Review: Titan Quest Anniversary Edition

Screenshot: Kampf mit den für Titan Quest typischen Ichtier Gegnern

Titan Quest habe ich bereits vor 17 Jahren gespielt, aber seitdem nie wieder angefasst. Selbst das erste Addon, dass ich mir erst deutlich später geholt habe, es hat irgendwie nie in meinen Zeitplan gepasst. Dabei habe ich es eigentlich in positiver Erinnerung: Eines der wenigen Action-RPGs, dass dem gefühlt ewigen Genre-Primus Diablo zumindest das Wasser reichen konnte. Dazu mit seinem Setting in der Antike, dass mich sehr anspricht. Es hat aber wohl nicht genug Fans angezogen, nach einem Addon und einer Auftragsarbeit musste das Entwicklerstudio Iron Lore 2008 schließen. Ein kleiner Rest entwickelte mit Grim Dawn ein ähnliches Spiel, das ich bis heute ebenfalls kaum gespielt habe. THQNordic kaufte die Marke Titan Quest und der Publisher ist bekannt dafür, alte Marken wieder zu beleben, mit durchwachsenem Erfolg. Titan Quest gehörte zu den ersten.

Bereits 2016 veröffentlichten sie die Neuauflage Titan Quest Anniversary Edition, die mir gerade recht kam: Nicht mehr mit Discs hantieren, technisch etwas aufgefrischt, vielleicht sogar die ein oder andere Komfort-Anpassung. Wobei ich da keine großen Erwartungen hatte, es ist ja kein Remaster oder gar Remake. Dafür kamen drei Erweiterungen heraus, dir vor allem eines gemeinsamen hatten: Der Release kam immer völlig überraschend. Entwickelt wurden sie von neuen Teams, die der Publisher meist innerhalb der Embracer-Gruppe angeheuert hat. Da es mir gerade gut in den Plan passte und das Originalspiel unlängst Volljährig wurde, habe ich einen neuen Charakter erstellt und mich durch massenweise Monster in der Antike geschnetzelt. Mangels sozialem Umfeld komplett Solo, es gibt für das Genre üblich einen Coop-Modus, wie er funktioniert und welche Einschränkungen und evtl. Features ihn vom Solo-Spiel unterscheiden, weiß ich deshalb nicht.

Inhalt

Schmales Upgrade: die Technik

Screenshot: Die Landschaft ist handgebaut und es gibt einige sehr idyllische Stellen
Die Landschaft ist handgebaut und es gibt einige sehr idyllische Stellen

Die Anniversary Edition von Titan Quest ist kein Remaster oder gar Remake, sondern nur eine leichte Auffrischung, hauptsächlich damit das Spiel auf modernen Systemen besser läuft. Ich weiß nicht, inwieweit die alte Version, insb. die von Steam, da Probleme macht. Ein wirkliches Technik-Upgrade ist es aber nicht.

Das heißt aber nicht, dass das Spiel schlecht aussieht. Titan Quest war zum Release ein Hingucker, zumindest im Genre. Die Level sind groß und schön gestaltet, vor allem die Außenlevel. Die Beleuchtung ist nach heutigen Maßstäben relativ statisch, aber das tut der stimmungsvollen Optik keinen Abbruch. Dass die Animationen der Figuren eher einfach gehalten sind, fällt durch die Perspektive auch nicht wirklich auf. Trotz der großen Level gibt es Ladenzeiten nur, wenn ich einen Teleporter nehme und selbst damit hielten sie sich in Grenzen. Zu Fuß geht es nahtlos von einem Gebiet zum nächsten. Zumindest innerhalb eines Aktes, da hängt alles zusammen, teils mit Höhlen verbunden. Das war damals eine durchaus beeindruckende Leistung und kein Standard.

Dazu gibt es die ein oder andere nette Aussicht, häufig auf noch kommenden Gebiete. Mir ist aufgefallen, dass die Entwickler teils sehr platzeffizient gebaut haben, die Level schlängeln sich häufig aneinander oder kommen nahe an älteren Gegenden zurück, wie man auf der Karte gut erkennen kann. Der Ausblick auf ein Tal oder ähnliches kann durchaus schick sein. Nicht so gut funktioniert die Umgebungsverdeckung: Verdeckt ein großes Stück Geometrie die Sicht auf meinen Charakter, sollte sie eigentlich transparent werden oder ganz verschwinden, tut sie aber nicht immer. Dann sehe ich nicht nur nichts mehr, sondern kann mich teils nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr bewegen, weil meine Klicks von der Geometrie im Sichtfeld blockiert werden. Im Hauptspiel ist nur selten der Fall, in den DLCs, ist es aber öfters ein Problem.

Screenshot: Die gewundene, chinesische Mauer bietet sich für schöne Aussichten an
Die gewundene, chinesische Mauer bietet sich für schöne Aussichten an

Die Musik dudelt meist im Hintergrund vor sich hin, passend zu Umgebung. In den Bosskämpfen wird sie dramatischer, hält sich aber trotzdem die meiste Zeit im Hintergrund. Die englischen Sprecher machen ihre Sache durch die Bank gut, wenn auch nicht überragend, ich finde ihre Akzente teils etwas zu aufgesetzt. Auch hier gilt: Im Hauptspiel und Immortal Thrones ist es tendenziell besser als in den DLCs. Die Soundeffekte gehen auch in Ordnung, mir ist kein unpassender aufgefallen, aber auch nichts, was positiv herausragt.

