Eigentlich hat mich Ghost of Tsushima seit der ersten Gameplay-Demo von 2018 interessiert. Aber als Playstation-Exklusiv-Titel war das Spiel lange nicht auf meinem Radar. Ich hatte zwar eine PS4, habe sie aber außerhalb von mehreren Persona-5-Spielen kaum genutzt. Für meine letztes Jahr erstandene Playstation 5 hatte ich mir aber anderes vorgenommen. Inzwischen hat Sony für mich überraschend damit begonnen, ihre Exklusiv-Titel nach und nach auch auf den PC zu bringen. Zwar teils mit Jahren Abstand zur Konsolen-Veröffentlichung, aber das stört mich nicht weiter. Ist ja nicht so, dass ich nichts anderes zu spielen habe. Aber das Open-World-Abenteuer von Sucker Punch Productions war nie dabei, so dass ich die Hoffnung verlor und mir die PS5-Version in einem günstigen Angebot holte – nur um das Spiel nochmal monatelang rumliegen zu lassen, bis die PC-Version dann doch erschien. Wie es halt manchmal so läuft…
Ich habe allgemein wenig Open-World-Spiele gespielt, da sie den Ruf eines unendlichen Molochs haben. Dazu brauche ich eine gewisse Führung oder roten Faden in Spielen, mich auf Elder-Scrolls-Art einfach in die Welt werfen reicht nicht, alles auf eigenen Faust erkunden ist nicht mein Ding. Einige der großen Marken in diesem Bereich sind zudem Shooter, die ich nur auf PC spiele, weil ich es gewohnt bin, sie mit Maus und Tastatur zu spielen. Zielen mit einem Analogstick werden ich wahrscheinlich nie vernünftig hinkriegen. Da das hier vorgestellte Spiel kein Shooter ist, sondern der Protagonist primär im Nahkampf kämpft, mit dem ich auch mit einem Controller klarkomme, hab ich dem Geist der Insel Tsushima eine Chance geben. Alles, was ihr hier lest und was ich schreibe bezieht sich ausschließlich auf die PS5 Director’s Cut Version, die unlängst erschienene PC-Version habe ich mir bisher nicht angesehen. Und ob ich es tue, steht in den Sternen, aber dazu später mehr.
Inhalt
- Inhalt
- Blühende Cross-Gen Landschaften: die Technik
- Offener Geist: das Gameplay
- Zwischen Ehre und Pragmatismus: die Story
- Persönliche Geschichte: Iki Island DLC
- Fazit
Blühende Cross-Gen Landschaften: die Technik
Die Interpretation der Insel Tsushima im Spiel hat viele farbenprächtige Felder und Wiesen, die auch der Wiedererkennung der Orte dienen
Der Star des Spiels ist ganz klar die Insel Tsushima mit ihrer abwechslungsreichen Landschaft, zumindest die Interpretation im Spiel. Egal ob das sommerliche, von Flüssen durchzogenen erste Gebiet, die gelben Blätter an den Bäumen um den goldenen Tempel oder die mit Pampagras überwucherten Wiesen – die Umgebungen machen richtig was her. Bei den ausladenden Wiesen wundere ich mich, wie die Entwickler es geschafft haben, dass eine PS5 so viele Pflanzen flüssig rendert, die sich dazu auch noch dynamisch im Wind verbiegen. Und die Vorgänger-Konsole musste das auch noch schaffen. In einem Vortrag auf der Game Developers Conference haben sie darin Einblicke gegeben, die sind aber sehr technisch. Der Look der Landschaft verändert sich mit Fortschritt im Spiel merklich. Der erste Abschnitt wirkt sommerlich und freundlich, im zweiten begrüßt mich eine neblige Sumpflandschaft und viele Wälder, die letzte ist größenteils von Schnee bedeckt – als würden mit dem Spielfortschritt die Jahreszeiten vergehen. Das führt aber auch dazu, dass mir das erste Gebiet am besten gefällt, weil die Umgebungen vor kräftigen Farben strotzen, gerade die letzte Schneelandschaft wirkt dagegen trostlos und stellenweise deprimierend. Kann auch eine Metapher der Entwickler sein, ich finde sie dann aber nicht so gut, ich war am liebsten im ersten Gebiet unterwegs.
Wer ganz in die Stimmung alter Samurai-Filme eintauchen will, kann den Kurosawa-Modus aktiveren. Dann wird das Bild wie in alten Schwarz-Weiß-Filmen gezeichnet, aber es bleiben genug Details, dass das Spiel weiter spielbar sein sollte. Dazu wird der Ton sehr dumpf, wie bei alten Tonbandaufnahmen. Das ist aus meiner Sicht eine nette Spielerei, aber habe nicht länger damit gespielt. Um die Landschaft gut in Szene zu setzten, gibt es einen sehr umfangreichen Fotos-Modus, mit dem ich die Tageszeit, Wetter, Einstellungen der virtuellen Kamera und sogar die Gesichtszüge von Jin einstellen kann – sofern ich ihn überhaupt im Bild haben will. Das gilt nur für diesen Modus, verlasse ich ihn, wird alles auf die Werte von vorher zurückgesetzt. Da zum Dasein eines Samurai auch künstlerische Tätigkeiten gehören, kann Jin auf einer Flöte spielen, wodurch ich das Wetter beeinflussen kann. Will ich gerade nicht im Regen spielen reicht eine von Anfang an verfügbare Melodie, damit schnell wieder die Sonne scheint. Weitere finde ich im Verlauf des Spiels, meistens habe ich aber mit dem Wetter gespielt, was mir das Spiel vorsetzte. Bei einigen Story-Missionen oder Nebenquest hatte ich den Eindruck, dass Spiel ändert bewusst die Tageszeit und das Wetter, um eine bestimmte Stimmung wärend der Mission zu erzeugen.
An anderen Stellen merke ich, dass Ghost of Tsushima ursprünglich für die vorherige Konsolen-Generation entwickelt wurde: Viele der Effekte beziehen sich nur auf das Sichtfeld der Kamera. Wenn ich in einem Haus aus dem Fenster schaue, sehe ich einen sehr krassen Überstrahl-Effekt. Das Bild wird fast weiß, ich kann kaum noch Details im Raum erkennen. Drehe ich aber die Kamera so weit, dass das Fenster nicht mehr im Blick ist, wird das Bild schlagartig dunkler. Durch HDR auf meinem Fernseher dürfte der Effekt noch krasser ausfallen. So war der Effekt eher nervig als beeindruckend.
