Re-Review: Tales from the Borderlands

Screenshot: Tales from the Borderlands

Zu Tales from the Borderlands habe ich ein gespaltenes Verhältnis: einerseits bin ich großer Fan des Franchise, Borderlands 2 ist eines meiner absoluten Lieblingsspiele. Mit dem Ableger von Telltale Games bin ich aber nie warm geworden, vor allem die ansonsten hochgelobte Story hat mich enttäuscht. Eventuell lag es auch dem arg in die Länge gezogenen Release-Zyklus, den ursprünglich monatlichen Vreöffentlichungsrhythmus konnten die Entwickler trotz brutalem Crunch nie einhalten. Ich konnte die fünf Episoden deshalb nur mit monatelangen Pausen spielen, was bestimmt seinen Einfluss hatte, wie man früheres Kurz-Review auch wiedergibt.

Vor einigen Jahren war das Spiel im PS+ Abo enthalten, und da ich bis vor kurzem eines hatte (vor der großen Umstellung, dazu kann ich nichts sagen), die Platin-Trophäe hier fast trivial zu holen ist und ich es als Vorbereitung auf einen erneuten Durchlauf zu Borderlands 3 (dann auch hoffentlich mit Review) nochmal spielen wollte, hab ich es auf die Festplatte der Konsole geladen und erneut durchgespielt.

Inhalt

Ungelenkt Schwach: die Technik

Screenshot: Entscheidungen in Gesprächen sollen sich später auswirken
Entscheidungen in Gesprächen sollen sich später auswirken

Für die Technik gilt das selbe wie vor sechs Jahren: da das Spiel auf einem tiefergelegten Toaster laufen muss, bleibt der Detailgrad der Grafik deutlich unter dem, was meine Plattform eigentlich stemmen könnte.

Deshalb sind Texturen, Detailgrad der Modelle und Beleuchtung eher einfach gehalten. Der für Borderlands typische Cel-Shading-Stil kann einiges Kaschieren, aber auch nicht unbegrenzt. Dank der Full-HD-Auflösung der PlayStation 4 ist immerhin Kantenbildung minimal. Das könnte ich alles noch verschmerzen.

Nicht gut sind dagegen die Animationen: Stocksteif wie ich sie schon lange nicht mehr gesehen haben, die Figuren wirken dadurch teils wie Fremdkörper in der Welt, als wären sie gar nicht wirklich da. Mein schlimmstes Beispiel sind die Fahrten mit einem Auto, die klar auf vorbestimmten und sehr groben Pfaden folgen, wodurch die Animation sehr unrund und teilweise "eckig" aussieht, speziell wen sie in eine Kurve fahren.
Auch und vor allem die Animationen der Figuren reihen sich da ein, wenn auch nicht ganz so schlecht. Aber diese steifen und ungelenken Figuren, das geht gar nicht. In einem schnellen Shooter, wo ich auf solche Details nicht achte, könnte da noch drüber weg sehen. Aber in einem Story-Adventure, dass seine Charaktere so in den Mittelpunkt stellt, müssen sie glaubwürdig animiert sein. Es wirkt fast so, als wären sich die Entwickler der Unzulänglichkeiten gar nicht bewusst gewesen, wie in Fire Emblem Three Houses.

Erwartet wenig: das Gameplay

Screenshot: Gezeichnete Zwischensequenzen fassen die Episoden zusammen - gut, wenn man sie nicht am Stück spielt, was ich aber nicht empfehle
Gezeichnete Zwischensequenzen fassen die Episoden zusammen – gut, wenn man sie nicht am Stück spielt, was ich aber nicht empfehle

Ich bin schon von vornherein mit der Ansicht an das Spiel herangegangen, dass das Gameplay sehr schwach bis nicht vorhanden sein wird. Und so kam es dann auch. Im Endeffekt ist Tales from the Borderlands ein langer Film mit gelegentlichen Quick-Time-Events und Dialog-Entscheidungen. Die Bezeichnung "Spiel" ist da schon grenzwertig.

Die Quick-Time-Events sind so simpel wie für diese Art des "Gameplay" üblich: Eine Taste drücken, den Stick in eine Richtung bewegen, auf eine Taste einhämmern, und das alles unter Zeitdruck. Da das Spiel auch auf einem Smartphone mit Touchbedienung funktionieren muss, ist einfach nicht mehr drin. Ich bin allgemein kein Freund von QTEs, ich bezeichne sie gerne als Ausrede für Gameplay. Am meisten stören sie mich hier, weil sie teils sehr überraschend kommen und ich bei dem langen zusehen der Story auf einmal schnell reagieren muss, worauf ich einige male überhaupt nicht vorbereitet war.

Selbiges gilt für die Dialoge. Gefühlt 90% laufen ohne mein Zutun hab, hin und wieder kann ich eine Entscheidung treffen. "Kann" ist hier das richtige Wort, weil nichts tun oder sagen in den meisten Fällen auch eine valide Entscheidung ist. Teils habe ich das unabsichtlich gemacht, weil mich das aufploppen einer Entscheidung überrascht hat und ich nicht schnell genug den Controller wieder in die Hand nehmen konnte um zu reagieren.

