Nintendo hat schon immer ungewöhnliche Spielkonzepte und Peripherie entwickelt, selbst wenn man ihre Zeit als Spielzeughersteller ausklammert. Bereits das Famicom hatte einige Funktionen verbaut, die ihrer Zeit weit voraus waren. Nicht alles setzte sich durch, aber das hat sie nicht davon abgehalten, neue und innovative Arten, wie Videospiele gespielt werden können, zu entwickeln.
Als hätte der japanische Hersteller die folgende Pandemie erahnt, brachten sie im Herbst 2019 das Fitness-Spiel Ring Fit Adventure für die Switch heraus. Zuerst hatte ich es etwas belächelt, gab es doch andere Möglichkeiten, mich sportlich zu betätigen. Erst als die wegfielen, habe ich mich damit beschäftigt. Mittlerweile sind mehr als drei Jahre vergangen, in denen ich das Spiel sehr intensiv gespielt habe. Seht diesen Text mehr als Langzeit-Erfahrungsbericht und Retrospektive auf ein Spiel, dass für mich einige Zeit mehr als nur reines Vergnügen war.
Hinweis: dieser Artikel erschien auch auf GamersGlobal. Danke an Jürgen und Q-Bert für Feedback und Korrekturen.
Inhalt
- Inhalt
- Ungeplant ins Rampenlicht: die Vorgeschichte
- An den Ring: Das Spiel
- Mobil fit bleiben: Der Einsatz Unterwegs
- Auf die Ersatzbank: der aktuelle Einsatz
- Fazit
Ungeplant ins Rampenlicht: die Vorgeschichte
Anfang November 2019: Nach langem Hin und Her habe ich endlich den Schritt gewagt und meinen Job, der mir bereits einige Jahre nur Frust bescherte, gekündigt. Ich ging das Risiko eines Sabbaticals ein mit dem Ziel, meinen Traum zu verwirklichen, in der Spiele-Industrie zu arbeiten. Nur ein paar Tage später hörte ich die ersten Berichte von einem neuen Virus, das in China entdeckt wurde und Virologen Sorgen macht. Mir aber erst mal nicht; mein Plan stand fest.
März 2020: Von einem Tag auf den anderen stand die Welt gefühlt still, das SARS-CoV-2-Virus als unbekannte Gefahr hatte unseren Planeten fest im Griff. Auf mich hatte das erst mal wenig Einfluss, ich habe bereits die letzten Wochen daheim verbracht, um an meinem Demo-Projekt zu arbeiten. Die größte Einschränkung für mich war, dass mein Fitness-Studio seine Pforten schließen musste. Ein für mich sehr wichtiger Aspekt, um meine gesundheitlichen Probleme in Zaum zu halten. Aber aus meinen Erfahrungen des Vorjahres, in denen ich viel Krank war und deshalb nicht trainieren konnte, hatte ich Alternativen parat. Damit hielt ich mich über Wasser, bis mein Studio wieder öffnen durfte und ich mein Training fortsetzten konnte.
November 2020: Erst wenige Wochen zuvor hatte ich meinen neuen Job als Programmierer bei Gaming Minds Studios angetreten, mich in der Stadt und in der Arbeit noch nicht richtig eingelebt, da kam der nächste Schock: Ein erneuter Lock-Down, wieder wurde das öffentliche Leben heruntergefahren, noch weiter und länger als im vorherigen Frühjahr. Allerdings hatte ich diesmal ein Ass im Ärmel: Über den Sommer konnte ich ein Exemplar von Ring Fit Adventure für die Nintendo Switch ergattern. Eigentlich war es nur als Übergangslösung und zur Ergänzung gedacht, sollte aber mein fester Begleiter für fast eineinhalb Jahr werden.
An den Ring: Das Spiel
Nintendo hat nicht einfach ein paar Übungen aneinander gepackt, sondern ein richtiges Spiel um das Konzept herum gestrickt. Und ohne zu viel zu verraten: Zumindest mir hat das einiges gebracht, weil es mir mehr Kontext gab und damit mehr Spaß machte, als einfach nur stumpf nacheinander Übungen abzuspulen. Einen Vergleich zum wahrscheinlich ungleich populäreren Wii Fit kann ich nicht ziehen, weil ich es nie gespielt habe.
