Die kanadische Spieleschmiede Bioware ist für exzellente Rollenspiele im Fantasy Setting für den PC und die StarWars Rollenspiele bekannt. Mit Mass Effect wagten sie sich gleich mehrfach an Neuland: Es basiert nicht auf einer bekannten Welt, statt isometrischer wird die Third-Person-Ansicht verwendet und der Fokus verschob sich merklich von Rollenspiel hin zum Shooter.
Zuerst zu den technischen Aspekten: Bei Mass Effect hat sich Bioware gegen eine Eigenentwicklung und für die Unreal Engine 3 entschieden. Die bietet schon mal eine solide Basis für eine sehr gute Grafik, was das Spiel aber nur teilweise umsetzt: Oft wirken die Levels etwas steril und die Vielfalt an Texturen ist auch eingeschränkt (aber wenigstens gibt es keinen braun/grün-Mix wie in UT3). Überwiegend merkt man aber dass sich die Designer viel Mühe mit den Umgebungen gegeben haben. Leider bin ich auch auf Bugs gestoßen: zwar nur auf einen großen (den Lavatextur-Bug auf Therum), aber einige kleine wie die Massen an Clipping-Fehler, fehlerhafte Schatten und die Gesichtstexturen des Charakters Garrus (die sind immer niedrig, obwohl ich alle Texturdetails auf Maximum gedreht habe). Aber erstmal genug der Meckerei, Mass Effect hat auch viele guten Seiten.
Wie bereits erwähnt haben sich die Designer viel Mühe bei den Levels gegeben. Der wichtigste Punkt des Spiels ist die Citadel, eine Raumstation die als Sitz des intergalaktischen Rates dient. Auf ihr befinden sich Vertreter aller Rassen und neben den für die Story relevanten Orte gibt es auch einige für Nebenaufgaben oder um sich einfach nur mal um zuschauen. Auch die Levels der Hauptmissionen sind sehr schön und abwechslungsreich gestaltet, z.b. eine Welt die fast nur von Wasser bedeckt ist bei der am Horizont immer bedrohliche Gewitter drohen. Auch die Story weis, auch wenn sie etwas schleppen startet, zu begeistern, was nicht zuletzt an den grandiosen Dialogen liegt. Diese sind komplett vertont und sorgen so für mehr Atmospähre als die Textwüsten aus anderen Spielen (z.b. King’s Bounty – The Legend). Mit einem Trick klappt dass auch beim Hauptcharakter: Man hat zwar die Wahl zwischen einem männlichen und einem weiblichen Protagonisten, bei dem man sowohl die Talente als auch das Aussehen in einfachen Editoren individuell festlegen kann, aber da er bzw. sie immer den Nachnamen „Shepard“ trägt und von allen so angesprochen muss nicht alles mehrmals vertont werden. Ich habe mich zu Beginn für den Standard-Shepard entschieden, der der Klasse Soldat angehört. Neben der Kriegerklasse gibt es noch den Techniker (eine auf Unterstützung spezialisiert Klasse) sowie den Biotiker (eine Art Magie in der Welt von Mass Effect), außerdem können alle Klassen gemischt werden, was insgesamt sechs mögliche Klassen bedeutet. Jede Klasse verfügt über Talente und Fähigkeiten, auf die frei die Talentpunkte, die man bei jedem Levelaufstieg bekommt, vergeben werden können. Manche werden aber erst freigeschaltet, nachdem man in einen anderen Bereich eine gewissen Anzahl an Punkten investiert hat.
Als Soldat setzt man auf die Argumente seiner Waffen, die wiederum in die Kategorien Pistolen, Schrotgewehre, Sturmgewehre und Scharfschützengewehre unterteilt sind. Hauptsächlich habe ich mit den Sturm- und Schrotgewehren gespielt, da Pistolen einfach zu wenig Schaden machen und jeder Talentpunkt verschwendet ist und Scharfschützengewehre nur in wenigen Situationen wirklich nützlich sind. Alle Waffen lasse sich mit Upgrades (z.b. um die Zeit bis zum Überhitzen zu verlängern oder sie Trefferwahrscheinlichkeit zu erhöhen) oder Spezialmunition (z.b. Brandmunition) bestücken. Munition ist grundsätzlich unbegrenzt verfügbar. Damit man nicht die ganze Zeit aus allen Rohren ballernd durch die Levels zieht überhitzen die Waffen nach einer gewissen Zeit und werden für einige Sekunden unbrauchbar. Zusätzlich gibt es nur Granate, aber mit diesen muss man schwer Haushalten da man nur eine sehr begrenze Stückzahl mit in dem Kampf nehmen kann.
