Mit SpellForce – The Order of Dawn erschien 2003 ein gelungener Hybrid aus Rollenspiel und Echtzeitstrategiespiel. Im Gegensatz zum ein Jahr zuvor erschienen WarCraft 3 sind hier beide Teile annäherend gleichwertig, das Spiel von Blizzard ist ein Echtzeitstrategiespiel mit Rollenspielelementen. Da vor kurzem ein Stand-Alone Add-On für den zweiten Teil erschienen ist, habe ich die komplette Reihe noch einmal in Angriff genommen. Gute Spiele verlieren auch nach Jahren nichts von ihrem Spielspaß, mal sehen ob das bei SpellForce auch so ist.
Technisch war SpellForce zum Release auf der Höhe der Zeit, als Grafikmotor diente die KRASS-Engine, die eigentlich für den Unterwasser-Shooter Aquanox entwickelt wurde. SpellForce hat zwar komplett andere Anforderungen, trotzdem sah das Spiel damals klasse aus. Heute merkt man das Alter von fast neun Jahren natürlich, aber weit weniger stark als bei anderen Spielen. Das liegt vor allem an den Texturen, die bei höchster Stufe noch sehr scharf und detailiert sind. Zoomt man ganz nah heran oder spielt aus der Third-Person-Perspektive (was ich aber niemanden anrate, ist viel zu unübersichtlich und bringt keinerlei Vorteile), bemerkt man die Texturtricks und die Umgebungstexturen wirken nicht mehr so scharf wie aus der isometrischen Prespektive. Richtig matschig sind sie aber nie. Dass die Figuren und Gebäude für heutige Verhältnisse wenige Polygone aufweisen wird durch die Texturen ein Stück weit kaschiert. Insgesamt ist SpellForce aber grafisch weit weniger stark gealtert als andere Spiele und lässt sich heute noch gut anschauen. Mit einem Manko muss man aber heute leben: die Auflösungen der heute gebräuchlichen Breitbild-Bildschirme werden nicht unterstützt, man muss also eine annähernd passende wählen und mit der Skalierung leben.
Einige Zeit das Spiels verbringt man in Dialogen und Zwischensequenzen, hier fällt ein Manko auf: Die Figuren gestikulieren zwar, machen aber den Mund nicht auf. Gerade bei Nahaufnahmen wirkt das sehr merkwürdig. In anderen Spielen dieser Zeit gibt es das zwar auch nicht, aber da fährt die Kamera auch bei weitem nicht so nah an die Figuren heran und es fällt nicht mehr so auf. Zudem werden in Dialogen unten in den Ecken jeweils ein Portrait des Avatars des Spielers und des Gesprächspartners angezeigt. Diese bleiben aber völlig starr, ebenso wie die im Spiel selbst. Hier hatte WarCraft 3 zumindest Kaugummi-kauende Portraits, hier wirkt das alles etwas deplatziert. Mal ganz abgesehen davon, dass die Portraits im Interface viel Platz einnehmen. Dafür leisten die Sprecher größtenteils gute Arbeit, auch wenn sich die Stimmen oft wiederholen. Trotzdem werden die meisten Charaktere im Spiel passend vertont, mit einer großen Ausnahme: der männliche Hauptcharakter wird von einem durchweg gelangweilten Sprecher gesprochen. Da kommen kaum Emotionen rüber und wenn er es mal probiert wirkt es sehr aufgesetzt.
Ein etwas ärgerlicher Punkt: in Zwischensequenzen und Dialogen läuft das Spiel einfach weiter. Mir ist es schon passiert, dass ich mit ansehen musste, wie im Dialog Gegner meine Basis angreifen. Dialoge kann man dann abbrechen, muss sie dann aber erneut starten. Bei Zwischensequenzen geht das nicht, was mir schon die ein oder andere böse Überraschung beschert hat. Zwar war keine davon so schlimm, dass ich neu Anfangen musste, ärgerlich sind sie trotzdem.
