Review: The Plucky Squire / Der kühne Knappe

Screenshot: Start von The Plucky Squire / Der kühne Knappe

The Plucky Squire machte bereits mit seinem ersten Trailer 2022 gehörigen Eindruck: Die handgezeichnete, an Kinderbücher erinnernde Grafik, dazu 2D-Action, die wahrscheinlich nicht zufällig an die The-Legend-of-Zelda-Spiele erinnert. Aber dann die Überraschung: Die kleine Figur springt aus dem Buch heraus und läuft auf dem Schreibtisch des Kinderzimmers umher! Das hatte ich zumindest so noch nicht gesehen und dadurch kam der Titel sofort auf meine Wunschliste.

Die Entwicklung dauerte dann aber noch über zwei Jahre, erst im vergangenen Herbst erschien der Titel von Entwickler All Possible Futures und Publisher Devolver Digital. Dazwischen gab es wenig neues Material, sondern viel Funkstille, mein Interesse klang aber nie ab. Die Mischung aus 2D- und 3D-Action-Adventure machte einen zu guten Eindruck. Die kindgerechte Optik und Story störten mich nicht, das muss ja nicht bedeuten, dass das Spiel auch automatisch nur für Kinder ist.

Noch ein Hinweis: In Deutschland wird das Spiel unter einem lokalisierten Namen vertrieben, nämlich Der kühne Knappe. Ich finde den aber nicht so gelungen, weil das Wort "plucky" noch weitere Bedeutungen hat. Deshalb bleibe ich hier durchgängig bei der internationalen Bezeichnung. Ich benutze auch ansonsten primär die englischen Begriffe und Namen, weil ich das Spiel auf englisch gespielt habe. Sofern ich sie weiß, nenne ich die deutsche Übersetzung in runden Klammern. Ich habe nur zum Testen kurz in die deutsche Version geschaut, hauptsächlich um zu sehen, ob sie auch einen deutschen Sprecher engagiert haben: Das Ergebnis: Ja, es ist auch auf Deutsch vertont.

Inhalt

Zwei Welten: die Technik

Screenshot: The Plucky Squire mischt 2D und 3D Gameplay
The Plucky Squire mischt 2D und 3D Gameplay

Technisch basiert The Plucky Squire auf der Unreal-Engine. Das Spiel besteht aus zwei Teilen in 2D und 3D, in keinem hatte ich technische Probleme, das Spiel lief bei mir immer absolut flüssig. Allerdings drehten die Lüfter meiner Grafikkarte ganz schön auf, die Engine aus dem Hause Epic Games ist nicht für ihren sparsamen Ressourcenverbrauch bekannt. Deshalb kann ich mir vorstellen, dass die Version für die Nintendo Switch nicht so gut läuft. Aber da ich für sie aus Prinzip nur noch Exklusiv-Titel kaufe und alles andere auf leistungsstärkeren Plattformen, habe ich damit keine eigenen Erfahrungen.

Im Buch ist alles zweidimensional, die Grafik wirkt handgezeichnet, der Stil erinnert mich an Kinderbücher: Alles ist freundlich, abstrahiert und sehr farbenfroh. Die Farbpalette scheint mir arg begrenzt, das meiste wird mit recht wenigen, pastellartigen Farben in Szene gesetzt. Dadurch sehen die unterschiedlichen Gebiete aber alle irgendwie ähnlich aus. Die flüssigen Animationen können sich dagegen sehen lassen. Um der Kinder- bzw. hier eher Comicbuch-Ästhetik Rechnung zu tragen, werden bei vielen Aktionen die typischen, lautmalerischen Wörter wie "Pow", "Zoom" oder "Smoosh" in einer kleinen Wolke eingeblendet. Das klingt nervig, aber sie werden nur sehr kurz angezeigt und haben mich allgemein nicht gestört. Im Gegenteil, ich fand sie unterstreichen die Stimmung und den Stil.

Aus dem Buch raus wird es dreidimensional und der Stil ändert sich deutlich. Das Buch liegt auf dem Schreibtisch eines sehr kreativen Kindes, entsprechend ist er von Utensilien wie Stifte, Farbe und Kleber gesäumt. Die Umgebung ist sehr detailliert gestaltet, aber alles wirkt irgendwie statisch und leblos, es fehlt an dynamischer Beleuchtung. Ich vermute, dass viel mit Photogrammmetrie gearbeitet wurde, der etwas unrealistisch wirkende Detailreichtum deutet darauf hin.