Die Charaktere sehen alle sehr gut aus, haben viele Details wie Haarsträhnen oder dass ihnen in Dialoge Schweiß über die Stirn rinnt. Aber die Mimik und die teils etwas staksigen Animationen sehen nicht so gut aus wie beispielsweise in Final Fantasy 16, da wurde nochmal eine merkliche Schippe draufgelegt. Das ist aber meckern auf hohen Niveau, alle wesentlichen Charaktere und auch viele der Nebenfiguren oder namenlosen Bewohner sehen sehr gut und glaubwürdig aus.
Die Gesichter der wichtigen Charaktere sind detailliert und sehr gut animiert, aber am merkt ihnen auch an, dass sie noch für eine PS4 erstellt wurden
Die deutschen Sprecher für die Figuren sind durch die Bank passend gewählt und machen einen sehr guten Job. Nur mit der von Masako konnte ich mich nie so richtig anfreunden, irgendwie passt ihre Stimme nicht ganz zu dem Look der Matriarchin. Die Sprecherin gibt sich alle Mühe, die Emotionen richtig rüberzubringen, was ihr auch gelingt. Für mich bleibt aber eine gewissen Diskrepanz zwischen Aussehen der Figur und der Stimme. Aber das ist wirklich meckern auf sehr hohem Niveau. Andere Sprach-Kombinationen habe ich nicht ausprobiert, auch wenn mich das Spiel sowohl die Text- als auch die gesprochene Sprache getrennt einstellen kann. Da so eine Option auf Konsolen (leider) kein Standard ist, ist sie mir ein Lob wert.
Auch ein Lob verdient die sehr gute Musik. Die beiden Komponisten Ilan Eshkeri und Shigeru Umebayashi haben einen exzellenten Soundtrack erschaffen, der gekonnt Orchestermusik mit traditionellen, japanischen Instrumenten verbindet. Egal ob dramatisch in den Kämpfen und wichtigen Story-Sequenzen oder ruhiges Ambiente, hier wird immer der richtige Ton getroffen. Eigentlich habe ich nur eines daran auszusetzten: Ich höre die Musik viel zu selten.
Wenn ich durch die Landschaft reite, läuft so gut wie nie Musik im Hintergrund, ich höre nur Umgebungsgeräusche wie Rauschen des Windes oder Vögel zwitschern. Ich kann verstehen, dass es Spieler gibt, die das nicht wollen, aber dafür gibt es einen Regler im Menü. Erst im Kampf oder wichtigen Story-Sequenzen startet die Musik. Das passt für mich irgendwie nicht so recht zusammen. Dazu finde ich es schade, weil die Musik richtig gut ist. Das trifft auch auf die für den DLC auf Iki zu, hierfür wurde Chad Cannon verpflichtet, dessen Musik sich fast nahtlos in die anderen Stücke einreiht.
Die Steuerung passt grundsätzlich, die wichtigsten Funktion sind direkt verfügbar und das Layout der Tasten passt auch. Allerdings sind fast alle Tasten mehrfach belegt, je nach Situation und was ich gerade im Fokus habe ändert sich ihre Funktionalität. Dazu gibt es Modus-Umschalter, meist über eine der Schultertasten, hinter denen sich weitere Funktionen verbregen. Das sind mir zu viele, ich machte öfters Fehleingaben, weil zum Beispiel der Fokus kurzfristig wechselte und Jin dann etwas anderes machte als von mir angedacht. Gerade das Klettern kann so zur Geduldsprobe werden, durch das sehr schmale Sichtfeld muss ich die weiteren Punkte für den Enterhaken erstmal finden und dann im richtigen Moment im Blickfeld haben. Ich denke das ist schlicht ein Resultat daraus, dass das Spiel viele Funktionen hat, aber der Controller nur über sehr begrenzt viele Tasten verfügt. Ein Dilemma, dass ich selber gut kenne, aber hier wird es mir etwas zu viel, was mich hin und wieder genervt hat.
Offener Geist: das Gameplay
Beim Genre würde ich Ghost of Tsushima als Open-World-Action-Adventure einordnen. Als Rollenspiel würde ich es nicht bezeichnen, es hat zwar ein paar Anleihen, aber die sind viel zu leichtgewichtig. Es gibt keine Erfahrungspunkte und Attribute, zumindest im klassischen Sinne. Für Jins Taten steigert sich die "Legende des Geists", was aber hauptsächlich neue Fähigkeiten freischaltet oder Technikpunkte gibt. Mit letztere kann ich neue Fähigkeiten freischalten oder bestehende verbessern.
Ausrüstung gibt es, man darf aber kein Loot-Fest erwartet. Jin startet mit seinen zwei Schwertern, die ich upgraden kann. Dazu bekommt er schnell einen Bogen und weitere Rüstungen, hier gilt dasselbe. Es gibt je drei Typen Metalle, Hölzer und Stoffe, die für die jeweiligen Upgrades benötigt werden. Das meiste sammle ich einfach in der Welt ein, teils sogar direkt vom Pferd aus. Für alles wird zudem die Universalressource "Vorräte" gebraucht, die vor allem in Lagern und Häusern herumliegt. Egal wie sehr die Einwohner hungern, es macht niemandem etwas aus, wenn Jin ihnen ihre Habseligkeiten vor der Nase klaut. Sammelgegenstände gibt es auch, die schalten aber nur Einträge in der Ingame-Enzyklopädie frei, welche Hintergrundinfos zur Kultur der Japaner und Mongolen beinhalten. Für ein paar gibt es kosmetische Extras, spielerische Auswirkungen sind mir aber keine aufgefallen. Ich habe sie deshalb nur mitgenommen, wenn ich vorbeikam und nicht explizit danach gesucht.