Screenshot: Rhys kann mit seinem kybernetischen Auge die Umgebung scannen
Rhys kann mit seinem kybernetischen Auge die Umgebung scannen

An einigen Stellen kann ich mit dem aktuell ausgewählten Charakter in einem sehr kleinen Areal umherlaufen. Die Interaktion beschränkt sich aber auf einige wenige Punkte, von denen ich den richtigen finden oder alle in der richtigen Reihenfolge abklappern muss. Die größte Schwierigkeit bereiten mir die teils sehr merkwürdigen und festen Kamerawinkel. Wirklich Rätsel nenne ich das aber nicht, dafür sind sie zu simpel gestrickt. Sie sollen das Geschehen etwas auflockern, aber mich stören sie eher. Eben weil der absolute Großteil des Spiels von mir keine Interaktion erfordert, da stechen solche, wenn auch sehr kurze, Abschnitte schon fast heraus.

Und wenn ich so darüber nachdenke: eigentlich hätte es das alles auch gar nicht gebraucht. Eigentlich hätte man alles an "Gameplay" raus streichen können und es als (evtl. interaktiven) Film vermarkten können, des hätte dem ganzen nicht geschadet. Eventuell sogar verbessert, es sich dann ganz auf seine (vermeintliche) Stärke hätte konzentrieren können: die Story.

Nicht mehr ganz so enttäuschend: die Story

Screenshot: Auch Handsome Jack spielt eine tragende Rolle
Auch Handsome Jack spielt eine tragende Rolle

Tales from the Borderlands spielt zwischen dem zweiten und dritten Teil. Bekannte Charaktere gibt es nur wenige, die meisten sind neu, vor allem die tragenden Rollen. Alte Bekannte gibt es nur in Nebenrollen, teils fast schon Cameo-Format. Einige der neuen haben dann (mehr oder weniger) tragende Rollen im aktuellsten Teil der Serie.

Protagonisten sind der Hyperion-Angestellte Rhys und die Trickbetrügerin Fiona, die zusammen mit ihren Freunden Vaughn und Sasha sich durch ein Abenteuer auf Pandora schlagen. Wie üblich geht es um einen Vault, um viel Geld und schlicht in dieser gnadenlose und komplett dem Wahnsinn verfallenen Welt zu überleben. Da keiner der vier Figuren ein ausgewiesener Kämpfer ist, müsse sie andere Wege finden. Sie schlagen sich vor allem mit Dialogen durch die Story.

Die meiste Zeit sind nicht alle vier Hauptdarsteller gemeinsam unterwegs, sondern kleineren Gruppen oder alleine. Ihre Wege kreuzen sich öfters, vor allem die Geschichten von Rhys und Fiona sind stark miteinander verwoben. Und das funktioniert auch besser, als ich es in Erinnerung hatte, was vor allem den gut geschriebenen Protagonisten und den fantastischen Sprechern leigt. Die weiteren sind zwar auch nicht schlecht geschrieben, aber haben maximal Nebenrollen. Charaktere kommen und gehen, ohne einen wirklichen Eindruck zu hinterlassen. Selbst neue wie der Ziehvater von Fiona und Sasha hat nur in der ersten Episode eine signifikante Rolle. Zudem war für ihre Sprecher wohl nicht das selbe Budget da, die fallen teils recht deutlich ab. Insbesondere der von Vasquez ist mir unpassend und irgendwie unangenehm in Erinnerung geblieben. Nicht wegen dem Charakter, sondern weil ich die Leistungen des Sperchers nicht wirklich gut fand.

Screenshot: Der Finger-Pistolen-Kampf ist eines der Highlights des Spiels
Der Finger-Pistolen-Kampf ist eines der Highlights des Spiels

Das viele der Charaktere keinen bleibenden Eindruck hinterlassen könnte auch damit zusammenhängen, dass Entscheidungen im Spiel ihm oder ihr das Leben kosten können. Damit die Geschichte trotzdem noch funktioniert braucht man ein Backup (wie in Mass Effect 3) oder zumindest einen Plan B. Und hier fällt Telltale öfters negativ auf, weil die Entscheidungen gar keine so große Tragweite haben, wie man annehmen könnte oder das Spiel suggeriert. Am Großen und Ganzen der Geschichte ändert sich nichts. Maximal der Weg zum selben Punkt. Zumindest soweit ich das noch in Erinnerung habe, ich bin nicht zurück gegangen und habe unterschiedliche Entscheidungen ausprobiert. Aber ich erinnere mich noch an das ein oder andere, was ich in meinem ersten Durchlauf anders gemacht habe, aber im Endeffekt hatte es kaum Konsequenzen. Daran krankte auch schon das Game of Thrones Spiel der Entwickler.
Speziell die Episoden starten und enden immer gleich, alles wird wieder auf einen Punkt gebracht. Es gibt kaum Elemente, die durch das ganze Spiel über konsequent durchgezogen werden. Die zweite und dritte könnte man fast komplett streichen, da sie eigentlich nur aus Sackgassen bestehen und die Geschichte nicht wirklich vorantreiben.

