Review: Murder by Numbers

Screenshot: Murder by Numbers

Mit Visual Novels bin ich nicht wirklich vertraut, allein schon weil ich kein Fan davon bin, lange Texte am Bildschirm zu lesen, egal wie viele bunte Bilder es drum herum hat. Murder By Numbers hat aber mein Interesse geweckt, hauptsächlich weil es nicht nur auf ein Genre beschränkt: zwischen den Dialogen wollen Rätsel gelöst werden, und zwar in Form von Nonogrammen, meine liebste Art von Logikrätseln. Aber reicht das auf Dauer? Und was ist eigentlich mit der Story, Krimis sind jetzt eigentlich auch nicht so mein Ding, kann sie mich bei der Stange halten?

Inhalt

2D mit westlichem Stil – Grafik und Sound

Screenshot: SCOUTs Vorstellung ist alles andere als subtil
SCOUTs Vorstellung ist alles andere als subtil

Zur Technik gibt es nur wenig zu sagen, immerhin geht es hier um eine Visual Novel: sieht besteht hauptsächlich aus Dialogen, die Charaktere sind nur als 2D-Bilder eingeblendet. Für die meisten gibt es Varianten ihre Emotionen, die entsprechend zur aktuellen Situation wechseln. Allerdings ist es nur ein Überblenden, Animationen mit Soundeffekten gibt es nur sehr selten. Um jeden Charakter ist ein dicker, weißer Rahmen, wodurch sie aussehen, als wären sie mit einer Schere ausgeschnitten worden, was ich aber doch ganz passend fand. Vor allem kollidieren sie dann nicht mit den unterschiedlichen Hintergründen. Interface und Bedienung sind solide, da hatte ich nichts auszusetzen.
Das ganze Spiel ist im Comic-Stil gehalten, aber in einem eher westlichen. Immerhin kommt es von einem britischen Studio, wobei auch ein paar Japaner für Design und Musik dazu geholt wurden.

Die Musik passt zum Spiel und schwankt größtenteils zwischen entspannt und lebhaft (upbeat), wobei auch für die wenigen, dramatischen Szenen ein passendes Stück bereit steht. Nur in den Rätseln wird scheinbar zufällig gewählt, da kam nicht immer das Stück, auf das ich gerade Lust hatte. Ich habe sie deshalb später im Spiel komplett abgeschaltet, zumindest für die Rätsel.

Was aber nicht immer so einfach geht, da man zwischen den Dialogen nicht das Hauptmenü öffnen kann. Es gab ein paar mal die Situation, dass ich eigentlich zu müde war um weiter zu spielen, aber ich nicht raus konnte, weil ich in einer lange Dialogreihe fest hing. Die Menüs zum Speichern sind nur zwischen den Dialogen und in Rätseln verfügbar. Das hat mich zeitweise doch arg genervt und ich sehe keinen Grund, warum man nicht in einem Dialog das Spiel unterbrechen kann.

Der Technik entsprechend gibt es kaum Optionen, nur Lautstärkeregler für Musik und Effekte, die Sprache des Spiels (aktuell nur Englisch und Japanisch) und wie schnell der Text eingeblendet wird. Was mir fehlt ist ein Borderless-Windowed-Modus, es geht nur Vollbild oder der normale Fenstermodus, welcher aber die dicke Titelzeile von Windows beinhaltet, die ich in einem Spiel nicht wirklich brauche.

Ein letzter Satz dazu noch: ich habe das Spiel am PC gespielt, aber ich glaube, ich hätte es lieber auf der Switch. Gerade die Dialoge würde ich wohl lieber entspannt auf dem Sofa mit der Switch im Handheld-Modus lesen. Mit der Maus lassen sich dafür die Nonogramme entspannt lösen, wobei ich nicht weiß, ob die Switch-Version auch dessen Touchscreen unterstützt.

Viel Text und moderne Nonogramme – das Gameplay

Screenshot: In dieser Ansicht verbringt man sehr viel Zeit
In dieser Ansicht verbringt man sehr viel Zeit