Ein Ring ihn zu drücken und ziehen: die Hardware
Ohne die mitgelieferte Hardware geht bei Ring Fit Adventure nichts, deshalb ist es auch nicht im eShop erhältlich, sondern nur als Retail-Version. Obwohl es nur zwei relativ simple Geräte sind, sind sie in Kombination mit den JoyCons der Switch erstaunlich flexibel einsetzbar.
Links: Der Ring bleibt stabil, auch wenn stark zusammengedrückt. Rechts: Durch den Lagensensor des JoyCons wird die Haltung erkannt
Zuerst natürlich der Ring, das namensgebenden Gerät: In ihn wird der JoyCon mit dem Plus-Symbol einsteckt, links und rechts hat er je einen gepolsterten Griff. An den Polstern gehalten kann er zusammengedrückt oder auseinandergezogen werden. Und das war es auch schon, in Kombination mit dem JoyCon kann die Software relative Lageänderungen feststellen. Mit dem eingebauten Infrarot-Sensor kann der Puls gemessen werden. Das scheint mir allerdings sehr ungenau, weil der angezeigte Wert stark schwankt. Deshalb habe ich das schnell gelassen, zumal die Software betont, dass der Sensor nicht für medizinisch Diagnose taugt.
Der Ring ist recht steif, speziell Ziehen geht nur ein paar Zentimeter weit. Zusammendrücken kann ich ihn dagegen fast, bis sich die Polster berühren. Aber er ist sehr stabil, ich bin wirklich nicht der Kräftigste, aber selbst bei langer und intensiver Beanspruchung knarzt nichts, Schäden sind nicht mal im Ansatz zu erkennen. Nur die Polster haben sich an den Stellen, wo ich sie halte leicht verfärbt. Das dürfte aber mehr an meinen schnell schwitzigen Händen als an der Verarbeitungsqualität liegen.
Das zweite Teil ist der Beingurt, hier wird der JoyCon mit dem Minus-Zeichen eingesteckt und um den linken Oberschenkel gespannt. Und das wars auch schon. Der eingebaute Lagesensor dient dazu, die Körperhaltung zu bestimmen. Das funktioniert an sich gar nicht schlecht: Ob ich stehe, sitze oder liege wird meistens passend erkannt. Solange er an der angedachten Stelle bleibt. Damit hatte ich meine Probleme, je nach getragener Hose hält er mehr oder weniger gut, weil es im Prinzip nur ein Gummiband in einer Stoffhülle ist. An manchen Tagen kam er ständig ins Rutschen, egal wie ich ihn angelegt habe. Generell scheinen Hosen mit glatterem Material schlechteren Halt zu bieten als reine Baumwollhosen.
Das klingt alles nicht nach viel, aber die Kombination ist erstaunlich flexibel einsetzbar: Je nachdem, wie ich den Ring halte und drücke oder ziehe, belaste ich unterschiedliche Muskelgruppen. Den Ring über den Kopf zu halten und zu drücken, belastet mehr die Oberarme als die Schultern; hinter dem Kopf andersherum. Ihn vor dem Bauch mit angelegten Armen zu drücken, geht auf die Brustmuskulatur. Andere Übungen wie lang gestreckt Vorbeugen oder Yoga-Übungen sind mehr auf die richtige Haltung ausgelegt, hier ist nur der Lagesensor aktiv. Das System ist nicht perfekt, aber ich habe dadurch zumindest ein wenig Kontrolle, ob ich die Übungen richtig mache.
Vor Beginn jeder Übung muss ich eine Ausgangsposition einnehmen, los geht es erst, wenn sie vom Spiel erkannt wurde. Eigentlich soll mir ein zusätzlicher Countdown helfen, aber mal startet er direkt und scheint Bewegungen von mir zu ignorieren, ein anderes Mal muss ich gefühlt ewig warten, bis es los geht. Hin und wieder zeigen sich die Lagesensoren überempfindlich, so dass selbst kleinste Bewegungen den Countdown abbrechen. Manchmal reagieren sie gar nicht, wenn ich eigentlich eine Pause einlegen will. Ganz fehlerfrei ist die Erkennung nicht, wobei ich auch sagen muss, dass diese Fälle mehr die Ausnahme als die Regel sind. Die meiste Zeit funktioniert alles so, wie es soll.