In anderen Ton-Bereichen gibt sich das Erstlingswerk von Phenomic kaum Blöße, Sound-Effekte und Musik sind auf hohem Niveau. Leider hört man gerade von letzterer oft nichts, da SpellForce eines der ersten Spiele in meiner Sammlung war, welches auf dynamische Musik setzte. Statt also immer die gleichen Stücke in einer festen Rotation zu spielen, wurde das Stück anhand der Spielsituation ausgewählt. Leider war das System noch nicht ganz ausgereift, was dazu führte, dass man oft minutenlang gar keine Musik hört. Wird dann ein Jäger von einem Bären angegriffen startet die Kampfmusik, nur um nach gefühlten 3,5 Sekunden wieder abrupt abgewürgt zu werden. Teilweise wird die Musik auch anhand der Position des Avatars ausgewählt, z.b. kommt in manchen Städten das dazu passende Stück. Das klappt wieder sehr gut, wobei die Musik auch hier wieder abgewürgt wird, sobald der Avatar den Bereich verlässt.
Nachdem technisch alles noch passt, wie sieht es spielerisch aus? SpellForce bestach damals dadurch, ein echter Hybrid aus Rollenspiel und Echtzeitstrategie zu sein. Nachdem heute die Echtzeitspiele eher dazu zu tendieren, immer schneller zu werden und auf komplexere Features zu verzichten, merkt man SpellForce an dass es aus einer anderen Epoche kommt. Insgesamt ist die Spielgeschwindigkeit eher gemächlich, kein Vergleich zu den actionlastigen Spielen wie StarCraft 2 oder Dawn of War. Der Aufbau einer Siedlung dauert seine Zeit, das Abbauen von Ressourcen geht nicht im Akkord und auch die Produktion mancher Einheiten kann eine ganze Weile in Anspruch nehmen. Da der Aufbauteil auch noch sehr Umfangreich geraten ist (sechs Völker verteilt auf zwei Fraktionen und jeweils ~20 Gebäuden, dazu sechs Ressourcen und jede Rasse braucht eine andere Kombination) verbringt man einiges an Zeit mit Aufbauen und vor allem warten. Da zudem die Karten allesamt riesig sind, muss man sich auf lange Laufwege einstellen. Dafür sind die Karten durch die Bank gut und sehr stimmig gestaltet, viele kleine, versteckte Details belohnen jede Erkundungstour. Manche sind aber wirklich gut versteckt, in einem anderen Kamerawinkel die Karte absuchen lohnt sich.
Im Kampf selber kommt es weniger auf schnelle Reaktionen und Micromanagement als auf die richtige Zusammenstellung der Armee und die allgemeine Positionierung an. Micromanagement wie in StarCraft ist gar nicht möglich, dafür reagiert das Interface zu träge und ist nicht präzise genug. Mit dem Click&Fight-System kann man aber die Zaubersprüche in großen Massenschlachten besser einsetzen. Dabei kann man sich aber nur auf die große Gegner konzentrieren, die kleineren erwischt man fast nicht. Positionsvorteile bekommt man zu Beginn quasi hingeworfen, später arbeitet das Design der Karten schon mal gegen den Spieler. Das Ausnutzen von Engstellen und Höhenunterschieden kann gerade bei der Verteidigung den Unterschied machen. Der normale Schwierigkeitsgrad ist nicht so schwer, sofern man die richtige Taktik hat – ansonsten fährt man sich gerne mal fest und bringt sich in fast aussichtslose Situationen.
Wichtigster Bestandteil einer Armee ist natürlich der Avatar, der immer die stärkte Einheit darstellt (zum Rollenspielsystem später mehr). Dazu braucht man eine ausgewogene Mischung aus Nah- und Fernkämpfern, wobei ein Verhältnis von 1 zu 3 aus meiner Sicht passt. Nahkämpfer stehen sich gerne gegenseitig im Weg, speziell wenn man an Engstellen kämpft. Dazu sollten 10-20% der Armee aus Heilern bestehen, zumindest wenn man mit den hellen Völkern (Menschen, Elfen, Zwerge) kämpft. Die dunklen Völkern (Orks, Trolle, Dunkelelfen) verfügen über keine Heiler, man muss mehr auf brachiale Gewalt setzten, wird aber mit durchweg durchschlagkräftigen Einheiten belohnt. Erledige die Gegner schneller als sie dich erledigen lautet dann das Motto.