Nach dem recht langen, linearen Intro kann ich mich frei durch die Welt bewegen, mit einer Einschränkung: Das Spiel ist in drei Akte geteilt, deren Story jeweils in einem Gebiet spielt, dass ich frei bereisen kann, ebenso die vorherigen. Jedes verfügt über eine große Story-Mission, welche das Kapitel beendet. Um sie zu starten, muss ich mehrere Missionen zur Vorbereitung abschließen. Deren Reihenfolge bleibt meist mir überlassen. Ein paar für die Story relevante Gebiete sind nicht direkt gesperrt, aber da treiben sich so vielen Gegner herum, dass nicht mal der mächtige Geist sie bezwingen kann – also ohne Hilfe der Story-Sequenzen.
Noch ein kurzes Wort zum Coop-Modus "Legends": Eigentlich wollte ich reinschauen, hatte mir sogar wieder PS+ geholt. Aber nachdem ich fast 50h auf Tsushima verbrachte, war ich auch irgendwie durch damit. Ich habe das kurze Tutorial für alle vier Klasse gespielt (die je ein Teil von Jins Fähigkeiten aus dem Hauptspiel haben), aber da ich keine Lust darauf hatte, nicht weitergespielt.
Drei Teile: die Open World Tsushima
Die Insel Tsushima gibt es wirklich, sie befindet sich zwischen der koreanischen Halbinsel und Japan. Sie liegt zwar näher an Süd-Korea, gehört aber zu Japan. Die Spielwelt ist kein direkter Nachbau, sondern eher davon inspiriert, wohl zu Gunsten des Gameplays. Die Form der Insel kommt der realen sehr nahe, mit ihren grob zwei Teilen, die durch eine schmale Landzunge verbunden sind. Bei der Ausgestaltung haben sich die Entwickler aber einige Freiheiten genommen. Dabei kam ein sehr abwechslungsreiche Landschaft mit vielen Hügeln bis Bergen, Flüssen und weiten Feldern und Wäldern heraus. Sie ist mit Aktivitäten überzogen, kleine Aufgaben, Nebenquests oder Minispiele, die auf der Karte angezeigt werden und sobald man sie aufgedeckt hat, auch als Schnellreisepunkt dienen.
Die größten und wichtigsten dürften die Mongolen-Lager sein, befreie ich sie wird die Landschaft in einem großen Radius aufgedeckt, habe ich in einem Gebiet alle erledigt, wird das ganze Gebiet und alle Aktivität angezeigt, wenn auch unentdeckt – um sie als Schnellreise nutzen zu können, muss ich trotzdem einmal in ihre Nähe kommen.
Andere sind kleine Minispiele: An heißen Quellen verlängert Jin dauerhaft seine Lebenspunktleiste und kann zwischen zwei Themen sinnieren, was kleine Details der Hintergrundgeschichte offenbart. An Bambusständen muss ich ein kurzes Quick Time Event absolvieren, dann steigt die maximale Entschlossenheit, die für Selbstheilung und Spezialfähigkeiten benötigt wird. An besonders malerischen Stellen kann ich Haikus verfassen, aus vorgegebenen Teilen. Damit bin ich nie warm geworden, weil mir die Optionen nacheinander gestellt werden und ich so nie weiß, was als nächstes kommt und zu meinen Bisherigen passt. Die habe ich meist übersprungen, auch weil sie nur neue, kosmetische Stirnbänder freischalten. Etwas spielerisch relevanter sind die Fuchsbauten, von denen mich eines der namensgebenden Tieren zu einem Schrein führt. Ehre ich ihn angemessen (ein Kopfdruck reicht, den Rest macht Jin automatisch), kann ich mehr Talismane tragen und später neue freischalten, durch sie erhalte ich passive Effekte. Weitere dieser Trinkets bekomme ich auch bei großen Schreinen, bei allen ist der direkte Weg kaputt. Jin muss nun seine Kletterkünste beweisen, die Wege wurden von den Designern möglichst lang, umständlich und indirekt gestaltet. Immerhin komme ich dann per Knopfdruck wieder raus.
Etwas umfangreicher sind die zahlreichen Nebenquests: ein diamantenförmiges Symbol zeigt deren Startpunkt. Spielerisch sind sie meisten Standard, mehr als einfach Kill- oder Hol- und Bring-Quests darf man nicht erwarten. Auch die Geschichten sind eher unspannend, weil die Charaktere oft nicht benannt und die Quests in wenigen Minuten absolviert sind. Eine Ausnahme stellen die von Jins Mitstreitern dar. Spielerisch sind sie meist nicht viel anspruchsvoller und die einzelnen Quests auch nicht sonderlich viel länger. Aber sie erzählen gut geschriebene Geschichten, zumindest wenn man den ganzen Umfang betrachtet, da sie immer aus mehreren Quests bestehen, die ich nacheinander absolvieren muss. Sie haben auch bessere Belohnungen, die anderen steigern die Legende etwas, geben ein paar Craftig-Materialen und vielleicht noch einen Talisman.
Um mich auf der Insel zurecht zu finden, ist die Karte mein bester Freund. Zu Anfang ist sie komplett verdeckt, die Hauptstory führt mich nicht in alle Ecken, den Rest muss ich auf eigene Faust erkunden. Komme ich in die Nähe einer Aktivität wird sie als "?" markiert, um zu sehen, worum es wirklich geht, muss ich noch näher ran. Dafür kann ich sie dann auch als Schnellreisepunkt nutzen. Zu einem Punkt kann ich mich "vom Wind leiten lassen", was aber auch nicht viel anders ist als der Kompass aus anderen Open-World-Abenteuern oder dem Item aus dem ReRelease von Quake 2: Habe ich ein Ziel gewählt, weht deutlich sichtbar der Wind in diese Richtung, ebenso verbiegen sich Pflanzen entsprechend. Es ist vielleicht nicht ganz so direkt wie ein im Bild schwebender Marker, aber erfüllt im Endeffekt dieselbe Funktion, sieht nur etwas stilisierter aus.