Screenshot: Die Welt außerhalb des Buches ist detailreich, aber auch irgendwie leblos und statisch
Die Welt außerhalb des Buches ist detailreich, aber auch irgendwie leblos und statisch

Die Steuerung ist präzise und geht gut von der Hand, mehr als den linken Stick (oder das Steuerkreuz) zur Steuerung des Charakters sowie zwei Tasten zum Springen und Zuschlagen und eine Schultertaste für Spezialangriffe braucht es meist nicht. In den 3D-Abschnitten hatte ich teils Probleme mit Sprüngen, durch die starre Kamera und den etwas ungewöhnlichen Blickwinkel fiel es mir manchmal schwer, Entfernungen richtig abzuschätzen. Dazu fand ich, dass Sprünge in 2D immer etwas präziser funktionierten als in 3D, war aber alles noch im Rahmen. Da der Schwierigkeitsgrad allgemein niedrig ist und Checkpoints oft gesetzt sind, war es im Endeffekt kein großes Problem. Eigentlich hatte ich nur in einer Situation ein Problem mit der Steuerung, nämlich mit den Rätseln, bei denen ich eine Buchseite kippen musste. Instinktiv hätte ich den Stick in die andere Richtung gedrückt, wie es das Spiel von mir verlangt. Aber da ich es nie unter Zeitdruck machen musste, hat es mich nur kurz genervt, aber keine Probleme verursacht.

Ich habe das Spiel mit einem Controller gespielt, weil ich das für diese Art von Action-Adventure gewohnt bin. Ich kann auch zur Maus greifen und damit spielen, das Spiel stellt sich ohne Verzögerung und automatisch darauf um. Dabei ändern sich auch dynamisch die eingeblendeten Symbole, also was ich wofür drücken muss. In einem Minispiel habe ich das genutzt, weil mir Zielen mit den Analog-Sticks nicht liegt. Standardmäßig werden nur Xbox-Controller unterstützt, für meinen Dual Shock 4 (für die Playstation 4 gedacht) musste SteamPlay als Zwischenschicht ran. Dann werden zwar die falschen Symbole angezeigt, aber das Spiel hat eine Option, mit der ich sie manuell auf unterschiedliche Controller-Typen umstellen kann. So wurden trotzdem die passenden Symbole angezeigt und ich wurde nicht unnötig verwirrt.

Geteilte Welt: das Gameplay

Im Kern ist The Plucky Squire ein Action-Adventure und wie bereits gesprochen in zwei Teile geteilt: 2D und 3D. Beide haben starke Einflüsse von The Legend of Zelda, was schon beim Protagonisten anfängt: Jot trägt ein verdächtig ähnliches Gewand, aber in Rosa statt Grün. Mit seinem Schwert erledigt er die meisten Gegner. Er greift in einer dreistufigen Kombo an, die Animationen sind aber nicht ganz so ausladend wie in Neva, entsprechend fühlt sich das Spiel etwas responsiver an. Im Verlauf kann er weitere Fähigkeiten lernen, vor allem der Schwertwurf ist als Fernkampf-Angriff nützlich. Ein Dreh-Angriff ganz im Stil von Link gibt es auch, den habe ich aber kaum genutzt.

Screenshot: Jot kann Wörter tragen und in Sätzen austauschen, um Rätsel zu lösen
Jot kann Wörter tragen und in Sätzen austauschen, um Rätsel zu lösen

Dazu kann er springen und bestimmte Gegenstände tragen oder verschieben. Das ist vor allem für die Lösung der Rätsel notwendig. Schlüssel sammeln und Schalter drücken sind nichts Neues, wobei die Lösung meist nicht sonderlich weit entfernt liegt, teils sogar in unmittelbarer Nähe. Ungewöhnlich sind die Wort-Rätsel: An einigen Stellen steht ein Satz in der 2D-Spielwelt, wo Jot bestimmte Wörter herausnehmen und durch andere ersetzen kann. Der riesige Frosch, der gerade noch den Durchgang blockiert hat, wird dann klein und gibt den Weg frei. Oder der Kanal füllt sich mit Wasser oder leert sich, je nachdem, was gerade benötigt wird. Diese Rätsel sind nett, aber auch recht einfach und schnell durchschaut. Da nur bestimmte Wörter ausgetauscht werden und falsche direkt wieder herausspringen, gibt es nur sehr wenig Möglichkeiten, mit durchprobieren kam ich im Zweifelsfall auch zur Lösung.

