Borderlands war 2009 ein Überraschungshit: die Mischung aus Shooter und Action-RPG mit Cel-Shading Grafik funktionierte vor allem kooperativ sehr gut. Ein Nachfolger war daher nur eine Frage der Zeit und knapp 3 Jahre später erschien er im Herbst 2012. Für mich etwas unglücklich getimed (eine Woche vor dem WoW-AddOn) bin ich erst jetzt zum spielen gekommen. Borderlands war sehr gut, aber hatte auch einige Schwächen, wie die nutzlosen Fähigkeiten der Klassen. Ob sich das geändert hat kann ich nun sagen.
Grafisch fällt natürlich sofort wieder die stilsichere Cel-Shading-Grafik auf: statt feiner Texturierung sind die meisten Flächen mit einfarbigen Flächen überzogen und mit dicken, schwarzen Rändern versehen. Wobei trotzdem noch viel Details zu erkennen sind, es ist keine komplette Comic-Grafik. Das ganze Setting des trostlosen Planeten Pandorra wirkt auch wesentlich düstere als die sonst üblichen Spiele mit Comic-Grafik. Im Hintergrund werkelt wieder die Unreal Engine 3, entsprechen detailliert sich auch die Modelle und Umgebunden. Generell gibt es aber keinen großen Schritt im Vergleich zum Vorgänger, beide bewegen sich auf sehr ähnlichem Niveau.
Die Umgebunden sind abwechslungsreicher als im ersten Teil: war man hauptsächlich in grau/braunen Einöden unterwegs, ändert das der Nachfolger gleich zu beginn: man startet zwar wieder in einer Wüste, aber eine von Eis überzogene. Später geht es wieder in ähnliche Gebiete wie im Vorgänger, dazu wesentlich grünere Regionen (wobei sich das nur auf die Texturen bezieht, Bäume oder ähnliches ist nachwievor Mangelware und es erinnert etwas an die leeren Planeten aus Mass Effect, wenn auch bei weitem nicht so leer es gibt viele Flüsse, Höhlen und Bauten), die hochtechnisierte und klinisch reine Stadt Opportunity oder eine mit giftigen Schleim verseuchte Höhlenregion. Ort aus dem Vorgänger besucht man auch, welche man aber fast nicht wieder erkennt. Insgesammt sind die Umgebungen wesentlich abwechslungsreicher geworden, ein negativ Punkt des Vorgängers abgearbeitet.
Auch an der Audio-Front liefern die Entwickler von Gearbox mehr als solide Arbeit ab. Die Musik besticht mit ihrem Western-SciFi-Orchestral Mix, wobei letztere den kleinsten Teil einnimmt. Die Soundeffekte sind auch aufm hohem Nivea, Shotguns krachen wie sie sollten und auch alle anderen Waffen verfügen über passenden Sounds. Eine besonderes Lob verdienen die (englischen) Sprecher, welche durch die Bank einen fantastischen Job machen, allen voran Dameon Clarke, die Stimme des Gegenspielers Handsome Jack. Wie hier er überhebliche Wahnsinn des Charakters portraitiert sucht seines gleichen.
Wo wir schon bei den Charakteren sind: wieder haben sich die Entwickler viele abgefahrene und komplett verrückte Gestalten ausgedacht, zusätzlich zu den vielen, die im ersten Teil dabei waren. Einen großen Teil nehmen dabei die Vault Hunter des ersten Teils ein, welche nun als NPC auftauschen – Borderlands 2 führt ein neues Team aus vier (mit den DLCs sechs) Vault Huntern ein. Aber auch andere bekannte wie Mad Moxxi, den Waffenhändler Marcus, Dr. Zed (immernoch ohne Zulassung) und natürlich den Fan-Favorit CL4P-TP aka Claptrap sind wieder dabei. Hin und wieder werden auch Erklärungen für das Verhalten der Charaktere geliefert, welche durch die Bank einen Dachschaden haben. Vieles erfährt man dabei aus den Echo-Logs, welche ähnlich wie die Audiologs aus BioShock funktionieren. Leider habe ich keine Möglichkeit gefunden, sie nach dem auffinden nochmals anzuhören, eine entsprechende Funktion wie im ersten Borderlands ist in keinem der Menüs zu finden.