Füchse leiten Jin zu ihren Schreinen, zollt man ihnen Respekt bekommt man eine Belohnung. Und ja, man kann sie auch streicheln
Jin ist sehr agil: er klettert wie in junger Gott, aber nur an vorgegebenen Stellen. Ebenso balanciert er problemlos über schmale Äste und über in Lagern gespannte Seile. Mit dem Wurfhaken schwing er sich geschickt über Abgründe, wegen des engen Sichtfeldes fiel es mir aber manchmal schwer, den nächsten Punkt dafür anzuvisieren, was auch mal im Flug nötig sein kann. Auch im Reiten seines Pferdes ist er exzellent, nur warum er (außerhalb von Zwischensequenzen) nicht normal absteigt, sondern immer vom Sattel aus abspringt erschließt sich mir nicht. Das sieht schon lässig aus und kann schon seine Vorteile haben. So kann ich beispielsweise direkt an eine Kletterstelle (oder auf einen Gegner) springen. Auf Dauer wirkt es doch merkwürdig und unnötig.
Damit die Reise über die Insel nicht zu lange dauert, bekommt Jin schon zu Anfang ein Pferd. Auf seinem Rücken geht es deutlich schneller vorwärts, ich kann vom Ross aus sogar Materialen einsammeln. Aber es kämpft sich von hier oben aus schlecht, mit entsprechend erlernter Technik kann ich einen Erstschlag machen. Aber ich bin deutlich öfter vom Pferd geholt worden als dass ich daraus einen Vorteil hatte. Das ändert sich erst mit der Iki-Episode, dazu später mehr. Dafür kann ich Gegner umgehen oder wenn sie mich gesehen haben, davonreiten, wenn ich keine Lust zu kämpfen habe. Auf den Wegen patrouillieren Mongolen, die Kämpfe lohnen sich aber meist nicht, die Belohnung fällt zu knapp aus für die investierte Zeit. Außer ich will Entschlossenheit vor dem nächsten größeren Kampf aufbauen, aber das geht auf andere Weise besser. Im Unterholz tummeln sich gelegentlich Bären und Wildschweine, die nach einem Treffer mit dem Bogen erledigt sind, mit ihren Fellen kann ich meine Tragekapazität für Pfeile und Geistwaffen erweitern. Über Klippen kann ich nicht reiten, aber oft gibt es in der Nähe einen sanften Weg runter, absteigen, klettern und wieder aufsteigen dauert meist länger. Tiefe Flüsse kann Jin zwar durchschwimmen, zu Pferd bin ich aber auf Furten und Brücken angewiesen, von denen meiner Erfahrung nach aber selten eine weit ist. Da Brücken zu den Wegen gehören, kann ich auch da auf Patrouillen treffen, die Furt nicht, auch wenn sie direkt daneben sind.
Ehre oder Verschlagenheit: die Kämpfe
Das Kampfsystem ist schnell und legt großen Wert auf Parieren und Kontern, durch viele Marker angezeigt
Ohne zu viel vorwegzunehmen: Ich brauchte etwas, um mit dem Kampfsystem warm zu werden. Aber ein großer Fan wurde ich davon nie. Ich mag generell schnelle, actionreiche Kampfsysteme, meine Ungeduld ist nicht kompatibel mit den langsamen, bedächtigen welche für Souls-likes typisch sind. Dass ist das von Ghost of Tsushima nicht, aber es ist auch kein NieR:AutomatA.
Jin kämpft ihm Nahkampf mit seinem Katana, wie es sich für einen ehrenvollen Samurai gehört. Er hat einen schnellen und einen schweren Schlag, dazu kann er gegnerische Angriffe parieren und ausweichen, mit dem richtigen Timing auch kontern. Und hier liegt für mich der Hund begraben, das Kontern ist zu mächtig. Es ist meist besser, zu warten, bis ein Gegner angreift und dann parieren und kontern. Die Zeitfenster dafür sind zwar nicht unendlich groß, aber genug, damit sogar ich sie schaffe. Dazu parieren meine Gegner fast jeden Schlag. Eigentlich alle, außer sie sind am Taumeln. Dieser Zustand kann auftreten, wenn ich ihn mit schweren Schläge so lange malträtieren, bis eine Leiste über seinen Kopf leer ist. Oder ich setzte eine der Geist-Waffen ein. Der Ansatz, einfach alles zu kontern funktioniert aber meist deutlich besser. Solange es nicht zu viele Gegner sind und man umringt wird, aber das ist nie eine gute Idee.
Ausweichen ist etwas kniffliger, weil ich Jin einen Schritt zur Seite oder eine Rolle machen kann – nach der Rolle bin ich aber meist zu weit weg, um dem Gegner noch Schaden zufügen zu können. Ich konnte das aber nie wirklich kontrollieren. Manchmal habe ich den Eindruck, ein kurzes Antippen führt zum Schritt und ein starkes Drücken zu Rolle – wirklich bestätigen konnte ich das aber nie. Mal abgesehen davon, dass ich in den hektischen Kämpfen keine Zeit habe darauf zu achten, wie stark ich einen Knopf auf dem Controller drücke. Vor allem, weil ich immer darauf konzentriert bin, was meine Gegner so machen, bei der Anspannung kann ich nicht auch noch darauf achten, wie stark ich den Knopf drücke. Jin kämpft immer in einem von vier Stilen, die gegen unterschiedliche Gegnertypen effektiv sind, was die Waffen meint: Der Steinstil ist effektiv gegen Schwertkämpfer, der Wasserstil gegen Lanzenträger, und so weiter. Die Angriffsanimationen ändern sich und der Schaden, wobei nicht so dramatisch, meiner Erfahrung nach brauchte ich ein bis zwei Treffer weniger als im "falschen" Stil – wo es meist auch nicht mehr als vier oder fünf sind. Da Jin nur ähnlich viel aushält ist es zumindest fair. Das bezieht sich auf den von mir gewählten "normalen" Schwierigkeitsgrad. Meiner Erfahrung nach ist es hier kein Beinbruch, den falschen Stil zu wählen. In höheren dürfte es wichtiger sein, im Kampf den Stil zu wechseln.