Techniker und Biotiker habe ich bisher nicht weit gespielt, aber sie lassen sich gut mit Klassen in anderen Rollenspielen vergleichen. Als Techniker teilt man weniger Schaden aus sondern unterstützt die anderen Mitglieder des Teams oder stört die Gegner, indem man z.b. Waffen kurzzeitig hemmt. Biotiker sind die Magier in Mass Effect, sie können mit ihren Fähigkeiten Gegner Manipulieren und sie z.b. kurzzeitig in die Luft heben. Bei jedem Einsatz hat man zwei Teammitglieder dabei und es lohnt sich, auf eine ausgewogene Mischung zu setzten. Pure Feuerkraft hilft gegen Ende des Spiels nicht weiter, eine Kombination aller Fähigkeiten ist da viel effektiver.
Die Story dreht sich um den Hauptcharakter Shepard, der erste menschliche sog. Spectre. Diese Spezialagenten werden vom Rat der Galaxie nur auf besonders heikle Missionen geschickt und haben deren vollstes Vertrauen. Bereits in den ersten Spielstunde kommt man dem Verrat eines fehlgeleiteten Spectres und schließlich der Macht auf die Spur, die ihn erst zum Verrat bewogen hat. Dabei wartet die Story mit mehreren überraschenden Wendungen auf, die meist in großartig inszenierten Zwischensequenzen und Dialogen gezeigt werden. Leider ist die Mimik und Gestik der Charakteren nicht immer ganz sauber und wirkt zuweilen auch etwas steif und verkrampft, aber das tut der Atmosphäre keine Abbruch. Die Dialoge sind nicht nur sehr gut übersetzt sondern auch Großteils mit passenden Sprechern besetzt, die nicht nur den Text leblos vom Blatt ablesen. Einen gravierenden Fehler haben sie sich aber doch geleistet: Die Raumstation „Citadel“ wird zwar englisch geschrieben, aber alle Charaktere sprechen sie deutsch aus (Zitadell – und nein hier fehlt kein e). Ein einfaches System macht es möglich, die Dialoge entweder schnell zu Ende zu bringen (für die ungeduldigen) oder mehr Hintergrundinformationen zu erfragen. Beim ganze Universum von Mass Effect habe sich die Entwickler sehr viel Mühe gegeben. Man erfährt nicht nur in den Dialogen sehr viel, das Spiel stellt im sog. Kodex eine Art Lexikon zur Verfügung, in der man Stunden nur mit Lesen verbringen kann. Die Story endet mit einem furiosen Finale, das zwar genug Raum für eine Fortsetzung lässt (soll 2010 erscheinen), ist aber kein brutaler Cliffhanger der mehr Fragen als Antworten auf wirft wie z.b. in Crysis. Außerdem sollen sich die Spielstände im zweiten Teil nutzen lassen, so dass getroffene Entscheidungen auch Einfluss auf dessen Story haben.
In den Nebenmission stößt man häufig auf immer gleiche Räume, in denen nur Kisten umgestellt wurden (oder gar keine sind).
Obwohl das Spiel insgesamt sehr linear abläuft hat zu Beginn gleich mehrere Aufträge zur Auswahl. Alles steuert auf ein Ziel zu und es macht keinen Unterschied, in welcher Reihenfolge man die Aufträge annimmt oder zwischendurch auch mal ein paar Nebenmissionen macht, da die Gegner sich dem Levels des Hauptcharakters anpassen. Um die Missionen anzugehen wählt man zuerst auf einer hübschen Sternenkarte den passenden Cluster, dann das System und reist schließlich auf den Planeten. Auf den Planeten landet man mit einem sechsrädrigen Fahrzeug, dem Mako. Dessen Steuerung haben die Desigern aber gehörig versiebt, das Teil reagiert sehr sensibel auf kleinste Unebenheiten und fährt nicht mal richtig gerade aus. Mit dem fest installierten Geschütz lassen sich größere Gegner aufs Korn nehmen oder mit dem Maschinengewehr zerlegen. Leider sind die Fahrzeuglevels nicht sehr abwechslungsreich gestaltet, oft geht es einfach nur gerade aus oder man windet sich konstant um eine unsichtbare Achse – hier währe mehr drin gewesen.