Die Einschränkungen der Erkennung kann ich anderweitig ausnutzen: Eine Übung, die ich nie mochte, ist das Turmsegeln. Dabei muss ich teils minutenlang den Ring über den Kopf halten und auseinanderziehen, und das teilweise auch zur richtigen Zeit. Das ging mir nach einer Weile gehörig auf die Nerven. Wann immer es ging, habe ich das Minispiel umgangen, an ein paar Stellen zwingt mich das Spiel aber dazu, es zu machen. Dann habe ich Folgendes gemacht: Ich habe den Ring umgedreht vor meinen Bauch gehalten und ähnlich wie bei der Abwärtspresse genutzt. Da die Lageerkennung recht grob funktioniert und nur relative Bewegungen erkennen kann und keine absoluten Positionen im Raum, dachte die Software, dass alles in Ordnung wäre. Dass ich mich dabei immer ein wenig selbst belüge, weil ich die Übungen falsch mache, weiß ich, weshalb ich es nur in Ausnahmefällen gemacht habe.
Die Level sind mit Hindernissen gespickt, einfaches Laufen reicht selten, um unbeschadet das Ziel zu erreichen.
Die Bewegungssteuerung kann auch zur Navigation in den Menüs genutzt werden, davon bin ich aber schnell abgekommen. Sie ist einfach zu unpräzise und reagiert teils unvorhersehbar. Deshalb würde ich sie am liebsten ganz ausschalten, da ich das ein oder andere Mal in der Hektik Fehleingaben gemacht habe, die sich in den wenigsten Fällen rückgängig machen lassen. Den Ring ruhig halten und Tasten nicht überhastet drücken ist da die einzige Lösung.
Vor und nach jeder Session steht Dehnen an. Der Start besteht immer aus den gleichen fünf Übungen, die zum Abschluss variieren je nachdem, was ich trainiert habe. Das Spiel merkt sich, welche Muskelgruppen während des Spielens besonders belastet wurden, und schlägt dann Übungen vor, um genau diese zu dehnen. Ein wenig schade ist, dass dabei die Erkennung der Haltung durch Ring und Beingurt scheinbar nicht mehr aktiv ist. Ich kann jedenfalls machen, was ich will, ohne dass etwas passiert. Eine der wenigen Dinge, die das Spiel meiner Eigenverantwortung überlässt.
Pseudo-Story und Oberwelt: der Abenteuer Modus
Kernstück des Spiels ist der Abenteuermodus. Er fungiert gleichzeitig als Tutorial und längerfristiges Training und ich denke jeder, der das Spiel ernsthaft spielen will, sollte damit anfangen.
Die Oberwelt ähnelt wahrscheinlich nicht zufällig einem bekannten Spiel mit einem hüpfenden Klempner
Ausgangspunkt bildet die Oberwelt-Karte, die wahrscheinlich nicht zufällig an Super-Mario-Spiele erinnert: Knotenpunkte sind Level, verbunden mit Wegen, hin und wieder gibt es besondere Orte wie Shops oder Portale in andere Teile der Karte. Die Navigation geht gut von der Hand, vor allem mit den Tasten. Im ersten Durchgang wird noch viel geholfen und Routen müssen erst freigeschaltet werden. Zudem gibt es immer wieder Nebenaufgaben, die meist in bereits bekannte Level zurückführen, manchmal unter geänderten Umständen oder um sie unter bestimmten Voraussetzungen zu meistern. Dafür gibt es dann mehr oder weniger angemessene Belohnungen, die meisten hätte ich mir wahrscheinlich schenken können. Aber für die Abwechslung und um neue Spielweisen auszuprobieren, taugen sie durchaus. Noch etwas mehr Abwechslung bieten die Minispiele, wo in einzelnen Übungen eine möglichst hohe Punktzahl erreicht werden muss. Einige haben mir Spaß gemacht, wie das zurückschleudern von Bumerangs auf die Roboter oder das an 2D-Jump-and-Runs erinnernde automatische Fahren auf einem Quad. Andere wie das Turmsegeln oder Münzband konnte ich dagegen gar nicht leiden und habe sie wann immer es ging ausgelassen.