Ein Samurai ist aber nicht nur auf den Nahkampf beschränkt, Jin hat gleich zwei Bögen dabei: der Kurzbogen muss nur relativ kurz gespannt werden, um die meisten Gegner direkt auszuschalten muss aber ein Kopftreffer her, sofern sie keine dicken Helme tragen. Der Langbogen schafft das bei so gut wie jedem Gegner, muss aber deutlich länger gespannt werden. Beide verfügen über sehr begrenzte Munition, selbst mit alle Upgrades sind es keine 15 für den Kurz- und nur 8 Pfeile für den Langbogen, die Spezialpfeile lasse ich mal außen vor, auch weil sie recht selten sind. Die normalen kann ich bei vielen Gegner oder in der Umgebung erbeuten. Die passende Rüstung verringert die Spannzeit, da ich beide aber eher als Unterstützung zum Katana gesehen haben, bin ich eher bei anderen Kleidern geblieben, selbst wenn ich sie mitten im Kampf wechseln kann. Im späteren Verlauf bekommt Jin ein Blasrohr, mit dem er Gegner mit Giftpfeilen direkt ausschalten oder mit Hypnosepfeilen verwirren kann, dass sie ihre Kameraden angreifen. Den Abschluss bildet eine Wurfglocke, die Gegner nur an- oder weglocken soll. Das ist aber eher was für nicht so ehrenvolle Spieler.
Wie der Name des Spiels aber schon vermuten lässt, ist Jin zwar ein ehrenvoller Samurai und auch so erzogen, aber dabei bleibt es nicht. Von der Diebin Juna lernt er andere Techniken, um sich gegen die übermächtig wirkenden Invasoren zu behaupten. Schleichen, sie hinterrücks meucheln und täuschen gehört eher rum Repertoire eines Assassinen. Über weite Strecken lässt einem das Spiel die Wahl, ob man ehrenvoll oder verschlagen vorgeht, meist sind beide Vorgehensweisen valide. Nur in einigen Story-Sequenzen ist man gezwungen leise vorzugehen, was auch durch die lineare Story bedingt ist. Das System zum Schleichen ist relativ simpel, im hohen Gras ist man quasi unsichtbar und Gegner schauen fast nie nach oben – Dächer und gespannte Seile sind mein Territorium. Außer es sind Bogenschützen auf erhöhten Beobachtungsposten in der Nähe, die sehen mich auch dann. Allgemein hören die Gegner nur Kampflärm, selbst wenn ich auf den Jurten der Mongolen laufen, also Zelte aus Holz, Stoff und Leder, bemerken sie mich nicht. Oben ist immer ein guter Ort, weil sich Jin dann auch Assassinen-Style auf Gegner stürzen kann, mit den richtigen Upgrades kann ich danebenstehende auch noch ausschalten. Aber generell ist es dann besser, überlegt vorzugehen und die Gegner einzeln auszuschalten. Dafür bin ich aber zu ungeduldig, meist schleiche ich bis zu einem gewissen Punkt, bis dann ein chaotischer Kampf ausbricht, weil ich mein Glück nicht gesehen zu werden überstrapaziert habe. Immerhin: Es kommen nicht gleich alle Gegner auf mich zu, in größeren Lagern nur die in der direkten Umgebung. Da Kämpfe gegen große Gruppen enorm schwierig werden ein großer Vorteil. Ich kann sogar einen Teil ausschalten, dann die anderen wieder schleichend angehen.
Ich habe schon kurz die Geistwaffen erwähnt: dass sind eine Reihe von Gadgets, die Jin im Kampf einsetzten kann. Da sind nicht ganz so ehrenvolle, aber effektive Sachen dabei wie Kunai-Wurfmesser, die mehrere Gegner treffen, die schwächeren direkt ausschalten und die größeren zumindest schwer Schaden und ins Taumeln bringen, was sie zu leichter Beute für mein Katana macht. Die Haftbombe richten am direkten Ziel enormen Schaden an und mit Upgrades innerhalb eines kleinen Radius, sie eigenen sich deshalb besonders für Anführer und andere, richtig dicke Gegner. Das waren auch schon meine beiden primären, die Rauchbomben um in einem Nebel zu verschwinden habe ich kaum genutzt, ebenso die Schwarzpulverbombe als Wurfwaffe, weil sie im Eifer des Gefechts schwer zu nutzen sind. Maximal am Anfang, dann muss ich aber alles wieder auf meine Favoriten umschalten, was mir meist zu lästig war.
Die Duelle gegen starke Gegner sind sehr cineastisch inszeniert, spielerisch aber auf Dauer recht öde
Im Spiel gibt es unterschiedliche Rüstungen, die ganz eigene Effekte haben und sich für die unterschiedlichen Spielstile mehr oder weniger gut eigenen: Die Samurai-Rüstung, die ich kurz nach Beginn bekomme, erhöht Lebenspunkte und Nahkampfschaden, Tadayoris Rüstung verbesserten den Umgang mit dem Bogen und seinen Schaden. Mit der Kleidung eines Ronin entdecken mich die Gegner nicht so schnell und Geistwaffen sind effektiver, das ist also was für Spieler, die eher auf leisen Sohlen unterwegs sind. Die Reisekleidung deckt die Umgebung schneller auf und man kann mit ihr versteckte Schreine und Artefakte leichter finden. Ich habe, nachdem ich sie gegen Mitte des Spiels bekomme, die meiste Zeit mit der Sakai-Familie-Rüstung gekämpft, da sie die Anzahl der Gegner im Herausforderungsmodus erhöht, die Lebenspunkte und den Schwertschaden deutlich erhöht. Ich habe tendenziell eher als ehrenvoller Samurai gespielt, kommt sie mir entgegen. Wobei ein erstes Auskundschaften der Gegner von großem Vorteil ist, zu wissen mit wem man es zu tun bekommt und wo sie herkommt, kann einen Kampf ganz anders verlaufen lassen kann. Da ich die Rüstung jederzeit wechseln kann, auch mitten im Kampf, bin ich sehr flexibel, ich war nur meist zu faul dafür.
Generell fand ich es schwierig, die passenden Gegner anzuvisieren. Der dynamische Fokus springt oft und schnell, ich kann selten nachvollziehen, warum gerade dieser Gegner anvisiert wird, statt der, den ich aufs Korn nehmen will. Vor allem der Einsatz der Haftbomben, die zielgerichtet die meiste Wirkung entfalten, ist dann knifflig – die Kunai als Waffen gegen mehrere Gegner haben dieses Problem nicht. Es gibt eine Fokus-Funktion, bei der meine Sicht auf ein Ziel einrastet (Lock On), aber wenn ich dann die Kamera etwas drehen will, schaltet sie zu einem anderen Gegner um, weil sich die Tastenbelegungen überlappen. Dabei will ich nur den Überblick im Kampf behalten oder zurückgewinnen. Das sehr enge Sichtfeld verschärft das Problem, gerade in Lagern mit vielen Zelten, Steinen, oder anderem Kram, der herumliegt.