Noch die alte Schule: das Gameplay

Beim Gameplay merkt man Titan Quest am meisten an, dass es bereits 2006 erschienen ist. Es ist ein Action-RPG ganz im Stil von Diablo, vor allem dem zweiten Teil. Oder eher: eine verbesserte Version des zweiten Teils. Ich habe aber inzwischen neuere Vertreter des Genres gespielt hat, wie die beiden letzten Inkarnationen des Höllenfürsten aus Irvine oder einer seiner jüngeren Konkurrenten, da hat sich wieder einige getan. Titan Quest als älteres Spiel spielt sich nicht so flüssig.

Screenshot: Die Innenlevel sind stilsicher und das Beleuchtungssystem kommt gut zur Geltung
Die Innenlevel sind stilsicher und das Beleuchtungssystem kommt gut zur Geltung

Das liegt für mich vor allem an einer Sache: Meine Eingaben werden nicht gepuffert. In anderen Spielen, wenn ich eine Aktion auslösen will, die gerade nicht möglich ist (wegen Lag, Cooldown, etc), wird sie gepuffert und zum nächstmöglichen Zeitpunkt ausgeführt. Das Spiel "merkt" sich quasi, was ich machen will und tut es dann sobald es wieder geht. Titan Quest scheint das nicht zu passieren. Ich muss beispielsweise für jede Aktion stehen bleiben, ich kann so gut wie nichts aus vollem Lauf machen. Weil dann schlicht nichts passiert. Ich muss also erst die Bewegung stoppen, erkennen dass mein Charakter nichts mehr tut und erst dann kann ich eine Fähigkeit zünden. Das sorgt dafür, dass sich das Spiel nicht so flüssig anfühlt. Mal abgesehen davon, dass Gegner die ganze Zeit angreifen können, mein Charakter entsprechend etwas verwundbarer wird. Nach einer Weile bin ich damit klar gekommen, so richtig daran gewöhnt habe ich mich aber nie. Das bin ich heute einfach anders gewohnt.

Das gilt auch wenn ich das Waffenset wechsle, ich muss die Maustaste kurz loslassen, damit mein Charakter nicht nur dasteht. Kurze Erklärung: ich habe mir mittlerweile angewöhnt, statt für jeden Angriff zu klicken, die Maustaste stattdessen gedrückt zu halten. Schont meinen Finger und den Schalter in der Maustaste. Das klappt hier auch gut, weil mein Charakter dann automatisch neue Gegner in der Umgebung attackiert, speziell wenn er fast umringt ist. Ich kann auch manuell einen neuen Gegner anvisieren, wobei ich damit so meine Schwierigkeiten hatte. Bei vielen Gegner ist der Punkt, den ich anvisieren muss um sie anzugreifen, nicht wirklich nachvollziehbar. Ich würde meist auf den großen Teil des Körpers zielen, hier scheint es aber eher Richtung Beine zu gehen. Der Punkt, wo sie quasi "auf dem Boden" sind, scheint das Ziel zu sein. Das ist bei fliegenden Gegner besonders nervig, da ich unter sie zielen muss. Ich kann das in Screenshots nicht gut darstellen, weil der Mauszeiger fehlt, da müsst ihr mir glauben, dass es arg nervig ist. Im Zweifelsfall steht mein Charakter auch einfach nur rum oder läuft um einen Gegner herum, statt ihn anzugreifen. Das kann nützlich sein, wenn ich nur durch ein Level durchrennen will. Ist aber Angriff mein Ziel, wird es nervig.

Screenshot: Für einen kurzen Abstecher geht es in die hängenden Gärten von Babylon, die vor Details strotzen
Für einen kurzen Abstecher geht es in die hängenden Gärten von Babylon, die vor Details strotzen

Das klingt jetzt negativer, als es gemeint ist. Generell gehen die Kämpfe gut von der Hand, die Waffen in der Hand meines Kriegers fühlen sich wuchtig an. Auch die Zaubersprüche machen in meinem kurzen Test einen guten Eindruck, das Trefferfeedback ist den Entwicklern wirklich gut gelungen. Wenn ich per Spezialfähigkeit mehrere Gegner auf einmal erledige und sie durch die Wucht des Schlages von mir wegfliegen, das hat schon was. Es ist auch etwas unfair, ein Spiel, das im Kern 18 Jahre alt ist, mit deutlich jüngeren und aktuellen Titel zu vergleichen, da gab es eine klare technische und spielerische Entwicklung. Titan Quest kann da nicht ganz mithalten, spielt sich aber immer noch gut und hat mir Spaß gemacht. Es ist im Kern das bekannte tot-klicken von Gegnern, das muss man mögen. Oder zumindest wie ich für eine gewisse Zeit damit Spaß haben.