Im Kern ist Murder by Numbers eine Visual Novel, also eine Geschichte die mit viel Text und Bilder erzählt wird. Das schon lange in Japan sehr beliebte Genre ist eine logische Weiterentwicklung des Textadventures und ist seit einigen Jahren auch im Westen sehr populär. Mit teils recht merkwürdigen Titeln * hust * Hatoful Boyfriend * hust *.
Das Prinzip ist einfach: es läuft eine Geschichte, die primär über Dialoge oder innere Monologe des Protagonisten erzählt wird. In vielen Spielen muss man Entscheidungen treffen, die dann zu unterschiedlichen Enden führen, hier ist das aber nicht der Fall. Zwar muss man zum Ende eines Falls hin die richtige Schlussfolgerung ziehen, man hat aber drei zur Auswahl und trifft man die Falsche wird man von den Charakteren darauf hingewiesen und kann erneut wählen. Um die streng linear verlaufenden Geschichte voran zu bringen, muss man verschiedene Orte besuchen, mit Charakteren sprechen und die Umgebung nach Hinweisen absuchen und diese identifizieren. Einige Orte musste ich mehrfach besuchen, damit ich neue Hinweise finde. Im vierten Fall passierte das für meinen Geschmack aber etwas zu oft, ich reiste nur noch zwischen Orten hin- und her, um die richtigen Personen abzuklappern, teils zu sehr kurzen Dialogen. Immerhin geht das fast komplett ohne Ladezeiten, aber bei einem technisch so anspruchslosen Spiel erwarte ich auch nichts anderes.

Für das Suchen wird ein extrem simples Mini-Spiel verwendet: der Hintergrund wird grün eingefärbt und stark vergrößert, und man sieht ein kleines Fadenkreuz in der Mitte. Mit der Maus fährt man das Bild ab, je schneller das Fadenkreuz blinkt, desto näher ist man einem Objekt. Mir ist dabei nicht immer ganz klar, was da jetzt interessantes sein sollte, weil der Hintergrund so unscheinbar aussieht. Ein Klick und die Identifizierung startet.
Das Prinzip der Rätsel ist einfach und am ehesten aus Nintendos und Jupiter Corp’s Picross-Serie bekannt: ein rechteckiges Feld ist in Zeilen und Spalten eingeteilt, am Rand oben und links stehen Zahlen. Diese geben an, wie eine Zeile oder Spalte ausgefüllt wird. Als Hilfen kann man Felder, von denen man sich sicher ist, dass sie nicht ausgefüllt werden mit einem X markieren.
Das ging alles schon im ersten Spiel für den Original Game Boy, die neueren Spiele bieten deutlich mehr Komfortfunktionen. Murder by Numbers hat dafür noch ein paar Hilfefunktionen dabei, z.b. dass komplett gefüllte Reihen ausgegraut werden oder dass Reihen, in denen man mit dem aktuellen Stand Felder füllen kann lila markiert werden. Das ist optional und verringert noch nicht den Score, gerade später im Spiel habe ich diese Funktion oft genutzt, weil man dann keine kompletten Reihen, sondern nur noch Teile sicher füllen kann und sich von da aus weiter vorarbeiten muss.

Standardmäßig zeigt das Spiel keine Fehler an, stimmt etwas nicht muss man das selbst herausfinden. Man kann seinen aktuellen Stand überprüfen lassen und falsche Felder werden dann angezeigt, diese Funktion zieht aber Punkt vom Score ab. Ein Zeitlimit gibt es nicht und man kann beliebig oft neu Anfang. Da würde ich mir aber wünschen, wenn ich das komplette Feld auf Knopfdruck komplett zurücksetzten könnte. Wenn ich die Unstimmigkeiten nicht auflösen kann fange ich komplett neu an, so muss ich etwas umständlich jedes Feld einzeln löschen.
Die Größe bleiben mit 5×5 bis 10×15 Überschaubar, da gab es in Picross DS auf dem Nintendo DS schon größere, dafür passt so jedes Rätsel auf den Bildschirm und man muss nicht scrollen. Der Schwierigkeitsgrad steigt zu Anfang recht schnell an, aber spätestens im dritten von vier Mordfällen haben sie sich auf einem Niveau eingependelt und werden gefühlt nicht mehr wesentlich schwerer. Wobei es immer noch Rätsel gab, die ich mehrfach neu anfing, nur um das nächste in einem Rutsch ohne groß Nachdenken zu lösen. Zu diesem Zeitpunkt sind sie aber nicht ohne, dann gibt es oft keine Reihen mehr, die man ohne weiter Hilfe komplett ausfüllen kann. Stattdessen kann man nur Teile oder nur einzelne Zellen füllen, und muss sich damit vorarbeiten.

Screenshot: Es gibt einige sehr praktische Hilfefunktionen, die sich aber auf den Score auswirken können
Es gibt einige sehr praktische Hilfefunktionen, die sich aber auf den Score auswirken können

Und das wars im Endeffekt auch schon. Die ungefähr 20 Stunden Spielzeit verbringt man größtenteils mit Dialogen oder dem lösen der Nonogramme. Einzige Abwechslung sind die Hacking-Sequenzen, hier muss man sehr einfache 5×5 Nonogramme ohne Hilfen und unter Zeitdruck lösen. Das lockert nur wenig auf, allgemein ging mir gerade hinten raus ziemlich die Puste aus. Das die Rätsel gefühlt nicht mehr schwerer wurden machte das Ganze noch eintöniger. Ich glaube, ein paar weniger hätten es auch getan, zumal nicht jedes Objekt wirklich viel dazu beiträgt, den Fall zu lösen.