Auch der Bogen spielt eine Rolle, wenn auch eher unterstützend, weil das Spannen lange dauert und Jin nur wenige Pfeile tragen kann
Ein paar Spezialangriffe hat Jin noch auf Lager, die er im Verlauf des Spiels lernt: Mit dem Windschnitt kann er drei bis vier Gegner direkt ausschalten, dafür verbraucht sie aber drei Entschlossenheitspunkte. Die brauche ich aber auch, um mich im Kampf selbst zu heilen, weshalb ich den Angriff nicht unüberlegt spammen sollte, auch wenn er sehr stark ist. Zumindest zu Anfang, wo meine Entschlossenheitspunkte noch stark begrenzt sind. In grob der Mitte des zweiten Aktes wird der Geistmodus freigeschaltet: Hat Jin sieben Gegner hintereinander erledigt, ohne selbst Schaden zu nehmen, kann er in diesen Modus schalten, wodurch die meisten Gegner aufhören, ihn anzugreifen. Sie laufen weg oder stehen vor Furcht zumindest nur da, dann sind sie ein leichtes Ziel und nach einem Schlag fallen, Jin springt auch noch ein wenig zu ihnen hin. Grafisch wird der Modus dadurch untermalt, dass alles wie im Kurosawa-Modus schwarz-weiß gezeichnet wird, beim Treffer färbt sich der Bildschirm dann blutrot.
Ganz anders funktioniert das Herausfordern: Haben mich die menschlichen Gegner noch nicht gesehen, kann ich sie herausfordern, dann kommt es zu einem Mini-Reaktionsspiel, wodurch ich mehrere direkt ausschalten kann. Die weiteren greifen dann an oder versuchen zu fliehen. Mache ich aber einen Fehler, bricht das Minispiel ab und ich habe so gut wie keine Lebensenergie mehr. Eine sehr mächtige Fähigkeit, wenn man nicht schleichen will, aber nicht ganz ohne Anspruch, ein wenig sollte man sich dabei konzentrieren. Und für jeden so erledigten Gegner bekomme ich einen Entschlossenheitspunkt, Gegner herausfordern eignet sich deshalb auch gut, die Leiste wieder aufzuladen.
Die Gegner sind fast ausschließlich Menschen, vor allem die zahlreichen Mongolen, die auf Tsushima eingefallen sind. Sie verwenden im Nahkampf Schwertern, Lanzen, Schilden, es gibt Bogenschützen und die ersten tragbaren Schießpulver-Geschütze. Dazu gibt es die "Barbaren", meist daran zu erkennen, dass sie nochmal größer als ihre Kameraden sind und dazu passend riesige Klingen schwingen. Später werden sie von Kampfhunden begleitet, die zwar nicht viel aushalten, aber deren Angriff ich nur ausweichen kann. Ansonsten trifft Jin auf Banditen und Ronin, also Samurai ohne Herrn, die vor allem mit Schwertern kämpfen.
In Duellen stellt sich Jin einem einzelnen Gegner, ausschließlich mit dem Katana. Durch den festen Fokus ist die Handhabung der Kamera etwas anders, bei bestimmten Grafikeffekten wie Überblenden durch Gegenlicht sehe ich teils nichts mehr und ich kann es nur schwer ändern. Diese Duelle werden cineastisch inszeniert, aber das Intro ist immer exakt gleich – nach dem ersten halbe Dutzend wollte ich es immer überspringen, aber das erlaubt mir das Spiel nicht. Dazu sind die Duelle erschreckend eindimensional. Durch den Fokus auf das Katana fallen alle Gadgets weg, einzig der Geistmodus und der Windschnitt sind verfügbar, sofern vorher entsprechend aufgeladen beziehungsweise genug Entschlossenheit vorhanden ist. Die Gegner haben nur sehr wenige Angriffsmuster, hier verlasse ich mich noch mehr auf warten und kontern. Auf Dauer werden sie deshalb zur nervigen Pflichtarbeit, vor allem die "Bosskämpfe" sind meist solche.
Generell ist Ghost of Tsushima kein einfaches Spiel. Ich habe auf "Normal", dem zweiten von vier Schwierigkeitsgraden gespielt. Parieren und Ausweichen ist essenziell, da Jin zu Anfang nur zwei oder drei Treffer der Gegner aushält, später werden es vielleicht vier bis maximal fünf, weil die Gegner auch entsprechend härter zuschlagen. Nach einigen Besuchen von heißen Quellen, abgeschlossenen Hauptquests und Upgrades durch die Legende des Geists wird die Lebenspunktleiste zwar länger, aber die Gegner in späteren Gebieten schlagen so hart zu und halten entsprechend mehr aus, dass das dadurch fast komplett ausgeglichen wird. Und selbst die in vorherigen Gebieten sollte ich nicht unterschätzen, gerade in größerer Zahl können sie mir trotzdem gefährlich werden. Immerhin halten die meisten Gegner auch nicht mehr aus, nur in den Duellen muss ich sie deutlich öfter treffen und am besten ihre Haltung brechen, damit ich ordentlich Schaden anrichte. Dafür können sie sich nicht heilen.
Zwischen Ehre und Pragmatismus: die Story
Das Spiel beginnt mit einer dramatischen Schlacht der Samurai von Tsushima gegen die anlandenden Mongolen
Der Rahmen für die Geschichte von Ghost of Tsushima ist die erste Mongoleninvasion von 1274. Wobei sie nur einen groben Rahmen bildet, warum Jin kämpft. Vieles, was im Spiel passiert, dürfte schlicht von den Entwicklern erdacht sein, um eine Geschichte spannender zu erzählen. Nach einer vernichtenden Niederlage, die mit dem fast vollständigen Auslöschen der Samurai auf Tsushima endet, beginnt unser Held seinen Kampf gegen die Invasoren.