Viele Einheiten verfügen über Spezialfähigkeiten, die sie, genügend Mana vorausgesetzt, automatisch einsetzten. Das und die Wegfindung klappen sehr gut, auch wenn die Armeen bei längeren Laufstrecken zum Gänsemarsch tendieren und nicht in Formation marschieren. Auf schwer verletzte Einheiten, die sich nur noch sehr langsam fortbewegen, wird keine Rücksicht genommen. Generell verrichtet die künstliche Intelligenz aber ihre Arbeit gut. Aber auch hier gibt es eine Ausnahme: den Avatar. Wenn man wie ich einen Nahkämpfer spielt greift er nur automatisch an, wenn er selbst von Nahkämpfer angegriffen wird. Ansonsten steht er nur herum, wird von gegnerischen Fernkämpfer ohne jede Reaktion getötet oder schaut dabei zu, wie seine Kameraden abgeschlachtet werden. Hier hätte ich zumindest erwartet, dass er Gegner in einem gewissen Umkreis automatisch angreift oder wenn er selbst angegriffen wird – beides passiert aber nicht.
Aber nun zum Rollenspielsystem: Der Avatar ist dabei das Kernstück. Er oder sie hat sieben Attribute, die für jede Ausrichtung mehr oder weniger nützlich sind. Dazu kann er oder sie in sieben Kampf- und Magiearten mit jeweils zwei bis vier Unterkategorien geschult werden, Einschränkungen gibt es quasi keine. Ein Zweihandschwert-schwingender-Illusions-Eismagiehexer? Kein Problem. Sofern man genug Fähigkeitspunkte hat, von denen man bei jedem Levelaufstieg zwei bekommt. Letztlich macht es aber mehr Sinn, sich auf maximal zwei Hauptkategorien und jeweils zwei Unterkategorien zu spezialisieren, damit man zumindest eine der Fähigkeiten in den zweistelligen Bereich bekommt und die andere auch die Gegend von 6 – 8. Mehr als Stufe zwölf geht aber auch nicht, zudem sind sie an Attribute gebunden. So braucht man, um zum Beispiel die hohen Stufen in Elementarmagie/Feuer freizuschalten, hohe Werte an Intelligenz und Weisheit.
Attribute und Resistenzen gegen die unterschiedlichen Magiearten können durch Ausrüstung verbessert werden, die Rüstungswerte nur dadurch. Neben Waffen, Rüstungen oder Helmen findet der Held in Kisten oder bei toten Gegnern Spruchrollen, mit denen neuen Zaubersprüche gelernt werden können, sofern man in der entsprechenden Magieart bewandt ist. Vieles davon bleibt also unbrauchbar, was man bei Händlern für harte Münze wieder los wird. Die behalten es, sollte man es später doch noch brauchen kann man zum entsprechenden Händler zurück und die Sachen für ein vielfaches des Preises (und damit meine ich eine wirklich eklatante Steigerung) wieder zurückkaufen – sofern man den Händler noch findet. Auch an Gegenständen findet man viel Krempel, vor allem oft das gleiche. Zehnmal das gleiche Schwert im Inventar ist keine Seltenheit. Das Inventar selbst ist unbegrenzt groß und verfügt über eine Sortierfunktion, die gleichartige Gegenstände der Stärke nach sortiert. Leider fehlt eine Vergleichsfunktion, man muss die Attribute im Kopf vergleichen und dann entscheiden, was besser ist. Heute ist das Standard, 2003 nicht, für jeden mit etwas Hirnschmalz aber kein Beinbruch.