Ein paar Mal habe ich jetzt vom Score geschrieben: man bekommt Punkte, wenn man ein Rätsel gelöst hat. Die Zeit spielt dabei keine Rolle, aber die genutzten Hilfen können ihn verringern. Man steigt in jedem Fall nach und nach im Rang auf, was aber nur Bonus-Rätsel im Hauptmenü freischaltet. Da hatte ich mir schon mehr erhofft, dass man z.b. Konzeptbilder oder sowas in der Art bekommt, nicht nur noch mehr Rätsel. Ob man etwas bekommt wenn man diese auch noch löst weiß ich nicht, da ich nur ein paar davon gemacht haben, es war einfach zu sehr die Luft raus.

Charmante 90er Jahre Klischees – Story und Charaktere

Screenshot: Die Charaktere sind häufig sehr ausgefallen und überzeichnet
Die Charaktere sind häufig sehr ausgefallen und überzeichnet

Die Story ist wie erwartet gespickt mit verrückten, aber auch charmanten Charakteren und allgemein einem 90er-Jahre-Charm: alles ist etwas bunter als gewohnt, gerade die Kleidung der Charaktere – und damit meine ich noch nicht mal die Drag Queens im dritten Fall. Auch mit Popkultur-Referenzen, speziell an diese Zeit, spart das Spiel nicht.

Die Prämisse ist schnell erklärt: der Hauptcharakter Honor Mizrahi ist Schauspielerin und wird in mehrere Mordfälle verwickelt, der erste passiert am Set ihrer Sendung. Da die Polizei sie und alle anderen erstmal festhält macht sie sich daran, den Fall zu lösen. Kurz vorher trifft sie auf ihren Gefährten SCOUT, ein schwebender Computer, der die gefundenen Hinweise identifiziert. Er ist ohne Erinnerung auf einem Müllberg aufgewacht, dann umhergewandert bis zur ersten Person die er traf, und das war Honor. Die weiteren Charaktere wechseln oft durch, sie sind selten in mehr als zwei Fällen vertreten. Eigentlich nur der ältere, leicht griesgrämige Detective Cross und ihr Stylist K.C. tauchen öfter auf. Die Fällen stehen alle mit einander in Verbindung, auch wenn das meistens zu Anfang nicht klar ist. Als übergeordnete Geschichte geht es vor allem darum, woher SCOUT kam und wie der mit gelöschten Gedächtnis auf der Müllhalde landete.

Die Charaktere sind alle mehr oder weniger stark überzeichnet und Klischeehaft, aber auch irgendwie auf ihre Art sympathisch. Zumindest die meisten, die Bösewichte kann man guten Gewissens hassen, da sie teils einiges auf dem Kerbholz haben, was man aber erst im Verlauf des Spiels herausfindet.

Die Dialoge nehmen einen großen Teil des Spiels ein und sind auch gut geschrieben. Das Spiel ist aktuell nur auf Englisch und Japanisch verfügbar, vertont ist dabei nichts. Die ein oder anderen Animee-Klischees werden dabei auch zelebriert, wie überzogen dargestellte Gesichtsausdrücke und die Anime-Schweißtropfen. Ist bestimmt nicht jedermanns Sache, ich habe damit weniger Probleme. Zumindest seit ich Tokyo Mirage Sessions #FE und Persona 5 gespielt habe. Ein wenig nervig ist, dass manche automatisch weiter laufen, und zwar so schnell, dass ich kaum zum lesen kam. Das hat zwar meistens dramaturgische Gründe, aber nervt mich trotzdem etwas.

Fazit

Screenshot: Hacking ist einzige Abwechslung im Spiel
Hacking ist einzige Abwechslung im Spiel

Die Mischung von Murder By Numbers wirkt auf den ersten Blick ungewöhnlich, aber sie funktioniert. Nonogramme als Rätsel zu lösen passt zum Spiel, auch wenn es mir irgendwann zu viele wurde – da es nur eine Art gibt, wird es auf Dauer zu eintönig. Die Story ist spannend, aber auch recht linear und zu einem gewissen Grad durchschaubar. Ihren 90er-Jahre-Charme mit den sehr klischeehaften Charakteren muss man aber mögen. Die Spielzeit mit 20h sehr reichlich, aber gerade hintenraus zieht es sich stark, da man nur ein Rätsel am anderen löst und von Location to Location wechselt, was auf Dauer recht eintönig wird.