Zusammengehalten wird alles von einer kleinen Geschichte: In der Welt von Ring Fit Adventure ist die Protagonistin oder der Protagonist unterwegs und trifft auf einen seltsamen Ring. Versehentlich befreit man den Bodybuilder-Drachen Drako, der fortan als Gegenspieler fungiert. Am Ende stellt sich heraus, dass er doch nur für mehr Fitness unter den Bewohnern sorgen wollte, aber von nie näher beleuchteten und lilafarbenen Mächten korrumpiert wurde und es deshalb völlig übertrieb. Upps, war das ein Spoiler? Da die Geschichte so belanglos ist, halte ich es nicht für tragisch. Das Geschlecht der Spielfigur ist vor dem Spiel wählbar, der Ring spricht dann entsprechend mit einer männlichen oder weiblichen Stimme.
Die Dialoge im Spiel sind etwas merkwürdig. Nicht vom Stil her, sie sind genauso belanglos wie die Story selbst, selbst die Rollenverteilung ist klar: Protagonist/Protagonistin ist stumm, der Ring spricht dauernd motivierend und Drako ist der Böse. Wobei das mit dem Sprechen wörtlich gemeint ist: nur der Ring hat Sprachausgabe. Wenn Drako das Wort ergreift, sieht das deshalb genauso befremdlich aus wie in den neueren Pokémon-Spielen, wo die Charaktere eine deutliche Mimik, Gestik und Lippenbewegungen haben, aber kein Ton erklingt. Dass der Ring aber Sprachausgaben hat macht die Dialoge irgendwie unnatürlich.
Außerhalb der Level hat der Abenteuer Modus ein paar Zusatzfunktionen: Im Shop werden neue Klamotten verkauft, die nicht nur schnittig aussehen, sondern auch die Statuswerte verbessern – Setboni inklusive. Daneben können auch Zutaten zur Erstellung oder direkt Tränke gekauft werden, welche in den Leveln und Kämpfen Boni verleihen. Die meiste Zeit habe ich sie nicht gebraucht, aber da die Bosse teils über mehrere Lebensbalken verfügen, haben sie das Ganze etwas abgekürzt. Trotzdem dauert der Endboss-Kampf schlappe 35 Minuten, Pausen gar nicht eingerechnet.
Nach Abschluss der Story kann sie erneut angegangen werden, mit höherem Schwierigkeitsgrad, noch weniger Story (Drako ist jetzt ja "geheilt") und ohne Nebenaufgaben. Da alle Fortbewegungsmittel verfügbar sind, konnte ich an ein paar Stellen abkürzen, mehr dazu im nächsten Abschnitt. Das habe ich habe aber selten gemacht, ich wollte ja das volle Spiel erleben. Und als ob das noch nicht genug ist, kann man nach dem zweiten Ende die Story ein weiteres Mal angehen, dann etwas übertrieben als "Fitness Olymp" bezeichnet. Größte Neuerung: Die Übungen haben nun keine Qualitätsstufen mehr, oder besser: Man bekommt direkt zum Start alle Übungen in einer neuen, einheitlichen Stufe. Vorbei sind die Zeiten, in denen ich ungeliebte Übungen im Programm hatte, weil sie mehr Schaden machen. Danach ist dann aber wirklich Schluss.
Schmales JRPG: das Gameplay
Moment mal, Schaden? Ich dachte, ich bin hier in einem belanglosen Fitness-Spiel? Nicht ganz. Die Entwickler haben sich die Mühe gemacht, den Übungen mehr Kontext zu geben.
Gekämpft wird in Ring Fit Adventure rundenbasiert, die Gegner erinnern an allerlei Fitness-Utensilien
Die meisten Level im Abenteuer Modus sind sehr ähnlich aufgebaut. Zuerst ist Fortbewegung angesagt, dafür reicht es, auf der Stelle zu laufen. Dabei unterscheidet das Spiel zwischen Laufen und Sprinten, für letzteres muss man die Beine deutlich schneller bewegen. Ist anstrengender, dafür kommt man schneller voran.