Eine weitere Besonderheit sind Runen, die man findet. Neben dem Avatar, der selber ein Runenkrieger ist (mehr dazu später bei der Story), können damit weitere Helden beschworen werden. Diese kann man ebenfalls mit Gegenständen ausrüsten, das war es aber auch schon. Sie sammeln keine Erfahrungspunkte, man kann ihre Fähigkeiten nicht verändern, sie spielen keine Rollen in der Geschichte und sind auch ansonsten gesichtslose Niemande. Immerhin kann man mit ihnen Defizite in der Gruppe ausgleichen, ohne einen Heiler kommt man nie weit. Spielt man selbst keinen, bekommt man zumindest auf diese Weise einen in die Gruppe. Allerdings sind entsprechende Monumente nicht auf allen Karten verfügbar, selber einen Heiler zu spielen hat also große Vorteile und macht vieles soweit einfacher, dass man einige Karten im Alleingang bewältigen kann. Das geht ansonsten nur in Ausnahmefällen, bei wenigen und schwachen Gegner, oder nur teilweise. Alleine wird man schnell umzingelt und dann ist der Tod des Avatars nicht mehr abzuwenden.
Auch ansonsten ist es sehr schlecht, wenn der Avatar ins Gras beißt. Zwar wird er einfach am nächsten Seelenstein wiederbelebt, allerdings verliert man seine komplette Armee in einem Umkreis des Todesortes auf einen Schlag – viele teure Einheiten sind dann weg, sie zu ersetzten dauert entweder ewig oder geht gar nicht – einen Spielstand laden ist hier das Mittel der Wahl. Andere Einheiten sind nicht so tragisch, sofern man über genug Ressourcen verfügt. Am wenigsten machen die weiteren Helden aus, da man sie am nächsten Helden-Monument einfach wiederbelebt – außer Zeit verliert man gar nichts. Außer es trifft den Heiler, dass kann eine Schlacht schon mal zum schlechten wenden – auf ihn (oder sie) sollte man also besonders aufpassen, sofern es nicht schon der Avatar selbst ist.
Wie schon gesagt, verfügt SpellForce über einen umfangreichen Aufbauteil. Im Verlauf der Kampagne spielt man jede der sechs Rassen, streng nacheinander. Jede hat ihre eigenen Gebäude, Einheiten sowie Vor- und Nachteile. Während die Menschen als relativ ausgewogene Rasse einen gute Einstieg bieten, spielen sich die in Fernkampf und Eismagie besonders begabte Elfen ein Stück anders. Das komplette Kontrastprogramm dazu sind die Zwerge, die quasi keine Fernkämpfer (eine Einheit lässt sich dazu upgraden) und keine Magier in ihren Reihen haben. Jede Rasse braucht auch andere der sechs Ressourcen: Menschen alle der normalen Holz, Steine und Eisen, Elfen viel Holz und ein wenig Eisen, Zwergen viel Steine und Eisen. Dazu kommen die seltenen Ressourcen Aria (eine Art magisches Wasser, für Menschen), Lenya (magische Pflanzen, für Elfen) und Mondsilber (magisches Metall, für Zwerge). Im späteren Spiel verfügt man häufig über Basen von zwei Rassen (im Finale sogar alle drei der jeweiligen Fraktion), war zwar einen höheren Verwaltungsaufwand bedeutet, sich aber gegenseitig ergänzen. Elfen brauchen z.b. für zwei ihrer stärksten Einheiten Eisen, können es aber selbst nicht abbauen. Da sich die Völker einer Fraktion aber ihre Ressourcen teilen ist das kein Problem, sofern man zusätzlich über eine Menschen- oder Zwergen-Siedlung verfügt. Auch teilen sie sich das Militär-Einheitenlimit, das immer bei maximal 80 liegt und mit Nahrung von Anfangs 10 Stufenweise aufgestockt werden kann. Arbeiters zählen für jede Rasse separat, ihr Limit wird der Errichtung der jeweilige Haupthäuser eine Rasse erhöht.
Auf der Seite der dunklen Völker ist das ähnlich: die eher tumben Trolle sind starke Nahkämpfer, haben mittelprächtige Fernkämpfer und keine Magier, brauchen dafür aber keine der seltenen Ressourcen. Die Dunkelelfen setzen voll auf schwarze Magie, haben aber nur sehr fragile Einheiten und brauchen viel Aria und Mondsilber für ihre stärksten Einheiten. Die Orks bieten da eine gute Mischung, ihre magische Ausrichtung setzt auf auf Schaden ausgerichtete Feuermagie, als Basis dafür dienen Lenya-Pflanzen. Ihre stärksten Nahkämpfer kommen aber mit Eisen aus. Allen drei gemein ist, dass sie über keine heilenden Einheiten verfügen und die automatische Regeneration ist zu langsam, um wirklich nützlich zu sein.
