Heute vor 30 Jahren: Die Siedler auf PC

Screenshot: Die Siedler in der History Edition

Bereits ein Jahr zuvor kamen Besitzer des Commodore Amiga in den Genuss eines Spiels, dass wie kein zweites die deutsche Spielelandschaft prägen sollte. Entwickelt im Alleingang von einem Studenten in seinem Kinderzimmer, veröffentlicht von einem schon damals bekannten, deutschen Publisher. Das Zeitalter des Wuselns begann auf einer weiteren Plattformen, denn am 30. Juni 1994 erschien Die Siedler auf dem PC.

Publisher Blue Byte stellte dem Erfinder Volker Wertich mit Christoph Werner einen Grafiker zur Seite, für Musik und Sounds zeichneten sich Haiko Ruttman und Markus Kludzuweit verantwortlich. Das Spiel beginnt auf einer leeren Karte, als erstes müsst ihr einen passenden Platz für euer Schloss finden, welches als Hauptquartier fungiert. Holz und Steine in der näheren Umgebung sind ein Muss, damit die Versorgung mit Baumaterial direkt anlaufen kann. Holzfäller, Sägewerk und Förster bilden eine Einheit, ergänzt um den Steinmetz. Alles wird mit Wegen verbunden, Träger transportieren die Waren. Trefft ihr auf einen Gegner kommt es zum Kampf, ganz ritterlich im Duell einer nach dem anderen. Krieger müssen mit Schwert und Schild ausgerüstet werden, welche der Schmied aus Eisenbarren und Kohle herstellt. In der Schmelze entstehen die Barren aus Eisenerz und Kohle, beides holen Bergleute in ihren Minen aus dem bergigen Boden. Ebenso Golderz, was in der Goldschmelze zu Goldbarren verarbeitet wird und die eigenen Soldaten stärkt. Die Bergleute arbeiten als einzige nur für Nahrung, wo zu Anfang noch der Startvorrat und Fischer reichen, braucht es langfristig die wohl klassischste aller Warenketten: Bauernhof, Mühle, Bäcker. Und das ist schon alles, was man für ein zeitloses Spielprinzip mit schier endlosen Optimierungsmöglichkeiten braucht.

Die Karten sind zufällig generiert, eine Art Kampagne mit 30 vordefinierten Missionen ist enthalten. Die Computergegner verhalten sich alle ein wenig anders, vor allem wie aggressiv sie sich ausbreiten und angreifen. Die Prinzessin ist noch harmlos und gibt auch mal einfach so auf, später sind mit dem Wikinger, dem Gaukler und der Amazone sind ein paar ziemlich harte Brocken dabei. Volker Wertich war damals dafür bekannt, recht schwere Spiele zu entwickeln, was sich bis Anfang der 2000er fortsetzen sollte. Einige Mechaniken wie das Stärken der Soldaten durch Gold waren noch recht undurchsichtig gelöst, selbst ein Blick ins Handbuch klärte bei mir nicht alle Fragen auf.

Für die PC-Version von Die Siedler zeichnete sich das Mannheimer Studio Massive Development verantwortlich, die später als Schöpfer von Schleichfahrt und Aquanox zu mehr Bekanntheit kamen (Sie bitte nicht mit dem schwedischen Studio Massive Entertainment verwechseln, welches den Open-World-Shooter The Division bekannt ist). Bei den Arbeiten am Aufbauspiel von Volker Wertich standen die Entwickler in Mannheim aber vor einem gewichtigen Problem: Der Quellcode des Spiels bestand aus einer einzigen Datei mit 70.000 Zeilen Amiga-Assembler-Code, was nur sehr schwer zu entziffern war. Aber die Entwickler hatten eine Geheimwaffe: Sie hatten ein Programm entwickelt, was Amiga-Assembler in C übersetzt. Im Nachhinein bezeichneten sie dies als den Schlüssel, warum die Portierung überhaupt möglich wurde.

Dem für die USA zuständigen Marketing war der internationale Name "The Settlers" zu nahe an der Besiedelung des nordamerikanischen Kontinents durch europäische Siedler, weshalb es dort als "Serf City: Life is Feudal" erschien. Das sollte aber die Ausnahme bleiben, alle weiteren Spiele der Serien erschienen unter dem direkt übersetzten Titel. Die Cover waren aber meist martialischer als die der europäischen Versionen, die eher idyllische Landschaften abbildeten.

Auch auf dem PC war das Spiel ein voller Erfolg, Publisher Blue Byte und später Ubisoft bauten daraus eine Serie von bis heute acht Spielen und einigen Ablegern, wobei der Erfinder Volker Wertich neben dem Erstling nur am dritten Teil direkt in die Entwicklung des später veröffentlichten Spiels involviert war. Die Titel kamen in der Fan-Gemeinde teils sehr gemischt an, es wurden mit vielen, unterschiedliche Konzepten experimentiert. Für den achten Teil wurde Volker Wertich als Creative Director zurückgeholt, nach kreativen Differenzen verließ er aber das Projekt 2020. Es folgten mehrere Verschiebungen, das Spiel mit dem Untertitel "Neue Allianzen" erschien letztendlich im Februar 2023. Es wurde durchweg negativ ausgenommen, ich war davon auch nicht sonderlich begeistert.

Und damit war es das bis heute mit den Siedlern. Die einstige deutsche Vorzeigemarke ruht, mit wenig Hoffnung auf einen Neustart. Zumal Ubisoft mit Anno eine ungleich erfolgreichere Aufbauspiel-Serie im Portfolio hat. Im Jahr 2018 brachte der französische Publisher eine Neuauflage aller bis dato erschienen Teile der Siedler als History Edition heraus, welche sie auf modernen Systemen wieder zum Laufen brachte, gebunden an den hauseigenen Launcher Ubisoft Connect. Ohne Launcher-Zwang sind die Teile zwei bis sechs auch bei GOG erhältlich, teils fehlen aber Addons oder deutsche Sprache – im Fall des fünften Teils würde ich aber behaupten, dass dies ein Vorteil ist. Für den ersten Teil gibt es Fan-Projekte wie Freeserf, welche das Spiel komplett nachbauen und als Open Source auf vielen Plattformen laufen. Ihr benötigt die Dateien das PC-Originals, wofür sich auch die aus der History Edition eigenen. Oder ihr entstaubt euer Disketten-Laufwerk und das Handbuch für die Code-Abfrage zum Start, für die ganz authentische Siedler-Erfahrung.