Hindernisse müssen ebenfalls mit Übungen überwunden werden, wie Squads oder Beine anheben. Spezielle Elemente wie auf einem Steh-Floß paddeln (Ring gegen den Bauch drücken und Unterkörper drehen), Fliegen (Ring rhythmisch gegen den Bauch drücken), an einer Art Überkopf-Achterbahn den Ring über dem Kopf auseinanderziehen oder auf Karren fahren, welche von Übungen angetrieben werden, runden die Fortbewegungsmöglichkeiten ab. Eigentlich genug Stoff für Abwechslung, aber Squads werden überproportional oft verlangt. Da ich meine bestehenden Probleme mit den Knien nicht noch schlimmer machen wollte, sind sie als erstes aus meiner Übungs-Palette geflogen, die in den Level waren Belastung genug.
Egal, was ich als Spieler mache, meine Spielfigur läuft immer wie auf Schienen durch die Level. Hin und wieder gibt es Abzweigungen, aber die sind nichts Weltbewegendes. Meist sind sie zudem recht offensichtlich, nur ganz wenige, etwas kniffliger zu erreichende Geheimwege konnte ich entdecken. Damit es nicht langweilig wird, liegen am Rand allerlei Ressourcen wie Geld (zum Einkaufen im Shop) und Zutaten für die Tränke herum, die durch Auseinanderziehen des Rings eingesaugt werden.
Es gibt verschiedenen Umgebungen wie üppige Wiesen, schneebedeckte Höhen, lauschige Küsten und ein Innenlevel mit aus Holz gebauten Wegen. Dazu wird noch die Tageszeit variiert, wobei der Unterschied rein optischer Natur bleibt. Nach einer Weile konnte ich die groben Versatzstücke erkennen, aus denen die Level bestehen – vielleicht auch ein Nebeneffekt davon, dass ich mich selbst mit prozeduraler Generierung von Leveln in Videospielen beschäftigt habe, und das ein gangbarer Weg ist. Die Grafik ist in einem sehr stilsicheren Low-Poly-Look gehalten, hin und wieder hat sie schöne Aussichten über die Level zu bieten. Zwar kann Ring Fit Adventure grafisch bei weitem nicht mit aktuellen Titeln, selbst für die Switch, mithalten, aber da ist bedeutend mehr Aufwand rein geflossen, als ich von so einem Spiel erwartet hätte.
In den Level sind Gruppen von Gegnern verteilt, die ich mit den Übungen aus meinem Plan "bekämpfe". Die Kämpfe laufen rundenbasiert wie in einem klassischen JRPG ab, als Spieler habe ich immer den ersten Schlag. Die Farbe der Gegner zeigt gleichzeitig ihre Schwäche. Die Farben sind gleichbedeutend mit der Kategorie der Übungen (Arme, Bauch, Beine, Yoga), der Zusammenhang sollte schnell klar sein. Je nach Angriff werden einer, drei oder alle der maximal fünf Gegner getroffen. Übungen, die mehrere Gegner treffen, machen wie erwartet bei jedem einzelnen weniger Schaden. Der ist zudem pro Übungen fest vorgegeben, ein wenig Planung ist deshalb durchaus anzuraten. Zusätzlich wird der ausgeteilte Schaden durch saubere Ausführung der Übung beeinflusst. Zudem gibt es für jede Übungen vier Qualitätsstufen, die im Verlauf der maximal drei Durchgänge des Abenteuer-Modus freigeschaltet werden.
Ein animiertes Männchen macht die Übungen vor, wobei je nach Perspektive für mich schwierig zu erkennen war, wie ich genau stehen und den Ring halten soll. Den zusätzlichen Textbeschreibungen habe ich zu spät genug Beachtung geschenkt. Während der Ausführung gibt der Ring zudem konstant Kommentare darüber ab, wie ich mich schlage. Dabei ist jeder Kommentar positiv, wie sauber ich die Übungen machen muss ich daran erkennen, wie positiv der Kommentar ist. Und das sind wirklich viele, pro Wiederholung zähle ich meist zwei Kommentare – man wird konstant belabert. Neben Motivations-Sprüchen und Ansagen, wie viele Übungen noch zu machen sind, werde ich auch immer wieder daran erinnert, wie die Übung sauber auszuführen ist. Ein für mich nicht zu unterschätzender Faktor, da sich bei mir in der Vergangenheit gerne mal schlechte Angewohnheiten und Haltungen eingeschliffen haben. Ein Nebeneffekt: Dadurch kann ich das Spiel über weite Strecken spielen, ohne auf den Fernseher zu schauen und nur nach Gehör gehen.