Ähnlich wie die Runen für weitere Helden findet man im Spiel nach und nach die Arbeiterrunen für die jeweiligen Völker, wodurch man die entsprechenden Monumente einnehmen und Arbeiter produzieren kann. Pläne für Einheiten und Gebäude findet man ebenfalls im Verlauf der Kampagne, zu Beginn ist die Auswahl noch stark eingeschränkt. Später werden die Siedlungen aber immer größer und da die Gebäude aller Völker alles andere als kompakt sind muss man viel Platz für seine Siedlung einplanen. Immerhin erzwingt das Spiel einen gewissen Abstand zwischen den Gebäude, sodass man sich nie einbaut. Selbst die Titanen, die größte und stärksten Einheiten jedes Volkes, passen Problemlos durch eine dichte Reihe von Verteidigungstürmen.
Eine weitere Besonderheit ist das Upgradesystem. Upgrades kosten nicht gerade wenig, sind aber schnell erforscht – und gelten nur für zukünftige Einheiten. Während in anderen Echtzeitstrategiespielen auch Einheiten im Feld die neue Rüstung oder Waffen bekommen, gilt das in SpellForce nur für danach produzierte Einheiten. Entweder man wartet also bis man genug Ressourcen für das Upgrade hat oder man hat zwei Varianten der gleichen Einheit.
Da in SpellForce eine gehörige Portion Rollenspiel steckt ist die Geschichte nicht ganz unwichtig. Die Kampagne beginnt mit einem Renderintro, das nach heutigen Maßstäben natürlich nicht mehr ganz vorne mitspielt, aber seinen Zweck erfüllt. Die Geschichte beginnt acht Jahre nach der sog. Konvokation, ein Ereignis, wodurch der Kontinent Fiara in viele Inseln zerrissen wurde. Nur dem Magier Rohen, der Portal zwischen den Inseln errichtet hat, ist es zu verdanken, dass Reisen zwischen den Inseln noch möglich sind (Schifffahrt scheint man da nicht zu kennen). Da er große Ereignisse vorhersieht, beschwört er einen Runenkrieger, der als Avatar für den Spieler dient. Diese Krieger dienten im Krieg zwischen den dreizehn Zirkelmagiern vor der Konvokation als Armeeführer für die jeweiligen Magier. Da ihre Seele an Runen gebunden wurde, waren sie die idealen Untergebene: immer Loyal und nach ihrem Tod einfach wiederbelebbar. Nach dem Konvokationskrieg wurde keine Runen mehr eingesetzt, da außer Rohen auch keiner der Magier des Zirkels überlebt hat – dachte man zumindest.
Neben dem Avatar spielen der Magier Rohen sowie ein weiterer, in eine dunkelrote Kapuze gehüllter Zirkelmagier die Hauptrolle. Die Hauptgeschichte dreht sich um den Kampf gegen die Eisernen, ein Volk von Krieger, geschaffen vom Meisternekromanten Hokan Ashir. Jetzt hat sie der dunkle Zirkelmagier unter seiner Kontrolle und verfolgt damit seine eigenen Ziele, die es zu unterbinden gilt. Die über 40stündige Hauptstory, die sich über 21 Karten (plus eine für den Prolog) erstreckt, ist durchweg gut mit Dialogen und Zwischensequenzen inszeniert. Das Ende hinkt dem ganzen aus meiner Sicht etwas hinterher, da es von der Idee her nicht gerade alltäglich ist und erst nach einigem Nachdenken klar wird. Mir wurde es erst völlig klar, als ich die Kommentare einer der Entwickler im offiziellen Forum gelesen hatte (Spoiler Alarm ist hier offensichtlich). Das liegt aber auch daran, dass der Epilog sehr sparsam mit Informationen umgeht.