Blühende Landschaften: Auf einem „erdähnlichen“ Planeten scheint es nur Gras, Moos und Felsen zu geben
Noch schlimmer wird es aber bei den Nebenaufträgen. Meistens geht es nur darum auf einem Planeten einen bestimmten Punkt zu finden oder ihn nach Mineralien oder Wracks abzugrasen. Leider sind diese Levels sehr lieblos gestaltet, es sind nur große Flächen mit Kratern und Bergen, aber nur einer Art Texturen, Vegetation sucht man vergebens. Ich weis ja dass die Erde im Universum eine Ausnahme ist und die meisten Planeten nur Felsbrocken mit gigantischen Stürmen oder lebensfeindlichen Temperaturen sind, aber auf einem als „erdähnlich“ beschriebenen Planeten scheint es nur Gras, Moos und Berge zu geben. Auch bei den Inneneinrichtungen können die Nebenmissionen nicht überzeugen, häufig rennt man durch die exakt gleichen Levels, in denen nur ein paar Kisten umgestellt wurden oder eine Tür nicht aufgeht.
dr Hemmel auf der Dez knallt: Die Downloadmission Kollisionskurs spielt auf einem Kometen mit Planet im Hintergrund.
Abwechslung bietet die Download-Mission „Kollisionskurs“ (Bring down the Sky), die auf einem Asteroiden spielt der auf einen Planeten zu rast, was man natürlich verhindern soll. Okay, die Oberfläche eines Asteroiden ist jetzt nicht gerade ein farbenfroher Vergnügungspark, aber hier haben sich die Designer mehr Mühe bei der Landschaft gegeben – andere Missionen sehen aus als ob zufällig irgendwo Erhebungen erstellt wurden damit es nicht wie eine flache Wüste aussieht.
Auf Knopfdruck wird das Spiel pausiert und das Kampfmenü erscheint, in dem in Ruhe Befehle gegeben werden können.
Aber egal ob man sich auf einer Haupt- oder Nebenmission befindet, das Gameplay ist das gleiche: Ich hab‘ ja erst vermutet dass Mass Effect ein (Action-)Rollenspiel ist, aber es entpuppte sich als Shooter mit starken Rollenspielelementen. Die Talente des Charakters haben zwar einen großen Einfluss auf den Ausgang von Kämpfen (so hängt die Trefferwahrscheinlichkeit nicht nur vom der Hand-Augen-Koordination sondern auch von den Charakterattributen ab), aber oft hilft ein schneller Zeigefinger mehr als die besten Charakterwerte. Das Spiel kann über weite Strecken als reinrassiger Shooter gespielt werden, erst spät im Spiel kommen Dinge wie der richtige Einsatz und Positionierung der Teammitglieder oder der richtige Gebrauch der Spezielfähigkeiten zum tragen und werden wirklich notwendig. Im Kampf stehen dazu vier Befehle für die Teammitglieder zur Verfügung. Zwar läuft alles in Echtzeit ab, lässt sich aber pausieren um Befehle zu geben und Spezialfähigkeiten ein zusetzten (warum das so gemacht wurde ist mir schleierhaft da es eigentlich nicht notwendig erscheint und mit dem Spielprinzip bricht).
Jedes mal wenn man eine verschlossene Kiste öffnet muss man ein Minispiel absolvieren, was auf Dauer nervt.
Allerdings gibt es auch nerviges: Im Gegensatz zur XBox360 Version muss bei jedem öffnen einer verschlossenen Truhe ein Minispiel absolviert werden, das nicht nur langweilig und uninspiriert ist, sondern auf Dauer auch tierisch nervt. Ansonsten gibt es nur an 2, 3 Stellen Rätsel, die dazu noch sehr einfach gehalten sind (Stichwort: Türme von Hanoi).
Insgesamt erfüllt Mass Effect einige, aber nicht alle gesteckten Erwartungen. Dass es eher einem Shooter als einem Rollenspiel gleicht ist hier noch das kleinere Problem. Die Story ist grandios, die Dialoge sowieso. Auch die Levels der Hauptmission überzeugen, aber warum sind die Nebenmissionen so langweilig und eintönig? Hier wird eindeutig Potential verspielt.
Auch scheint die Portierung nicht einwandfrei zu sein: Ich bin zwar nur auf einen großen Bug gestoßen, aber im offiziellen Forum häufen sich die Beschwerden über die selben, bekannten Probleme. BioWare hat Ende Januar einen neuen Patch gekündigt, mehr ist seitdem aber nicht passiert. Sie hatten bisher einen nahezu makellosen Ruf in der Spielergemeinde, den sie nun verspielen. Ob und wie sie an dem Patch arbeiten ist unklar, da es dazu seit Monaten keine neuen Informationen gibt – stattdessen wird fleißig für den Nachfolger und Dragon Age geworben, was den Eindruck erweckt sie kümmern sich nur noch daran.
Trotzdem (oder gerade weil ich von großen Problemen verschont blieb) ist Mass Effect ein sehr gutes Spiel mit kleineren Schwächen. Die Spielzeit ist mit knapp 20 Stunden auch ordentlich ausgefallen, zumindest für ein halbwegs aktuelles Spiel – und dann auch noch ein Shooter.