kaiser Friedrich I., genannt Barbarossa. Den dritten Kreuzzug aus der Sicht der Sarazenen statt der europäischen Kreuzritter zu erzählen war selbst für die damalige Zeit noch ein Novum.
Age of Empires 2 war sofort ein voller Erfolg, knapp ein Jahr später folgte mit The Conquerors ein offizielles Addon mit neuen Völkern, Einheiten und Kampagnen. Daneben wurde die Marke erweitert, über die Jahre erschien ein Sammelkartenspiel (nur in den USA und stark limitiert, entsprechend teuer sind die Karten heute, wenn man sie überhaupt findet), 2006 folgte ein rundenbasierter Ableger für den Nintendo DS und es gab Versionen für verschiedenen Features-Phones, zum Beispiel von Sony-Ericsson. Auch dem aufkommenden eSport trug das Spiel Rechnung, zweimal war es Disziplin bei den World Cyber Games. Für Mehrspielerpartien im Internet stand Microsofts eigene MSNZone zur Verfügung.
Dies änderte sich 2006, als Microsoft den Online-Service ohne Alternative einstellte. Findige Spieler wichen auf Drittanbieter-Plattformen wie GameRanger und vor allem Voobly aus, letzteres sollte vor allem die Heimat von ambitionierten Spielern für viele Jahre werden. Nachdem die Nachfolger nicht den erhofften Erfolg hatten und sich der Fokus des Konzerns aus Redmond mehr und mehr in Richtung der Xbox verschob, kümmerte sich Microsoft einige Jahre fast gar nicht um die Marke Age of Empires. Erst im Jahr 2013 gab es mit der von Hidden Path Entertainment entwickelte HD-Version des immer noch beliebten zweiten Teils wieder ein Lebenszeichen. Diese Version brachte vor allem Gelegenheitsspieler zurück, da nun auf einfachem Wege eine auf aktuellen Betriebssystemen lauffähige Version des Klassikers verfügbar war. Die Profi-Szene blieb wegen dem zu Anfangs schlechten Netcode und einiger Verschlimmbesserungen bei Voobly, trotzdem verkaufte sich diese Version über 5 Millionen Mal – keine schlechte Zahl für ein schon damals schon fast 15 Jahre altes Spiel. Das sah auch Microsoft.
Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits das Modder Team Forgotten Empires unter der Leitung des Belgiers Bert Breekman. Er versuchte anhand einer Anleitung eines chinesischen Modders, neue Völker in das Originalspiel zu integrieren. Die daraus entstandene Mod mit dem Namen "Forgotten Empires" wurde so erfolgreich, dass beim Release am 28.12.2012 statt den erhofften 1000 Downloads 100.000 wurden, was den Server zum Absturz brachte. Microsoft blieb das nicht verborgen. Sie heuerten das Team an, die Pflege der HD-Edition zu übernehmen und ihre Mod zu einem kostenpflichtigen DLC auszubauen. Es sollten zwei weitere folgen.
Ihr Meisterstück lieferten sie 2019: Nachdem der Release eines Remasters für den ersten Teil 2018 noch einige Probleme hatte, lief der für die Definitive Edition von Age of Empires 2 passend zum 20-jährigen Jubiläum deutlich runder. Im Kern werkelte zwar noch die alte Genie-Engine für das Gameplay, alles andere wurde generalüberholt: Alle Grafiken, Musik und Sounds wurden neu erstellt, die Wegfindung überarbeitet und das Interface an moderne Standards und Bildschirmauflösungen angepasst. Der Netzwerkcode setzt intern auf das System RelicLink von Relic Entertainment und sorgt für lagfreie Partien auch über den ganzen Erdball. Dazu gab es vier neue Völker und drei komplett neuen Kampagnen. Für Freunde des gemeinschaftlichen Spielens wurden einige der Kampagnen um Koop-Varianten für zwei Spieler erweitert. Dabei blieb es aber nicht, entgegen ersten Ankündigungen folgten bis heute fünf Erweiterungen, welche die Zahl der verfügbaren Völker auf 45 brachte, zudem stehen insgesamt 37 Kampagnen bereit. Eine weitere wurde kürzlich angekündigt, es könnten noch weitere folgen. Bugfixes und Balanceanpassungen im Monatstakt sind da fast schon obligatorisch, ebenso wie die Diskussionen über die Wegfindung. 2023 erschien eine Version für die Xbox One und Xbox Series S|X, inklusive für Gamepads angepasste Steuerung. Im Gegensatz zur 2001 veröffentlichten Version für Sonys PlayStation 2 funktioniert die auch erstaunlich gut, wie ich in einem kurzen Test selbst erfahren durfte. Ich bleibe für Echtzeitstrategie aber beim PC.
Age of Empires 2 ist bis heute der beliebteste Teil der Serie und eines der am meisten gespielten Echtzeitstrategiespiele. Zwei Nachfolger und ein Spin-Off konnte nur bedingt an dessen Thron rütteln, von den zahlreichen Konkurrenten ganz zu schweigen. Bis heute starten jeden Tag tausenden Spieler auf Steam das Spiel, nach dem letzten DLC von Fans erhobene Daten deuten auf um etwa eine Million aktive Spieler insgesamt hin. Für ein heute 25 Jahre altes Spiel keine so schlechte Zahl. Zumindest in Deutschland, Microsoft feiert den 30. September als Jubiläum, weil es an diesem Tag in den USA erschien.
Als Abschluss findet ihr unten eingebettet das Intro von Age of Empires 2 in der ursprünglichen Fassung, die gut doppelt so lange ist wie die Version, die ihren Weg auf die Spiel-CD fand. Zwar ist ds Video hochskaliert, aber man sieht noch die Renderqualität Ende der 90er Jahr. Ein Fan hat einen Teil des Intros in der Unreal Engine 5 mit modernen Assets nachgebaut, das findet ihr hinter diesem Link.