Das Spiel bietet viele Gegnertypen, die kleinen Blobs am Anfang werden schnell durch allerlei fantasievolles Getier ergänzt. Neben ihren Aussehen unterscheiden sie sich in ihrer Charakteristik: der Trainingsball verkraftet einige Treffer, ist aber nicht so gut im Austeilen. Bei anderen ist es andersherum, oder sie sind besonders schnell und greifen vor den anderen an. Bei der Gestaltung haben sich die Entwickler einiges einfallen lassen, wobei der Fitnessbezug immer klar ist. Oft sehen sie wie Mischungen aus Tieren und Trainings-Utensilien aus, wie die Rochen/Trainingsmatten-Kombination, die Gegner heilt. Kugelhanteln mit Hasenohren und Massagebälle mit Flossen sind auch oft gesehen. Wie in den meisten Spielen gilt: Heil-Matten und die Tröten-Vögel, die Buffs verteilen können, zuerst ausschalten. Dann noch auf die Farben achten, mehr Taktik ist nicht nötig.
Gegner können auch zurückschlagen, mit der Abs-Abwehr (Ring gegen den Bauch drücken und halten) kann ich den Schaden reduzieren oder ganz negieren. Als Lebensleiste hat meine Spielfigur eine an die Spiele der The Legend of Zelda-Reihe erinnernde Reihe aus Herzen. Level-Ups und Upgrades erhöhen ihre Anzahl. Nur zu Anfang hat mich die geringe Zahl in kritische Situationen gebracht, nach einer Weile hatte ich zum einen genug, zum anderen konnte ich ständig Heiltränke schlürfen. Es gäbe auch Übungen, die mich heilen, aber durch quasi unbegrenzte Heiltränke werde ich dafür keinen Zug verschwenden. Für einen Game Over bräuchte es einen überraschend starken Gegner, was mir so gut wie nie passiert ist.
Das Rollenspielsystem ist ziemlich einfach: Abgeschlossene Kämpfe und Level geben Erfahrungspunkte, Level Ups erhöhen die eigenen Statuswerte und schalten neue Übungen frei. Zudem gibt es Fertigkeitspunkte, die in einem einfachen Fertigkeitsbaum neue Boni, Upgrades und Übungen freischalten.
Das ganze System hat für mich aber einen großen Nachteil: Ich war sehr schnell überlevelt, gerade ältere Level machen dann keinen Spaß mehr. Die Gegner fallen nach ein oder zwei Angriffen um, was den Trainingseffekt senkt. Ich habe irgendwann aufgehört, die Zusatzmünzen, die nur XP geben, zu sammeln, aber es hat meinen Fortschritt nur wenig gebremst, am meisten gibt es für abgeschlossene Übungen. Auch hatte ich schnell so viele Tränke und weitere Items, dass man Inventar sehr unübersichtlich wurde.
Ich habe schon ein paar Mal die Tränke oder Fitness-Smoothies erwähnt, was hat es damit auf sich? In den Level oder Kämpfen geben sie Boni: Verstärkung von bestimmten Angriffen, einfacheres Sprinten, mehr Geld und so weiter. In den Leveln kann immer nur einer aktiv sein, in Kämpfen kann ich dagegen so viele schlürfen, wie ich will – da sie keine Aktion verbrauchen auch gleich mehrere auf einmal. Sehr nützlich sind die zur Änderung der Farbe von Übungen, damit kann ich die Gegner auch effektiv mit Angriffen beharken, die mehr mir wie dem Spiel in den Kram passen.