Auch von der alten Schule: Da die Regeneration von Lebenspunkt begrenzt ist und es keinen anderen Weg gibt ist das Motto: Saufen gegen den Tod. Ich habe unzählige Heiltränke eingeworfen, teils mehrere pro Kampf. Ich bin in Kämpfen gestorben, weil ich keine mehr hatte oder der Cooldown noch lief. Dabei brauchen 100 Stück nur einen Platz im Inventar, das System aus Diablo 2 mit den Gürteln gibt es hier nicht, stattdessen jeweils eine Taste für Heil- und Energietränke. Aber die schiere Anzahl und wie viel Geld ich bei den Händlern allein dafür gelassen habe…

Der Schwierigkeitsgrad steigt recht sanft an. Zu Anfang hatte ich ein wenig Probleme, weil ich wenige oder keine Fähigkeiten hatte. Aber nach der Klassenwahl und paar Level-Ups bin ich aber wie ein heißes Messer durch die Gegnerbutter geglitten. Der Beginn des dritten Aktes hat dann eine spürbare Schwierigkeitsspitze, ich bin öfters gestorben, teils auch nur nach wenigen Treffern, wo ich kaum reagieren konnte. Nach einer Weile ging es aber, ich bin etwas vorsichtiger geworden, konnte ein paar Fähigkeiten upgraden, dann konnte ich wieder mithalten. Zu einfach wurde es aber nicht mehr, ich bin noch ein paar Mal gestorben, aber meist, weil ich zu sehr ins Risiko ging oder versehentlich zu viele Gegner angelockt habe.

Screenshot: Cerberus ist ein Bossgegner in Immortal Throne, sein Kampf hat fast den Flair eines WoW-Raids
Cerberus ist ein Bossgegner in Immortal Throne, sein Kampf hat fast den Flair eines WoW-Raids

Die Spielstruktur ist auch noch von der alten Schule, ganz wie früher gibt es mehrere Schwierigkeitsgrade, die aber nicht sofort verfügbar sind. Damit ich auf "Episch" spielen kann, muss ich das Spiel einmal komplett auf "Normal" durchspielen, mit allen aktiven DLCs. Nach einer weiteren Runde wird "Legendär" freigeschaltet, was später noch wichtig wird. Das gilt für jeden Charakter einzeln, überspringen oder globale Progression gibt es nicht. Für die neueren DLCs gibt es teils die Option, einen neuen Charakter direkt für sie anzulegen, dazu später mehr. Ob und wie sich das Spiel in den höheren Schwierigkeitsgrade verändert kann ich nicht sagen, weil bei mir zu sehr die Luft raus war, als dass ich noch einen Anlauf mit gut 45h angehe.

Handarbeit: Das Leveldesign

Das Leveldesign von Titan Quest unterscheidet sich von so ziemlich jedem anderen Action-RPG, da die Umgebungen von Hand gebaut wurden. In so gut wie jedem anderen Spiel diesen Genres werden sie mehr oder weniger stark aus Teilen randomisiert zusammengesetzt. Das ist hier nicht der Fall, der Aufbau der Level bleibt gleich, egal wie oft ich das Spiel neu lade. Das macht mehrfache Durchgänge vielleicht etwas langweiliger, da ich das aber selten mache und meist nicht direkt hintereinander, erfreue ich mich an den organischeren Landschaften. Und dass ich immer weiß, wo es hingeht und nicht nach dem Ausgang suchen muss. Bei anderen Spielen habe ich zudem irgendwann die Nahtstellen zwischen den Einzelteilen erkannt, aus denen die Welt zusammengesetzt wurde. Oder die Punkte, wo randomisierte Elemente eingefügt wurden, wie in Diablo 3, wo die Oberwelt gar nicht so zufällig ist, wie sie zuerst aussieht.

Screenshot: Elemente aus der Mythologie der Regionen wie die Regenbogenbrücke nach Jotunheim haben die Entwickler eingebaut
Elemente aus der Mythologie der Regionen wie die Regenbogenbrücke nach Jotunheim haben die Entwickler eingebaut

Bei Titan Quest ist das nicht der Fall, vor allem die Oberwelt mit ihrem sehr organischen Look sieht man an, dass sie von Hand gebaut wurde. Alles geht fließend ineinander über, hier ist nichts generiert oder zusammengesetzt. Es gibt weit geschwungene Kurven, lauschige Wasserfälle und merkliche Höhenunterschiede. Nur die größeren Wiesen sind teils etwas langweilig. Oft geht es an Flüssen entlang, in die mein Charakter aber nur bis zu den Knöcheln rein geht. Dafür zieht sein Modell dann schicke Ringe im Wasser hinter sich her. Die mediterrane Landschaft in Griechenland hat mir sehr gefallen, in Ägypten im zweiten Akt wird es etwas eintöniger, weil viel Wüste, in der Nähe eines Flusses geht es aber. Dann geht es weiter nach Asien, von Babylon über die Seidenstraße nach China. Da werden die Farben deutlich gesättigter, dazu geht der idyllische Look der vorherigen etwas verloren. Das gilt erst recht für die Umgebung im Addon Immortal Throne, das mich in den Tartarus schickt, weil der Totengott Hades etwas ausheckt. Die Unterwelt ist über weite Strecken sehr trostlos, mit grau-schwarzem Boden, aber auch mit einigen Details wie tote Bäumen und Siedlungen von Monstern versehen. Andere Gebiete wie die Salzseen bieten einen gelungenen Kontrast dazu.
Zum Level-Design der DLCs schreibe ich im passenden Abschnitt.