Dadurch fühlen sich die so hochgelobten Entscheidungen aber so bedeutungslos an. Andere Entwickler ziehen das konsequenter durch, wie CDProjekt bei The Witcher. Im zweiten Teil verpasst man einfach mal eine komplettes Kapitel, je nachdem, wie man sich entscheidet. Ich verstehe schon, dass man die Entwicklungskapazitäten für so ein Konzept erstmal haben muss, um quasi zwei komplett parallele Geschichten zu entwickeln und auch die Story entsprechend zu stricken. Aber da die "Spiele" von Telltale ansonsten nichts anderes zu bieten haben und ihre Stories und Entscheidungen so stark betonen, finde ich das, was dann rauskommt, arg enttäuschend. Es hilft auch nicht, dass öfters versucht wurde, Spannung und Dramatik aufzubauen, aber das passiert dann teils so unpassend, überzeichnet oder schlicht durchschaubar, das es zumindest bei mir nicht funktioniert hat. Dass ich schon wusste, wie es weiter geht und sich nichts groß daran ändert, dürfte seinen Teil dazu beigetragen haben.

Ein Punkt ist der für Borderlands typische, abefahrene Humor. Der ist auch hier vorhanden, abe kann bei weitem nicht das Niveau des zweiten Teils erreichen (und aus meiner Sicht auch nicht des dritten Teils). Zwar ist es das letzte Borderlands-Spiel unter Beteiligung von Anthony Burch, dem Lead-Writer von Borderlands 2, aber irgendwie zündet er nicht so. Bordlerands hatte schon immer einen ziemlich abgefahrenen und makaberen Humor ("I am the shinies meat bicycle"), aber hier wirkt es so erzwungen. Klar ist es eine andere Perspektive, eben weil man nicht alles und jeden über den Haufen schießt, das Pacing deutlich langsamer ist und man so gesehen deutlich näher dran ist. Aber dazu passt es für mich nicht so gut. Die wenigsten Szenen haben mir mehr als ein leichtes schmunzeln entlockt – die meiste eher gar keine Gefühlsreaktion.

Es dürfte deshalb niemanden überraschen, dass ich die Story nicht wirklich stark fand. Auf eine so Gute wie in Borderlands 2 zu folgen ist immer schwer, aber das hier kann für mich vorne und hinten nicht mithalten. Die Charaktere sind zwar sympathisch und gut geschrieben, aber nur die Protagonisten, die austauschenbaren Nebendarsteller fallen deutlich ab. Die Antagonisten sind vorhersehbar und größtenteils langweilig, Handsome Jack wirkt wie künstlich rein gestopft und gerade seine Twists arg an den Haaren herbei gezogen. Und dann natürlich die Sache mit Scooter, die, wie ich mittlerweile weiß, einen ernsten Hintergrund hat, aber einem so beliebten Charakter hätte man einen würdigeren Abschluss spendieren können. Ich halte mich mit weiteren Details nicht nur wegen möglicher Spoiler zurück, sondern auch, weil sie für mich nicht wirklich viel zu bieten hatte. Vor allem, weil so vieles im Nachhinein schlicht belanglos wirkt.

Fazit

Screenshot: Die Gruppe ist selten komplett und plant ihre nächsten Schritte
Die Gruppe ist selten komplett und plant ihre nächsten Schritte

Ich muss zugeben, ich hatte Tales from the Borderlands schlechter in Erinnerung. Das ich mit Quicktime-Events als Ausrede für Gameplay nicht warm werde, war mir schon beim ersten mal von Anfang an klar. Auch die Technik war eher schwach, dem geschuldet, dass die Spiele auf gefühlt jedem Toaster laufen musste.

Weil sich das Spiel aber so stark auf Story und Charaktere fokussiert, müssen die zumindest gut aussehen. Aber sind die detailarm und einfach animiert, speziell die Gesichtsanimationen sind rudimentär und ein Teil der Animationen sind so steif, dass sie aus dem letzten Jahrtausend stammen könnten. Teils wirken die Charaktere wie Fremdkörper in der Welt, als wären sie nachträglich reingeblendet.

Die Story hat mich auch nicht vollends überzeugt. Zwar kommt sie bei weitem nicht so schlecht weg wie vor sechs Jahren, aber mit den Vorbildern Borderlands 2 und Borderlands 3 kann sie nicht mithalten. Zwar gibt es mehr gute Szenen wie nur den Fingerpistolen-Kampf, aber das meiste wirkt so mittelmäßig und im Endeffekt belanglos. Und da habe ich die von Logiklöchern und Ausreden geplagten letzten Episode und den Pseudo-Entscheidungen noch gar nicht eingerechnet.

Und so ist Tales from the Borderlands zwar kein schlechtes, aber auch kein wirklich herausragendes Spiel und hat mich vor allem als Fan des Borderlands-Franchise enttäuscht. Da es aber viele mochten, produziert Gearbox selbst einen Nachfolger, mal sehen wie der wird. Zumindest im Auge behalten werde ich ihn, erwarte aber nichts.