Für die Herstellung braucht es Zutaten, die ihr überall in den Level findet: mitten auf dem Weg, am Rand zum Einsaugen (grob in ihre Richtung zielen und Ring auseinanderziehen) sowie in Kisten, die mit einen Luftschuss zerstört werden (in die Richtung zielen und Ring zusammendrücken). Da ich die Tränken nur selten verwendete, hatte ich schnell einen großen Überschuss. Außer in den letzten zwei Kapiteln jedes Durchgangs, weil die Gegner dann sehr viel aushalten, und die Kämpfe sich ansonsten stark in die Länge ziehen. Alles ist dem Thema Fitness untergeordnet, weshalb die Zutaten so gesunde Sachen wie Spinat, Tomaten oder Vanille Eis sind. Ähm, ja…
Die Herstellung ist auch simpel, in einem Menü muss jeder Smoothie einzeln "gepresst" werden: Einfach den gewünschten auswählen, maximal drei Typen á fünf Stück, und dann heißt es nur noch den Ring einmal pro Smoothie zusammendrücken – fertig. Damit es mir nicht zu langweilig wird, habe ich unterschiedliche Haltungen des Rings, die ich aus den Übungen kannte, durchgewechselt. Ansonsten ist nur zu beachten, dass das nicht auf die Trainingszeit angerechnet wird!
Ungezwungen: das freie Spiel
Keine Lust auf Pseudo-Geschichte, vorgeschriebene Übungen und Boost-Features? Dann ab in den freien Modus. Dort stehen alle Übungen, Minispiele und einige der Lauflevel zur freien Verfügung. Übungspläne haben 10 Plätze, die frei belegt werden können. Mal mehr Fokus auf Bauch, Arme oder einfach nur Laufen? Alles kein Problem. Ich weiß nicht, ob man die Übungen erst durch den Abenteuer-Modus freischalten muss, weil ich den freien Modus erst ausprobiert habe, als ich im Abenteuer schon recht weit fortgeschritten war und so gut wie alle Übungen bereits hatte.
Die Anzahl der Wiederholung pro Übung wird separat eingestellt, unabhängig von der globale Übungsintensität im Abenteuer-Modus. Für ein normales Programm sind mir die Anzahl der Übungen etwas zu wenig, zwei oder drei mehr hätte es schon sein dürfen. Es besteht bei mir normalerweise aus unterschiedlichen Lauflevel und ein paar besonders wichtigen Übungen für Rücken, Brust und Schultern. Dehnen vor und nach jeder Session ist identisch zum Abenteuer-Modus.
Es gibt auch noch zwei weitere Modi, die ich aber kaum genutzt habe: Rhythmus-Fit sind kleine Spiele, bei denen der Ring passend zum Takt der Musik gedrückt oder auseinandergezogen werden muss. Da ich in allem, was Taktgefühl verlangt, ziemlich schlecht bin, habe ich sie nur einmal ausprobiert. Multitask ist dazu gedacht, den Ring zusammenzudrücken, während man etwas anderes macht. Die Switch läuft dann ohne Bildsignal weiter und zählt nur die Anzahl der Wiederholungen. Das fand ich auch nicht so prickelnd und habe es deshalb nie wirklich genutzt.
Mobil fit bleiben: Der Einsatz Unterwegs
Nachdem ich mir Ring Fit Adventure gekauft hatte, habe ich hin und wieder gespielt, hauptsächlich um es auszuprobieren und ein Gefühl dafür zu bekommen. Da ich vor meinem Umzug noch in mein altes Fitness-Studio konnte, gab es zunächst auch keinen Grund es zu spielen. Erst als der Herbst 2020 mit seinen Einschränkungen des öffentlichen Lebens kam, habe ich regelmäßig gespielt. Wobei das stark untertrieben ist.
Ich hatte recht schnell einen Rhythmus, wo ich fast jeden Tag gespielt habe. Das Spiel misst die Aktivitätszeit, also die Zeit, in der der Ring oder JoyCon im Beingurt in den Level bewegt wird (Sachen außerhalb wie das Pressen von Tränken zählt nicht). Nach einer Weile hatte ich mich bei 25-30 Minuten Aktivitätszeit pro Tag eingependelt, was circa 60 Minuten Gesamtzeit mit Pausen beanspruchte. Im Abenteuer Modus waren das zwei bis drei Level. Ich wollte bewusst einen täglichen Rhythmus, damit ich mich, auch wenn ich im Home-Office meine Wohnung kaum verlassen habe, jeden Tag signifikant bewege. Mein Mindestmaß an täglicher Bewegung bekomme ich ansonsten durch meinen Weg zur Arbeit auf dem Rad.