Die Abschnitte innerhalb des Buchs spielen größtenteils in klassischer Drauf-Sicht. Immer wieder gibt es Abschnitte, wo Jot meist allein im Stil klassischer Side-Scroller agiert, dann spielt sich das Spiel wie ein Jump & Run. Bosskämpfe und andere Minispiele haben andere Perspektiven.

Screenshot: In Bosskämpfen kommen unterschiedliche Minispiele zum Einsatz
In Bosskämpfen kommen unterschiedliche Minispiele zum Einsatz

Das wirklich besondere Feature des Spiels ist, dass Jot an vorgegebenen Stellen das Buch verlassen kann. Dann spielt es sich wie ein 3D-Plattformer, wobei ich die Kamera nur in sehr geringem Maße steuern kann, meist ist der Sichtwinkel vorgegeben. Teils muss der Knappe erneut in zweidimensionale Bereiche, die als Papierstücke an die Wände geklebt sind, durch sie kann er Hindernisse umgehen. Sie können sowohl in Draufsicht als auch als Side-Scroller funktionieren. Dort ist das Gameplay identisch zu den reinen 2D-Abschnitten, wobei sie meist keine Rätsel beinhalten, sondern sich auf Kampf und Plattforming beschränken. Außerhalb des Buches muss Jot meist springend und kämpfend einen Punkt erreichen, um einen fürs Weiterkommen wichtigen Gegenstand zu ergattern. Da sind einige nette Ideen dabei und auch sehr charmant umgesetzt.

Von außerhalb kann Jot an anderen Stellen des Buches wieder hineinhüpfen, um weitere Bereiche der Seite zu erreichen. Zudem kann er die Welt im Buch von außen manipulieren, etwa indem er eine Seite anhebt und so durch die Schräge ein Loren-Wagen an eine andere Stelle rutscht. Oder er blättert ganz um, so werden vorherige Bildschirme wieder zugänglich. Später im Spiel bekommt er Stempel, mit denen er zum Beispiel die Zeit im Buch anhalten kann – praktisch, um schnell drehende Sägeblätter anzuhalten, um hindurchzukommen.

Leider beschränkt sich die Interaktion mit dem Buch auf wenige Rätsel, aus diesem eigentlich als Kern des Spiels verkauften Feature wird meiner Ansicht nach zu wenig gemacht. Andererseits wird das aus dem Buch raus- und reinhüpfen überbeansprucht, es trägt aber nicht die ungefähr acht Stunden Spielzeit. Weil es dann doch meist nur dazu dient, eine Barriere zu überwinden. Das soll nicht heißen, dass es schlecht ist. Ich finde nur, dass zu wenig daraus gemacht wird. Vor allem die Interaktion zwischen den beiden Welten ist simpel und limitiert. Es fühlt sich an, als wären es zwei separate Spiele statt zwei Teile eines Ganzen.

Screenshot: Jot kann sein eigenes Buch verlassen und in der echten Welt herumlaufen
Jot kann sein eigenes Buch verlassen und in der echten Welt herumlaufen

Dazu sind die Rätsel allgemein viel zu einfach, sie sind wohl für kleine Kinder gedacht. Als Erwachsener fühlte ich mich konstant unterfordert. Zwar kann es auch mal schön sein, eher entspannt zu spielen. Aber wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, die Rätsel in den ersten Pokémon-Spielen waren schwerer, die sich an Kinder in ähnlichem Alter richteten, vielleicht etwas älter. Trauen die Entwickler heutigen Kindern das nicht mehr zu?

Hin und wieder gibt es Schleichpassagen, die in 2D gut funktioniert haben. In 3D hatte ich ein paar Probleme, hauptsächlich weil ich teils nicht genau sagen konnte, wenn mich die Gegner sehen oder nicht. Da Jot in diesen Abschnitten keine Waffe hat, bedeutet entdeckt zu werden direkt zurück zum letzten Checkpoint.