Dabei ist der nicht allein. Er wird vom Strand von der vormaligen Diebin Yuna gerettet. Sie bringt ihn auch dazu, Techniken einzusetzen, die mit seinem Samurai-Kodex nicht zu vereinen sind. Da er in diesem aber erzogen wurde, weigert er sich zuerst oder setzt sie nur widerwillig ein. Mit der Zeit wird er immer mehr gewillt alles zu tun, was nötig ist, um seine Heimat von den Invasoren zu befreien und die Einwohner der Insel zu schützen. Dieser innere Konflikt Jins spielt eine große Rolle in der Geschichte. Und verläuft wie die Story selbst komplett linear. An einigen Stellen des Spiels schreibt mir das Spiel vor, wie ich vorzugehen habe, speziell in wichtigen Story-Sequenzen. Ich habe als Spieler keine Wahlfreiheit, ein Gesinnungssystem wie in Mass Effect gibt es nicht. Jins Weg vom reinen Samurai hin zum Geist von Tsushima ist strikt vorgegeben. Wie der innere Konflikt verläuft und ultimativ ausgeht hängt nicht meinen Entscheidungen ab – es gibt im Spiel fast gar keine und dann nur solche, die im Endeffekt keine Auswirkungen haben.
Das hat durchaus auch seine gute Seiten, die Inszenierung ist spannend und dramatisch, ohne zu sehr abzuheben. Wobei sie schon sehr ins filmische hängt, gerade was die Kamera-Einstellungen angeht. Sie wurde sehr von Hollywood-Filmen und wohl auch alten Samurai-Filmen, speziell von Akira Kurosawa inspiriert, mit denen ich aber gar nicht vertraut bin. Deshalb kann ich dazu wenig sagen. Es gibt in der Story einige sehr tragische Szenen, von Verrat oder Verlust gezeichnet, die genauso dramatisch inszeniert sind. Zwar habe ich keine Wahlfreiheit, aber an sich ist die Geschichte stark inszeniert und hat mich über weite Strecken mitgenommen, auch wenn einiges dadurch zu vorhersehbar wurde.
Die Nebenquests sind ein zweischneidiges Schwert, die meisten sind spielerisch und storytechnisch eher belanglos. Anders sind die der vier wichtigen Begleiter von Jin, die entsprechend anders markiert sind und in mehreren Teilen eigene Geschichten erzählen. Die würde ich wirklich jedem ans Herz legen, da sie sehr gut geschrieben sind und auch spielerisch gute Belohnungen bieten. Sie geben den Charakteren viel mehr Tiefe, man versteht ihre Motivationen und daraus resultierenden Handlungen von Charakteren wie Masako, die auf Rache für ihren ermordeten Klan aus ist oder der Meisterschütze Ishikawa und den Konflikt mit seiner ehemaligen Schülerin. Die Einzelteile sind auch meist nur wenige Minuten lang, die Geschichten erstrecken sich über das komplette Spiel, sind aber weiter optional – ein paar davon habe ich erst abgeschlossen, als ich mit der Hauptstory schon durch war.
Persönliche Geschichte: Iki Island DLC
Mit der Director’s Cut Version von Ghost of Tsushima kam ein größerer DLC dazu, der soweit ich das sehe nicht separat erhältlich ist. Er spielt in einem komplett neuen Gebiet auf der ebenfalls real existierenden Insel Iki, die Überfahrt kann man nach Erreichen des zweiten Aktes wagen. Da der Schwierigkeitsgrad aber ein gutes Stück anzieht, würde ich nicht empfehlen ihn gleich anzugehen, sondern eher Richtung Ende von Akt 2 oder noch später. Ich habe ihn erst nach Abschluss der Hauptstory gespielt.
Iki ist deutlich kleiner als jedes der drei anderen Gebiete und hat einen leicht tropischen Touch, zumindest ein paar der Bäume erinnern mich an Palmen. Spielerisch ändert sich nichts, der Einstieg ist streng linear, nach ungefähr einer Stunde kann ich dann frei über die Insel reisen. Auch hier haben sich Mongolen eingenistet, der Adler-Klan hat Krieger auf Niveau des zweiten Aktes des Hauptspiels, mit einem Neuling: den wirklich nervigen Schamanen. Sie stärken ihre Kameraden, welche dann deutlich aushalten und asteilen, solange sie unter dem Einfluss des Schamanen stehen, zu erkennen an der leichten Umrandung um ihren Kopf. Die Schamanen sollten deshalb das erste Ziel sein, sie sind aber kein leichtes. Ein Schuss aus dem Kurzbogen macht ihnen nichts aus, und selbst mit dem Langbogen brauchte ich einen Kopftreffer, um sie direkt auszuschalten. Da es aber auch gerne mal zwei davon in den Kampfgruppen gibt, lohnt sich auskundschaften und sie, wenn möglich, leise zu erledigen. Die anderen Gegner verhalten sich wie gewohnt, nur können sie auch während des Kampfes die Waffe wechseln, wodurch ich noch öfter den Kampfstil wechseln sollte.
In einem Minispiel soll ich wohl die Tiergeister eines Schreines von mir überzeugen, damit ich ihre Belohnung bekomme
Jin bekommt mit dem Sturmritt eine neue Fähigkeit, die sich aber eher auf sein Pferd fokussiert: Bisher konnte ich maximal einen Gegner erledigen, wenn ich in ein Gruppe reite, werde ich eher vom Ross geholt. Mit dem Sturmritt kann ich die Gegner buchstäblich über den Haufen reiten, er macht sehr viel Schaden und schaltet die meisten Gegner auf Iki direkt aus oder verletzt sie zumindest schwer. Allerdings braucht es sehr viel Entschlossenheit, ein Grund mehr, diese Fähigkeit erst später einzusetzen. In einer Nebenquest bekommt mein treues Ross eine Pferderüstung, was den Schaden des Sturmritts nochmal deutlich erhöht. Dazu bekommt mein Pferd Satteltaschen, was die Anzahl der mitnehmbaren Gadgets verdoppelt, aber nur außerhalb des Kampfes. Trägt Jin am Mann weniger als er könnte, werden sie beim Aufsteigen automatisch aufgefüllt. Gefundene wandern zuerst in Jins Taschen, danach in die Satteltaschen. Ansonsten kann man noch eine neue Rüstung finde, die ich aber nicht lange getragen habe, weil sie auf eine sehr aggressive und riskante Spielweise ausgelegt ist, die mir nicht liegt. Sobald man einen gewissen Punkt der DLC-Story erreicht hat, kann man per Schnellreise wieder nach Tsushima und alle spielerischen Neuerungen auch dort nutzen.