Generell sind die Landschaften groß, ich bin einige Zeit unterwegs, ein Reittier gibt es nicht. Wobei ich finde, die Entwickler von Iron Lore haben damals einen guten Mittelweg aus großen und schönen, aber nicht zu großen Landschaften gefunden. Immer, wenn ich kurz davor war, einer Umgebung überdrüssig zu werden, bin ich in die nächste Ortschaft gekommen. Dort gab es Dialoge und Händler, eventuell Nebenquests und im nachfolgenden Abschnitt hat sich die Landschaft verändert und ich war wieder motiviert. Titan Quest ist kein Open-World-Spiel ist, die Level gleichen mehr langen Schläuchen. Anfang und Ende von jedem Abschnitt ist klar definiert, dazwischen gibt manchmal mehrere Pfade, die aber kaum voneinander abweichen. Seitenwege verbergen das ein oder andere Geheimnis, Ziele von Nebenquests oder besonderen Gegner, aber nichts Wesentliches. Wer einfach durch die Hauptquest durchrennen will, wird nur von den Gegnerhorden aufgehalten.

Dasselbe wie über die Oberwelt kann ich über die vielen Höhlen und Dungeons aber nicht sagen. Die sehen wie generiert aus, oft sind sie nur eine Aneinanderreihung von rechteckigen Räumen, die durch Türen verbunden sind. So etwas ähnliches habe ich in meiner Masterarbeit gemacht, aber da waren sie prozedural generiert. Hier ist das aber nicht der Fall, ich habe ein paar Tests gemacht und da blieb das Layout statisch.

Screenshot: Das Layout der Dungeons wirkt generiert, ist aber auch handgebaut
Das Layout der Dungeons wirkt generiert, ist aber auch handgebaut

Ein wenig nervig sind die große Städte, die zwar durchaus was her machen, aber wenn der Weg zum Händler, Karawanen-Inhaber und Portal weit ist und ich den Weg oft gehen muss, nervt mich das auf Dauer. Nachdem ich das Grundspiel durch hatte und nach Rhodos kam, wo alles nah beieinander liegt, bin ich oft dahin zurück – einen Unterschied bei den Ladezeiten macht es nicht. Dass die Händler nur alten Kram hatten, den ich nicht mehr gebrauchen konnte, hat mich nicht gestört, weil ich bei ihnen fast ausschließlich verkauft habe und meist nur neue Tränke nachgeladen habe.

Generiert sind aber die vielen Gegnergruppen, die ich auf meiner Reise aus den Latschen haue, und was sie an Gegenständen tragen (dazu mehr im nächsten Abschnitt. Von den üblichen Banditen und Standard-Fantasy-Kreaturen wie wiedererweckte Skelette und Spinnen gibt es vor allem Gegner, die der Mythologie der Region entstammen: In Griechenland treiben Satyre ihr Unwesen, in Ägypten übergroße Skarabäus-Käfer und aufrecht gehende Krokodile. In Asien treffe ich auf Neandertaler, von denen ich nicht wusste, dass sie sich bis in diese Region ausgebreitet hatten. Spätere Level werden von großen Tigern und Terra-Cotta-Kriegern bevölkert, die passen wieder besser. Mir ist dabei aufgefallen, dass die Level der Gegner stark variieren können. In anderen Spielen dieser Art bin ich gewohnt, dass die Gegner sich ein bis zwei, vielleicht drei Level über oder unter mir befinden. Hier ist die Spannweite viel Größe, ich habe es teils mit Gegner sieben bis zehn Level über mir zu tun – ohne aber einen wirklichen Unterschied zu merken, was Schwierigkeit oder Erfahrungspunkte angeht.

Realistischer Müll: das Loot-System

Eines der für Titan Quest charakteristischen Feature ist das Loot-System: Statt dass alles komplett zufällig verteilt wird, orientiert sich das System an dem, was der Gegner trägt bzw. tragen kann. Ein Satyr hat einen Lederharnisch und eine Keule? Dann lässt er genau das fallen. Hier gibt es keinen Vogel, der einen Kettenpanzer hinterlässt oder ein Schwarm Insekten ein Turmschild. Sie lassen immer das fallen, was sie getragen haben, teils ist sogar gut sichtbar, wie die Rüstung von ihrem Körper "fällt".