Der Ring passt in einen kleinen Koffer, wodurch ich ihn immer mitnehmen konnte, um mich zum Beispiel im Urlaub weiter sportlich betätigen zu können. Dazu brauchte es nicht mal die Switch im Dock, auf einem Tisch aufgestellt geht auch ohne Probleme. Vor allem, nachdem ich beim ersten Einsatz über den Jahreswechsel 2020 schon eine Weile gespielt hatte und mehr nach Gehör als dem Bild spielen konnte. Es gibt auch Disziplinen und vor allem Mini-Spiele, wo ich hinsehen muss und deshalb auf einem großen Fernseher besser zu spielen sind. Aber übergangsweise ist es kein Problem, nur für den Einstieg würde ich es nicht unbedingt empfehlen.
Auf die Ersatzbank: der aktuelle Einsatz
Mittlerweile hat Ring Fit Adventure den Platz eingenommen, für den ich es ursprünglich vorgesehen hatte: als Ergänzung zum Besuch im Fitness-Studio. Ich habe es deutlich länger genutzt als geplant, weil ich die Suche nach einem neuen wegen anderer Probleme hintenanstellen musste. Dank des Spiels war auch der Druck nicht so groß, ich hatte eine Alternative, mit der ich einen guten Rhythmus hatte. Zuletzt hatte sich die Eröffnung eines neuen Studios, welches für mich sehr praktisch liegt, mehrfach verschoben.
Aktuell trainiere ich zweimal die Woche im Studio, mit Fokus auf den Muskeln für eine gute Haltung und Ausdaueraufbau. Dazu kommt als Bewegung der tägliche Weg zur Arbeit mit dem Rad. Wenn das Wetter gut und warm ist, schnappe ich mir vor allem Sonntag vormittags zusätzlich mein Fahrrad, um in der Umgebung von Gütersloh kleine Runden zu fahren, so eine bis eineinhalb Stunden. Spielt das Wetter nicht mit, packe ich stattdessen den Ring aus und mache ein paar Übungen, vor allem im freien Modus. Der Abenteuer Modus kann mich nicht mehr motivieren, zumal ich wegen des Rollenspiel-Systems so überlevelt bin, dass Gegner zu schnell (also: nach einer Übung) das Zeitliche segnen, was den Trainingseffekt senkt. Nochmal von vorne anfangen will ich auch nicht, zumal ich schnell den Faden verlieren würde, wo ich mich gerade befinde und wo es weiter geht. Im freien Modus kann ich zudem viel besser steuern, welche Übungen ich machen will.
Fazit
Die Low-Poly-Grafik mag einfach wirken, ist aber sehr stilsicher. Und sieht teilweise richtig schick aus.
Ich kann es nicht anders sagen: Ring Fit Adventure hat mich durch die Pandemie gebracht. Es ermöglichte mir, meine gesundheitlichen Probleme im Zaum zu halten. Die Kampagne motivierte und machte mehr Spaß als nur Home-Workout Videos nachzutanzen. Dazu hatte ich dadurch zumindest ein Mindestmaß an Kontrolle, ob ich die Übungen auch richtig mache. Zwar ersetzte es mir nicht den Besuch im Fitness-Studio und mein körperlicher Zustand blieb immer etwas fragil, aber ich will gar nicht wissen, wie es mir ohne die fast täglichen Übungen ergangen wäre.
Dafür, dass ich das Spiel eigentlich nur als Ergänzung eingeplant hatte, hat es mich sehr lange motiviert. Aber das hält nicht unendlich, spätestens nach dem dritten Durchlauf war endgültig die Luft raus. Aber als Ergänzung tut es seinen Dienst weiter, und wie ich Nintendo-Qualität bei Hardware kenne, wahrscheinlich noch einige Jahre. Und wer weiß, der nächste Umzug kommt bestimmt…