Dazu kommen die zahlreichen Nebenquests mit denen man nochmal einige Stunden verbringen kann. Das Schema der Sammel- und Bring-Quests ist zwar allgegenwärtig, die Nebenquests sind aber immer in kleine Geschichten eingebettet, sodass sie nicht langweilig werden. Teilweise sind sie auch mit der Hauptquest verknüpft, ohne aber direkten Einfluss zu nehmen. Erfahrungspunkte, Geld und gute Gegenstände liefern sie allemal. Die besten Waffen und Rüstungen bekommt man nur auf diesem Weg. Manchmal kann man auch Entscheidungen treffen, die auf die Hauptstory aber keine Auswirkungen haben. Beispiel gefällig? Im Spoiler habe ich ein Beispiel einer Nebenquest beschrieben, die man nach ungefähr einem Drittel der Spielzeit annehmen kann. Die Geschichte hat keinen Einfluss auf die Hauptstory und es sind auch keine Spoiler dafür enthalten, nur für die Nebenquest selber.
Es lohnt sich nicht nur wegen der kleinen Geschichten und den obligatorischen Erfahrungspunkten und Geld die Nebenquests zu verfolgen, man bekommt auch die besten Rüstungen und Waffen im Spiel über sie. Was mir erst jetzt auffiel: es sind bereits einige Hinweise auf die Geschichte der Add-Ons sowie des zweiten Teils versteckt. Man begegnet hier bereits den Schatten, die im zweiten Teil eine wesentlich größere Rolle spielen. Die Geschichte rund um Rohen wird aber abgeschlossen, der Avatar hat aber noch nicht Feierabend…
Oft muss man für Nebenquests Karten mehrmals besuchen, die sind aber meistens wieder leer bzw. nur die für neue Aufgaben relevanten Gegner sind darauf. Hat der Avatar ein entsprechend hohes Level erreicht, kann man diese dann häufig im Alleingang lösen. Ansonsten muss man sich eine neue Siedlung aufbauen, da nach dem verlassen einer Insel alle Einheiten und Gebäude verschwinden. In der Hauptgeschichte besucht man mit der Ausnahme von Graufurt, welches als Knotenpunkt dient, keine Karte doppelt.
Auch die Umgebungen sind sehr Abwechslungsreich: während man zu Beginn noch in üppig grünen Gegenden unterwegs ist, kommt man über das sehr bergige Land der Zwerge und einem Abstecher in die Düsterlande, wo die größten Schlachten vor der Konvokation wüteten und dementsprechend Wüsten dominieren, zum Abschluss in eher kalte Regionen (ein wenig ein Vorgeschmack auf das erste Add-On). Allen Karten ist gemein dass sie geradezu riesig sind, lange Laufwege für neu produzierte Einheiten sind damit vorprogrammiert. Das und der langatmige Aufbauteil führt zu einer stark gestreckten Spielzeit mit viel Leerlauf. Das ist auch mein größter Kritikpunkt am Spiel. Da das Spiel angehalten wird, wemm man es mit Alt+Tab minimert, habe ich währenddessen viel gelesen (analog oder über den im Steam Overlay integrierten Abklatsch des Internet Explorers).
Die Aufgaben auf den Karten sind ebenso Abwechslungsreich wie die Karten selber. Zwar dominieren typische Aufbaumissionen, auf einigen Karten ist man nur mit seiner Heldentruppe unterwegs. Das häufigste Ziel ist das Portal zur nächsten Insel zu erreichen, die Wege dorthin sind aber immer unterschiedlich. Auf der einen Karte muss man einfach nur die gegnerische Streitmacht besiegen, auf der nächsten ist das nur mit Hilfe mystischer Wesen möglich, die man erst einmal auf seine Seite bringen muss. Ein anderes mal muss man eine besonders starke Einheit durch die Lager der Eisernen locken, da sie die einzige ist, die es mit den vielen Gegner aufnehmen kann. Auch Verteidigungsmissionen sind zumindest als Teilziel dabei. Letztendlich muss man aber immer ausrücken und zum Portal durchbrechen. Eine Ausnahme ist die Portalfeste in Graufurt, deren mehrere Portale man nach und nach freischaltet. Zudem gibt es ein Schnellreisesystem, mit dem man direkt an bestimmte Punkte der jeweiligen Karten springen kann, sofern man die entsprechenden Seelensteine gefunden hat.