Screenshot: Ein Bildschirm voller Loot in Grau und Weiß, typisch für das Loot-System von Titan Quest
Ein Bildschirm voller Loot in Grau und Weiß, typisch für das Loot-System von Titan Quest

Das hat allerdings den Nachteil, dass die Gegenstände meist ziemlicher Müll sind. Weil die Gegner wirklich ALLES fallen lassen, was sie getragen haben. Das resultiert bei größeren Gegnergruppen in einen Bildschirm voller grauer und weißer Gegenstände, die ich normalerweise nicht gebrauchen kann. Und auch kein Geld wert sind, sie in mein stark begrenztes Inventar zu packen, lohnt sich deshalb auch nicht. Schnell habe ich den Filter auf "magisch und besser" gestellt, damit nur noch mindestens gelbe Gegenstände angezeigt werden. Auch wenn ich sie nach einer Weile nicht mehr wirklich gebrauchen konnte, aber sie haben mir zumindest eine Menge Geld eingebracht.

Es sind auch viele Gegenstände dabei, mit denen ich nichts anfangen kann, weil sie für andere Klassen gedacht sind. Ein intelligentes Loot-System wie es Diablo 3 seit dem Addon Reaper of Souls hat, wo sich das Loot stark an meiner Klasse orientiert, gibt es nicht, es ist alles zufällig. Der Vergleich ist etwas unfair, weil der dritte Teil aus Irvine deutlich neuer ist und die Gegenstände nicht von den Gegner abhängig macht, was sie Auswahl stark einschränkt. Kämpfe ich mich gerade durch einen Wald voller lebendiger Pflanzen, kann da kein Schwert rauskommen. Zumindest von Gegnern, die häufig anzutreffenden Kisten können alles enthalten. Es gibt zwei Typen von Händlern, einer für physische und einer für magische Waffen, es wird zudem zwischen Nah- und Fernkampf unterschieden. Da die Gegenstände aber meist nicht besser waren, wie das was ich bereits hatte, habe ich meisten nur ver- und ganz selten gekauft. Am Anfang hatte ich zudem sehr wenig Gold, um überhaupt etwas kaufen zu können.

Mit jeder Qualitätsstufe steigt auch die Anzahl an zusätzlichen Attributen, welche die Gegenstände haben. Das können ein Plus an Primär-Attributen wie Stärke oder Geschicklichkeit sein, aber auch sekundäre wie Resistenzen gegen die Elemente oder Effekte, oder Regeneration von Lebenspunkten und Energie. Die Steigerung der Attribute fällt eher moderat aus. Selbst zum Ende hin (auf normal), sind die Boni maximal dreistellig, ich finde aber oft genug nur zweistellige, prozentuale Steigerungen sind sehr selten. Dadurch gibt es keinen ausufernden Power-Creep wie in Diablo 3 oder World of WarCraft, wo schon mehrfach die Zahlen herunter skaliert wurden, weil sie so großen wurden, dass kaum noch jemand den Durchblick hatte. Das ist irgendwie erfrischend, sorgt aber auch dafür, dass ich sehr lange mit denselben Gegenständen herumlaufe. Habe ich mal einen richtig guten gefunden, speziell mit prozentualen Steigerungen des primären Attributes, laufe ich damit Stunden, ach was sage ich, Addon-lang rum. Meine beiden Wurfwaffen, die ich bis zum Ende trug, habe ich in Immortal Throne erbeutet und mir kam zwei Addons später nichts Besseres unter, egal ob primäre oder sekundäre Eigenschaften. Das kann in höheren Schwierigkeitsstufen anders aussehen, da ich mir die nicht angesehen habe, kann ich das schlicht nicht sagen. Die primäre Steigerung der Attribute erfolgt für das Charakterklassen-System.

Ungenutzte Vielfalt: die Charakterklassen

Screenshot: Dass sich die Neandertaler bis nach Baktrien ausgebreitet haben, war mir bisher nicht bekannt
Dass sich die Neandertaler bis nach Baktrien ausgebreitet haben, war mir bisher nicht bekannt

Auch bei den Charakterklassen geht Titan Quest einen ungewöhnlichen Weg. Statt zu Beginn einen Archetyp (Krieger, Magier, Priester, Schurke, etc.) zu wählen oder sich in einen umfangreichen Editor einen Charakter zu basteln, startet man einfach mit einem "leeren" Charakter. Nur einen Namen braucht er oder sie, dann wird man direkt in die Welt geworfen. Alles weitere passiert dann im Spiel. Die ersten Waffen kann jeder nehmen, Spezialfähigkeiten gibt es noch keine, entsprechend spielt man einen Nahkämpfer. Erst nach dem ersten Levelaufstieg wählt man eine Klasse, hier Mastery genannt. Je nach DLC-Stand stehen 9 bis 11 zur Auswahl, die Anniversary Edition einhaltet bereits die zusätzliche Klasse des ursprünglichen Addons Immortal Throne. Auf Level 8 kann man eine zweite dazu wählen, oder es lassen und sich ganz auf eine konzentrieren. Beides hat Vor- und Nachteile, wirkliche Synergien gibt es aber nicht, mal abgesehen von einem schnittigen Namen für jede Kombination. Klar macht es wegen der Attribute Sinn, zwei Magier-Llassen zu kombinieren und nicht Nahkämpfer mit Magier, aber das fällt bei mir nicht unter Kategorie "Synergie".