Wesentlich besser ist diesemal die Story ausgefallen, was auch den besseren Charakteren im Fall der alten Vault Hunter liegt. In Borderlands wirkte sie mehr wie zwecksmäßiges Beiwerk damit der Spieler nicht nur mordent durch die Gegend läuft und Zeug einsammelt, in Borderlands 2 entwickelt sie mehr Tiefe und liefert sogar die eine oder andere Überraschung. Zwar ist es damit kein Story-Schwergewicht, im Shooter-Genre liegt sie qualitativ aber eher am oberen Ende. Nachdem die ersten Vault Hunter den Vault geöffnet haben hat Handsome Jack die Kontrolle über Pandorra übernommen, nicht zuletzt seiner Stellung als Chef von Hyperion und dem Auftauchen eines Minerals namens Eridium zu verdanken. Dabei stilisiert er sich zwar als Retter auf (und behauptet u.a. den Vault geöffnet zu haben), ist aber eigentlich nur ein rücksichtsloser Dikator. Um den ehemaligen Vault Hunter Roland hat sich eine Widerstandsbewegung gebildet, welche Jack das Handwerk legen will und den Spieler die Story über unterstützt.
Neben der Hauptstory gibt es auch wieder viele kleine Geschichten, u.a. hat die Sirene Lilith aus dem ersten Teil ausversehen einen Kult gestartet. Oder man soll nur für die Unterhaltung von Scooters Schwester (er ist bekannt dafür dass er die Catch-A-Ride-Stationen betreibt) zwei Banden zu einem offenen Krieg anstiften soll. Eine Arena-Questreihe ist diesemal auch wieder dabei, aber von kleinerem Umfang. Insgesamt sind die Aufgaben sowohl in Haupt- als auch Nebenquests sind wesentlich abwechslungsreicher als im ersten Teil, in der es hauptsächlich generische Kill-Quests waren und es erst mit den DLCs merklich besser wurde. Ein wenig schade ist, dass die Nebenquests hauptsächlich bereits besuchte Orte spielen, wobei die Gegner teilweise mitleveln.
Auch bei den Gegner gibt es neue Typen: sind einem im Vorgänger hauptsächlich Banditen vor die Flinte gelaufen ist die Abwechlsung auch hier größer. Die Gesetzlosen gibt es nachwievor zu hauf, aber auch von Pandorras Fauna wird mehr gezeigt. Mit den neuen Umgebungen wurde auch viele dazu passende Gegner eingeführt, wie die in eisigen Regionen beheimateten Bullymongs oder die wärmeren Gebieten zu findenen Stalker, welche sich tarnen können. Jeder der Gegner verfügt wieder über einen Schwachpunkt, Treffen an den Empfindlichen Stellen verursachen einen vielfaches an Schaden. Besonders extrem ist das bei den in Höhlen anzutreffenden Crystalisks, welche ansonsten unverwundbar sind.
Spielerisch stechen vor allem die neuen Klassen hervor: zwar entsprechen sie immernoch den vier aus dem Grundspiel (Soldat -> Commando, Berserker -> Gunzerker, Hunter -> Assassin, Siren -> Siren), wurden aber stark überarbeitet. Vor die aktiven Fähigkeiten sind nun durch die Bank brauchbarer. In Borderlands war eingentlich nur der Geschützturm des Soldaten nützlich, die anderen zu schwach und/oder gefährlich einzusetzten. Das ist nun aber nichtmehr der Fall: Der Commando hat mit seinem Turm immernoch die nützlichste Fähigkeit, aber das Phaselock der Siren und der Dual-Wield-Modus des Gunzerkers sind wesentlich besser als die nutzlosen Fähigkeiten ihrer Vorgänger (die anderen Klassen hab ich noch nicht gespielt und spare mir deshalb ein Urteil). Dazu wurden die Cooldowns merklich reduziert. Zu allem Überfluss gibt es für jede Klasse wieder je drei Talentbäume mit passiven Talenten. Hier hat man die Qual der Wahl, komplett nutzlose habe ich noch keine entdeckt, es hängt viel vom Spielstil ab. Es sollte aber für jeden genug nützliches dabei sind, ich hätte gerne mehr Punkte verteilt.