Ein wichtiger Punkt sind die Monumente: sobald man eines besetzt hat erscheinen in den Lagern der Gegner Respawn-Punkte (sehen ein wenig wie durchsichtige Brunnen aus), in denen immer wieder Gegner einfach erscheinen. Das geht solange weiter bis man alle Gebäude in der näheren Umgebung dem Erdboden gleich gemacht hat, theoretisch also unendlich lange. Da die Gegner keinen Basenbau betreiben, lässt sich die Produktion auch nicht stören – neue Gegner erscheinen immer weiter und wenn eine bestimmte Zahl davon erreicht ist, greifen sie an. Häufig muss man deswegen lange warten, bis man eine ausreichend große Streitmacht aufgestellt hat, um die Gegner zu überrennen. Alternativ kann man auch versuchen, ohne ein Monument einzunehmen die Gegner allein mit dem Avatar zu besiegen. Dann erscheinen keine neuen Gegner, aber man ist auf sich allein gestellt. Eine Kombination aus schwerem Nahkämpfer und Heiler ist hier besonders im Vorteil, andere Kombinationen beißen bei entsprechend vielen Gegner schnell ins Gras. Es lohnt sich aber, zumindest zu Beginn der Mission sich um zu schauen und kleinere Lager ungefährlicherer Gegner direkt zu erledigen – damit erspart man sich unter Umständen viel Ärger.
Erkundungstouren lohnen sich auch deswegen, da der Nebel des Krieges nur sehr langsam die Karte wieder zudeckt – man sieht also lange und weit im voraus, wenn Gegner anrücken. Leider gilt das nicht, wenn man einen Spielstand lädt – dann sieht man nur, was im aktuellen Sichtbereich aller Einheiten und Gebäude ist, alles andere ist wieder komplett verdeckt – man muss also erneut ausrücken, das am besten mit dem Avatar, da er eine sehr große Sichtweite hat. An vielen Stellen der Karten sind Kisten und Leihnahme mit Gegenständen oder Nebenquests versteckt, teils genau so, dass man sie in der Standard-Kameraansicht nicht oder nur sehr schwer sieht. Nach einer Weile hat man aber raus, wo es solche Orten geben kann und findet sie schneller. Praktisch: mit gedrückter rechter Maustaste kann man schnell die ganze Karte überfliegen. Das erinnert von der Steuerung her an die alten Siedler-Teile – in Anbetracht des Entwicklerteams um Siedler-Erfinder Volker Wertich auch kein Wunder. Scrollen am Rand wie es heute Standard ist geht natürlich auch, dauert aber gerade bei den riesigen Karten länger und ist aus meiner Sicht unkomfortabler.
Fazit: auch in den fast neun Jahren, seitdem SpellForce auf dem Markt ist, hat es wenig von seinen Qualitäten verloren. Die Grafik sieht immer noch gut aus, Musik altert sowieso nicht und auch das Gameplay ist heute noch gut dabei, wenn nicht sogar eine willkommene Abwechslung zu den an Reizüberflutung grenzenden Echtzeitstrategiespielen von heute. Das Ende ist zwar ein schwerer Brocken, trübt den Gesamteindruck aber kaum.
Mein größter Kritikpunkt ist vor allem das alles so langatmig ist: Der Aufbauteil ist sehr groß und dauert jedes mal ewig. Die riesigen Karten führen zu langen Laufwegen für neu produzierte Einheiten, was zu noch mehr Leerlauf führt. Durch die unendlich nach spawnenden Gegner muss man lange warten, bis man eine ausreichende Armee aufgestellt hat. Also wieder warten. Von den über 50 Stunden Spielzeit sind bestimmt ein viertel nur Warterei. Auch Nebenquests werden nicht verschont, hier stören hauptsächlich die lange Laufwege wieder, auf denen absolut gar nichts passiert.
Wenn man sich aber die Zeit nimmt (und was anderes findet, was man nebenher machen und jederzeit unterbrechen kann) bekommt man durchweg rundes Spiel.