Ich habe mich hier für einen klassischen Nahkämpfer mit der Warfare-Mastery entschieden und auch bis zum Ende dabeigeblieben. Dadurch konnte ich den Talentbaum fast komplett ausbauen. Oder eher Talent-Tabelle? Talent-Liste? Das Teil sieht ziemlich ungewöhnlich aus. Ganz links steht die Klassenfähigkeit, die zum einen die primären Attribute steigert (in meinem Fall vor allem Stärke und ein wenig Geschicklichkeit), aber auch den Zugang zu weiteren Talenten regelt. Sie sind wie in Zeilen eingeteilt, hat meine Klassenfähigkeit die entsprechenden Stufe erreicht, kann ich die Fähigkeitspunkte auch auf weitere aktive und passive Fähigkeiten verteilen (Aktive haben ein Quadrat als Symbol, passive sind rund und mit einer aktiven Verbunden, mit der sie zusammenwirken oder sie verbessern). Jedes Level-Up gibt drei dieser Punkte, dazu zwei, die auf die primären Attributen Lebenspunkte, Energie (wie Mana), Stärke, Intelligenz und Geschicklichkeit vergeben werden. Die Attributspunkte werden final vergeben, die Verteilung der Fähigkeitspunkte kann ich bei einem passenden NPC in den Städten einzeln zurücksetzten, zu geradezu exorbitanten Preisen. Aber da Gold wegen den vielen Müll-Gegenständen kein Problem sein sollte, kann ich sogar etwas experimentieren. Also mit den Fähigkeiten, die Wahl der Mastery ist endgültig und kann nicht geändert werden, dafür braucht es einen neuen Charakter.

Antik: Die Story

Screenshot: Die Story wird in teils sehr langen Monologen erzählt
Die Story wird in teils sehr langen Monologen erzählt

Bei der Inszenierung der Geschichte gibt es keine Fortschritte gegenüber Diablo 2: Nach einem durchaus schicken Renderintro geht es in die Spielwelt, die Kamera wird nicht mehr die isometrische Perspektive verlassen. Ich werde von Charakteren, die ihre Monologe aufsagen von Ort zu Ort geschickt. Teils treffe ich auf historische Charaktere wie den Spartaner Leonidas, die meisten anderen dürften aber von den Entwicklern erfunden sein. Die Texte können sehr lang werden, sind aber gut vertont. Wem das zu lange dauert, kann einfach weglaufen, dann bricht der Dialog ab, im Questlog kann ich das wichtigste nachlesen. Das dürfte ein Zugeständnis an Spieler sein, die sich nicht für die Geschichte interessieren und einfach nur weiter Gegner schnetzeln wollen.

Die Geschichte an sich ist auch nicht sonderlich spannend: Telchinen, Kreaturen aus der griechischen Mythologie, wollen Siegel zu brechen, damit der Titan Kronos wieder auf die Erde kommt und sich vor allem an den Götter des Olymp um Zeus rächen kann, die ihn in den Tartarus verbannt haben. Das ist stark aus der Mythologie der Griechen entlehnt und hat nur sehr wenige eigene Elemente – da hat aus meiner Sicht Age of Mythology vier Jahre vorher (!!!) eine bessere Kombination aus eigener Geschichte und historischem Mythos hinbekommen – als Strategiespiel!

Auf dem Weg dahin klappere ich die wichtigsten Orte wie Athen, das Orakel von Delphi, die Insel Knossos mit Minotauren-Labyrinth, die Pyramiden von Gizeh, das Tal der Könige, die hängenden Gärten von Babylon und die große Mauer von China ab. Aber das wirkt mehr wie eine Checkliste an wichtigen Orten, ein wirkliches "warum" gibt es in den wenigsten Fällen, oder sie wirken wie ein Alibi, damit der bekannte Ort auf die Karte kommt. Das Addon Immortal Throne weicht etwas davon ab, immerhin geht es in die Unterwelt der griechischen Mythologie. Wobei nicht alles, immerhin muss man erstmal den Eingang dazu finden, ich ziehe wie im Grundspiel erst durch Griechenland.

Screenshot: Das Addon Immortal Throne führt in die griechisches Unterwelt, wo auch viele andere Seelen hinwollen
Das Addon Immortal Throne führt in die griechisches Unterwelt, wo auch viele andere Seelen hinwollen

Es gibt pro Akt einige Nebenquests, die meisten beschränken sich aber auf simple Fetch- und Kill-Quests, es gibt meist Erfahrungspunkte, Geld und hin und wieder einen Gegenstand, ganz selten zusätzlichen Fertigkeits- oder Attributspunkte. Nichts davon braucht man wirklich, die meisten sind eher nett, wer sie auslässt verpasst aber auch nichts. Teils liegen sie auf meinem Weg, dann habe ich sie mitgenommen – quasi mühelose XP.

Unerwarteter Nachschlag: Erweiterungen

Alles bisherige bezog sich auf das Grundspiel und das Addon Immortal Throne, welches noch von den ursprünglichen Entwicklern bei Iron Lore entstand. THQNordic war mit dem Erfolg der Anniversary Edition aber offenkundig so zufrieden, dass sie bei unterschiedlichen Entwicklern weitere DLCs in Auftrag gaben. Alle haben gemein, dass sie völlig überraschend und ohne große Vorankündigungen erschienen.