Alles andere auf Iki ist wenig neues: Es gibt wieder viele Marker mit Aktivitäten, Mongolenlager müssen ausgeräuchert werden, dazu gibt es weitere Haikus, heiße Quellen und Bambusstände. Neu sind die Tierschreine, wo man ein kleines Minispiel mit der Bewegungssteuerung des Controllers absolviert. Da ich das nicht so spannend fand habe ich so größtenteils ignoriert. Für die drei Arten gibt es je ein Talisman, weitere Schreine schalten Upgrades dafür frei.
Die Geschichte auf Iki ist auch eine Reise in Jins Vergangenheit, die oft mit solchen Visionen erzählt wird
Am interessantesten ist die neue Story, denn hier wird es für Jin sehr persönlich. Dass sein Vater im Kampf umkam und wie die Szene aussah, wusste ich schon aus dem Hauptspiel – aber nicht, dass sich das alles auf Iki zugetragen hat. Es ist gleichzeitig auch eine Reise in Jins Vergangenheit, wo er den Verlust seinen Vaters und wie er bisher damit umgegangen ist, verarbeitet. Dafür gibt es mit den Erinnerungen einen neuen Typ Aktivität in der Open World, die normal auf der Karte zu finden sind und kurze, spielbare Flashbacks beinhalten. In der Hauptstory kämpft Jin mit Halluzinationen, die durch eine Droge ausgelöst werden, die der Adler, der mysteriöse Anführer der Mongolen auf Iki, ihm direkt zu Beginn eingeflößt hat. Bei den verzerrten Darstellungen durften sich die Technical-Artists und Shader-Entwickler von Sucker Punch austoben, sie sind aber meist nur von kurzer Dauer.
Da Jin alleine nach Iki reist, trifft man ein paar neue Charaktere, die dem Sakai-Klan wegen der Ereignisse eigentlich nicht gewogen sind. Aber um die Mongolen des Adler-Klans zu vertreiben, arbeitet man zusammen, wenn auch vor allem zu Anfang einige Animositäten zwischen den Charakteren stehen. Die neuen Sprecher stehen denen vom Hauptspiel in nichts nach.
Wer das Hauptspiel mag, wir den herausfordernden Trip nach Iki nicht bereuen, aber er ist auch nur mehr vom selben, aber mit einer interessanten und persönlichen Story. Nur massig neuen Content darf man nicht erwarte, mich hat die kleine Insel nur ungefähr sechs Stunden beschäftigt, ich habe aber auch nur einen Teil der Aktivitäten erledigt. Da ich mit dem Hauptspiel bereits durch war, konnte ich mich dafür nicht mehr motivieren.
Fazit
Wo steht Ghost of Tsushima jetzt bei mir? Das ist wirklich schwer zu beantworten. Auf technischer Seite ist es stark, auch wenn man an wenigen Stellen seine Herkunft als PS4-Titel erkennt – zumindest jemand wie ich, der sich mit Computer-Grafik beschäftigt hat und weiß, worauf ich achten muss, um die Tricks zu erkennen, mit denen die Einschränkungen kaschiert werden. Die von dichter Vegetation bedeckte Landschaften machen richtig was her. Die Open World ist zwar groß, aber nicht zu groß und hat genug interessante Ecken mit Wiederkennungswert. Die eher langweiligen Nebenaufgaben habe ich nur mitgenommen, wenn es sich anbot, viele davon aber ausgelassen. Die Story mag keine Innovationspreise gewinnen, ist aber gut umgesetzt. Dass sie komplett linear verläuft und ich keine Wahl habe, konnte ich verschmerzen – lieber auf die eigenen Stärken konzentrieren statt ein aufgesetztes System dranpappen ist mir lieber. Dazu sind die deutschen Sprecher größtenteils passend gewählt und machen einen sehr guten Job. Und natürlich die sehr gute Musik, bei der mich nur stört, dass sie zu selten überhaupt läuft.
Zu kämpfen hatte ich (non pun intended) mit dem Kampfsystem: Einerseits geht es flüssig von der Hand und wird von sehr guten Animationen und passenden Sounds untermalt. Andererseits macht es kaum Sinn, etwas anderes zu machen als auf Parieren und Kontern zu warten, weil sie zu mächtig sind und die Zeitfenster selbst für mich noch ausreichend sind. Dazu machen die vielen Gadgets das Leben deutlich einfacher, auch wenn ich nur einen Teil davon genutzt habe. Einige passen nicht zu meinem Kampfstil oder ich war schlicht zu Faul, sie im Kampf zu wechseln. Wenn diese in den Duellen aber fehlen geht es nur noch darum, die vier oder fünf Angriffsmuster zu erkennen und entsprechend zu kontern, und wird mir das schnell eintönig. Dass ich in einigen Missionen keine Wahl habe als zu schleichen und den nicht ehrenvollen Weg gehen kann, mag dramaturgisch Sinn ergeben, hat mich aber doch etwas gestört. Ich bin immer für Wahlfreiheit, kann aber auch den Entwicklungsaufwand dahinter als Grund verstehen, eher linear zu bleiben. Immerhin sind es nur ein paar wenige Missionen, die mich wirklich zwingen und selbst dann ist die Mechanik eher nachsichtig. Oder zumindest die Checkpoints gut und häufig gesetzt.
Deshalb ist für mich Ghost of Tsushima ein sehr gutes Spiel und war auch die Reise wert, aber für ein weiteres Mal, egal ob New Game+ oder auf PC, würde ich es zumindest so schnell nicht noch einmal spielen. Dafür war am Ende dann doch zu sehr die Luft raus. Mal abgesehen davon, dass mein Pile Mountainridge of Shame nicht kleiner wird.