Hin und wieder gibt es Minispiele, die meist an Arcade-Klassiker angelehnt sind: Hier ein Run and Gun, dort ein Shmup, in der Ecke da hinten ein Action-Plattformer. Die Bosskämpfe sind alle als Minispiel inszeniert, die selten zweimal vorkommen. Wem eines davon zu schwer ist, kann es im Menü auch überspringen. Ich fand ihren Schwierigkeitsgrad aber angenehm, nicht zu schwer, aber auch nicht trivial.

Wie aus dem Bilderbuch: die Story

Screenshot: Die dünne Story wird in kurzen Zwischensequenzen vorangetrieben
Die dünne Story wird in kurzen Zwischensequenzen vorangetrieben

Die Story ist schnell erzählt: Man spielt den Knappen Jot (der aber keinen Ritter zu haben scheint, was irgendwie komisch ist – ist aber wohl dasselbe wie Prinzessinnen ohne König und/oder Königin), ganz selten seine Freunde Violett (im Deutschen Viola) und Thrash (Krass). Er lebt im Königreich Artia, wo sich vieles um Kunst und vor allem Malerei dreht. Es gibt auch einige Anspielungen und Referenzen zu entdecken, sowohl bei Charakteren als auch Parodien bekannter Kunstwerke. Dann erscheint der böse Zauberer Humgrump (Grummweil) und übernimmt die Macht. Jot und seine Freunde müssen das Land wieder befreien, indem sie den Zauberer besiegen. An sich ziemlich Standard und sehr kindgerecht inszeniert.

Erzählt wird die Geschichte ganz über Texteinblendungen, häufig direkt in die Spielwelt geschrieben, es handelt sich schließlich um ein Buch. Ein Erzähler liest die Texte aus dem Buch zudem vor. Der macht seine Sache sehr gut und trägt damit viel zum Charm des Spiels bei. Dialoge zwischen Charakteren laufen in klassischen Text-Boxen oder Sprechblasen ab, sind aber nicht vertont.

Auch andere Charaktere sind redselig, es wird oft direkt gesagt, was zu tun ist. Das war wohl einigen Spielern zu viel, mit einem Updaten haben die Entwickler den "Streamlined" Modus eingebaut, der die Anzahl der Erklär-Dialoge reduzieren soll. Ich habe ohne gespielt und muss sagen, dass es mir nicht zu viele waren. Das Spiel nimmt einen schon sehr an die Hand, was in Anbetracht der Zielgruppe auch nachvollziehbar ist. Aber wirklich störend empfand ich es nicht.

Fazit

Screenshot: Nebencharaktere sind meistens ziemlich eindimensional. Malerei spielt im Königreich Artia eine große Rolle.
Nebencharaktere sind meistens ziemlich eindimensional. Malerei spielt im Königreich Artia eine große Rolle.

The Plucky Squire ist ein gutes Spiel geworden. Es besticht vor allem mit seinem farbenfrohen und freundlichen Grafikstil in den 2D-Abschnitten, die in 3D fand ich nicht ganz so gelungen. Die Metapher mit dem Buch funktioniert gut, aber die Ideen nutzen sich schnell ab, ebenso wie einige der Rätsel. Ich finde das Spiel mit etwa acht Stunden Spielzeit etwas zu lang für das, was es bietet.

Die Geschichte ist sehr kindgerecht aufgezogen, was man mögen muss. Dass die Rätsel generell viel zu einfach sind, kann ich in Anbetracht der Zielgruppe verstehen. Es schafft aber nicht die Balance, für Erwachsene trotzdem genug Anspruch zu bieten, deshalb ist es bei mir unterm Strich ein Negativpunkt.

So hat das Spiel seine Stärken und Schwächen, ist insgesamt gut, aber auch kein Überflieger. Eltern mit kleinen Kindern mögen das wahrscheinlich anders sehen. Eine Enttäuschung ist es aber auch nicht, dafür macht es zu viel richtig. Und ich habe auch einiges an Spaß an diesem vor allem sehr charmanten Werk.