Mehr vom selben: Ragnarök

Der erste DLC setzt die Geschichte fort und führt in den hohen Norden. Wobei nicht direkt, zuerst reise ich in eine Region, wo heute offenkundig Deutschland ist. Mein Held ist wohl über die Donau in diese Gebiet gereist, es geht dann nach Norden, durch eine Interpretation des Teutoburger Waldes weiter durch eine Seenlandschaft (wo auch immer die sein soll) nach Skandinavien und weiter zum Weltenbaum Yggdrasil aus der nordischen Mythologie. Auf dem Weg dahin gilt es wie üblich allerhand Gegner umzuhauen. Die Geschichte reiht sich nach Immortal Throne ein, ich kann auch einen Charakter direkt für Ragnarök erstellen, was ich aber nicht ausprobiert habe.

Screenshot: Der Norden bietet nur sehr trostlose und langweilige Level
Der Norden bietet nur sehr trostlose und langweilige Level

Die Level fühlen sich deutlich größer an als in den vorherigen Teilen, die Laufwege wirken länger und dadurch wird das Spiel etwas öde. Der hohen Norden hat zudem eher kahle Landschaften zu bieten, die deshalb etwas langweilig und eintönig wirken. Große Fläche mit Wiese und ein paar Bäumen muss wirklich nicht sein. Die Festung Utgart mit ihren langen Gängen und hohen Mauern, die mit 90°-Winkeln verbunden sind, erinnert mich an Level aus dem ersten Serious Sam. Die Umgebungen wirken ähnlich wie die der Original-Entwickler, aber nicht so durchdacht. Dazu gibt es einige Ecken, wo die Sicht durch andere Objekte verdeckt werden, wie große Bäume, Steinformationen oder eine Brücke von einem anderen Teil des Levels. Im Hauptspiel war das sehr selten der Fall, hier hat es mich deutlich häufiger gestört. Bis an den Punkt, wo ich an einer Stelle gar nichts mehr machen konnte und mich herausteleportieren musste. Dass zeigt mir, dass die Leveldesigner entweder nicht so talentiert waren wie die des Originals, nicht genug Zeit für Feinschliff war – oder beides. Das kombiniert mit der Länge hat das deutlich an meiner Motivation gekratzt. Es wurde selbst für ein Action-RPG sehr eintönig.

Die neuen Gegner passen thematisch zur jeweiligen Landschaft. Gerade weiter im Norden bekam ich es mit vielen Kreaturen der nordischen Mythologie zu tun, vor allem die unterschiedlichen Riesen waren eine Herausforderung, aber solange ich nicht zu viele auf einmal anlockte ging es. In den Wäldern davor waren es eher Barbaren oder ähnliches. Auf die Wassernixen hätte ich verzichten können, weil sie sich so schnell bewegen. Als Nahkämpfer sind sie kaum zu fassen. Da kamen mir die Wurfwaffen entgegen, vor allem die beiden Finger von Charon, die ich in Immortal Throne erbeutet hatte. Neu sind einige Gegner, die mir die Energie absaugen. Also das Mana-Äquivalent des Spiels. Das befeuert auch meine Fähigkeiten, als Krieger habe ich das aber eher weniger ausgebaut. Deshalb musste ich zu den Heil- nun auch Energietränke einwerfen. Immerhin habe ich dafür genug gefunden, um sie nicht auch noch nachkaufen zu müssen.

Screenshot: Nicht die Hölle, sondern das Feuerreich Muspellheim ist der letzte Abschnitt des DLCs Ragnarök
Nicht die Hölle, sondern das Feuerreich Muspellheim ist der letzte Abschnitt des DLCs Ragnarök

Die Story ist nicht wirklich interessant: Etwas brodelt im Norden und die Kunde meiner Heldentaten ist bis dahin gekommen, weshalb sie mich (bzw. meinen Charakter) holen, um der Lage Herr zu werden. Sie bedient sich vieler Elemente nordische Mythen, oder um es genau zu sagen: sie hat nur sehr wenig eigene Elemente. Eigentlich wird nur nacherzählt, wie das mystische Ende der Welt, Ragnarök, eintreten soll. Das Grundspiel und Immortal Throne hatten zumindest ein paar eigene Ideen. Nach ungefähr neun Stunden war ich durch und meine Motivation dahingeschmolzen.

Spurensuche als Nebenquest: Atlantis

Weil er mich mehr interessiert hat, habe ich Atlantis nach Abschluss von Immortal Throne und vor Ragnarök gespielt und nicht in der Reihenfolge, wie sie erschienen sind. Theoretisch hätte ich ihn auch schon nach Abschluss des Hauptspiels spielen können, das war mir dann aber doch etwas zu viel. Und eigentlich ist es auch egal, wann man Atlantis spielt, da der DLC die Geschichte nicht fortsetzt, sondern eine lange Nebenquest startet.