In den Gefecht kann man ein Effektfeuerwerk abbrenne, voraussgesetzt man hat Waffen mit Elementareffekten. Oder die passenden Gegner.
Das Waffenarsenal ist wie vom Vorgänger bekannt groß, da wie meisten Waffen zufällig generiert werden. Allerdings ist es kein solches Desaster wie in Diablo 3, wo man unter Tonnen von Müll nur wenig brauchbare Gegenstände gefunden hat. Alle Waffen sind brauchbar, auch wenn sie nicht unbedingt zum Spielstil passen. Das kommt vor allem daher, dass es keine Attribute wie in „normalen“ Rollenspielen gibt. Stattdessen haben die Waffen Attribute, welche sich aber immer zu einem gewissen Grad ausgleichen. Soll die Waffe ein größeres Magazin haben oder soll sie schneller nachladen? Einen großen Faktor stellen hierbei die Hersteller, welche die Grundcharakteristika darstellen. Waffen von Hyperion sind sehr präzise, Jacobs richten sehr viel Schaen an und die Waffe der Banditen haben die größten Magazine, verziehen aber relativ stark. Eine Besonderheit sind die Waffen von Tediore, welche Einweg-Waffen sind: ist sie leergeschossen wirft man sie wie eine Granate auf den Gegner, welche mehr Schaden anrichten je mehr Schuss noch im Magazin waren. Praktisch, aber etwas ungewohnt: ich gehe normalerweise gleich in Deckung wenn ich nachladen, was dazu führt dass ich die Einwegwaffe gegen die Deckung werfe und mir selber Schaden zufüge.
Die Waffen gibt es wieder in den Kategorien Assault Rifle, Submashine Gun, Shotgun, Sniper, Pistol, TMP und Explosive. Jede Klasse bevorzugt dabei eine andere und kommt kleinere Boni, im Prinzip kann aber jede mit allen umgehen. Die Elementareffekte sind auch wieder mit von der Partie und können eine Waffe stark verstärken. Hat man einmal eine gute gefunden gibt man sie nicht mehr so schnell wieder her, sich nur darauf zu versteifen bringt aber nicht viel da die Gegner teilweise Resistenzen gegenüber bestimmten Effekten haben, was man aber schnell merkt. Zu den Waffen gibt es noch Schilde, Granademods, Artefakte (verbessern besimmte Aspekte) und die Classmods für jede Klasse. Blöd ist dass die tragbaren Healthpacks entfallen sind, was vor allem zu beginn den Schwierigkeitsgrad nach oben verschiebt. Man kann sich nur noch an Automaten heilen, sollte man keine entsprechenden Classmods oder Schilde finden, welche aber meiner Erfahrung nach selten sind.
Da die Areale sehr groß sind gibt es wieder ein motorisiertes Gefährt. Besser gesagt: zwei. Später im Spiel bekommt man ein Fahrzeug für vier Spieler, das beste neue Feature ist aber die primäre Waffe, mit der man Sägeblätter (nicht so nützlich) oder explosive Fässer (viel besser) wirft. In den Levels ohne Fahrzeuge muss man sich dagegen auf teils sehr lange Märsch einstellen, da alle Levels relativ weitläufig sind. In den Fahrzeuglevels gibt es genug und gut platzierte Catch-A-Ride-Stationen, so dass man selten zum laufen gezwungen ist. So kommt man auch auf Spielzeit, wobei der großteil meiner 26 Stunden gut gefüllt waren und nur wenig Leerlauf entstand.
Fazit: Borderlands 2 ist in fast jeder Beziehung eine klare Verbesserung gegenüber dem Vorgänger. Gearbox hat viele der Kritikpunkte ausgemerzt um ein noch runderes Spielerlebnis zu erzeugen. Die Spielzeit ist lang und kaum gestreckt, bis auf die teils langen Laufwege. Vor allem ist das Spiel viel Abwechslungsreicher als der Vorgänger. Wem Borderlands gefallen hat kann mit dem Nachfolger nichts falsch machen.