Als erstes muss ich die mystische Insel für einen Forscher finden. Dazu klappere ich einige Orte rund ums Mittelmeer ab um Gegenstände zu finde, die als Schlüssel fungieren. Erst dann geht es auf die Insel, die im Atlantik sein sollte – und ich bin quasi zu spät. Schon der Mythos von Platon handelt von der Hybris der Atlanter, die hier bereits stattgefunden hat. Die Insel gibt es zwar noch, ist aber im Begriff von Pflanzen überwuchert zu werden – und natürlich tummeln sich darauf allerhand Monster, die es aus den Latschen zu hauen gilt. Ein paar der ursprünglichen Einwohner oder deren Geister finde ich dann doch, wodurch ich herausfinde, was mit der Insel Geschehen ist – und es ist im Prinzip so, wie im Mythos. Die Bewohner haben mit Maschinen hantiert und die Götter vernachlässigt, wodurch die immer schon wankelmütigen Gottheiten des griechischen Pantheon sauer wurden und haben die Insel daraufhin haben untergehen lassen. Die Telchine sind auch noch im Spiel, aber das verkommt fast zur Randnotiz.

Screenshot: Die Zivilisation von Atlantis ist in diesem DLC bereits untergegangen und die Insel wird zunehmend überwuchert
Die Zivilisation von Atlantis ist in diesem DLC bereits untergegangen und die Insel wird zunehmend überwuchert

Die Level sind wie für Titan Quest typisch groß, aber ich finde noch im Rahmen. Sie sind zudem nicht so langweilig wie in Ragnarök gestaltet, aber auch nicht auf dem Niveau des Hauptspiels und Immortal Throne. Durch die Suche in der ersten Hälfte des DLCs gibt es sehr abwechslungsreiche Landschaften: Von Seen durchzogenen Inseln, kompletter Kontrast in Afrika mit seine rotem Gestein in der Wüste und natürlich die Insel selbst, die halb Hochzivilisation, halb Dschungel ist. Allerdings sind die Level nicht immer übersichtlich aufgebaut, für Nebenquests und teils auch die Hauptquest musste ich suchen, wo es weiter geht, weil ich eine Abzweigung übersehen hatte. Auf der Karte ist das teils ganz schwer zu sehen, weil sich die Farben zwischen Weg und Blockade kaum unterscheiden. In der Spielwelt verdecken die vielen Pflanzen manchmal die Sicht auf den Pfad, wo es weiter geht. Dazu ist das ganze Abenteuer relativ kurz, gerade mal sieben Stunden brauchte ich, bis der Endboss fiel. Aber ich war wenigstens ordentlich unterhalten. Allerdings ist es wirklich nur mehr vom selben, spielerische Neuerungen sucht man hier vergeblich.

Ich muss zugeben, dass ich von Atlantis doch etwas enttäuscht bin. Relativ kurz, nur eine Nebenquest und ohne merkliche Neuerungen, abgesehen von den neuen Level, Monster und Gegenständen – aber das erwarte ich. Eine neue Klasse bzw. Mastery hat es auch nicht ins Spiel geschafft, nur eine neue Höchststufe für die Klassenfähigkeit und eine aktive Fähigkeit für alle bisherigen. Ich fand das Setting eigentlich spannend und finde nach wie vor, dass es viel Potential hat, aber hier wird zu wenig daraus gemacht. Persönlich würde ich es aber Ragnarök vorziehen, wegen der abwechslungsreicheren Level.

Nur fürs Endgame: Eternal Embers

Dieser Abschnitt wird kurz, weil Eternal Embers für mich ein schlechter Witz ist. Die meisten Inhalte sind nämlich nur im Schwierigkeitsgrad "Legendär" verfügbar. Ganz wie in Diablo 2 (und 3 zu Anfang) müsste ich das Spiel einmal komplett durchspielen, um die nächste Stufe freizuschalten und da Legendär die dritte ist heißt das: Ich müsste das Spiel dreimal mit allen (storyrevelanten) Erweiterungen durchspielen, damit ich diese Inhalte überhaupt spielen kann – für die regulär 20€ verlangt werden! Immer zugänglich sind neue Gegenstände sowie die neue Klasse Neidan. Aber das ist dann doch etwas wenig.

Es gibt zwar eine Möglichkeit, sich direkt einen dafür passenden Charakter anzulegen, der auf Level 70 startet, aber nackt ist. Sprich: Ich muss alles skillen, Ausrüstung bekomme ich auf dem Weg zur ersten Quest. Wobei ich aufpassen musste, weil die Gegenstände mindestens 100 von allen Primärattributen voraussetzten, was ich für meinen Krieger nicht hatte. Wofür brauche ich Intelligenz, wenn ich eine dicke Keule habe? Trotzdem ist sie unzureichend, zumindest mit meiner Warrior-Skillung haben mich normale Gegner mit drei oder vier Schlägen erledigt, da habe ich sie nur angekratzt. In einem kurzen Test als Magier sieht es ähnlich aus, nur starkes kiten hilft, aber ich bin genauso schnell tot und mache selbst nur relativ wenig Schaden. Das macht nicht wirklich Spaß. Mit einer anderen Skillung würde es vielleicht besser gehen, aber ich habe gerade wirklich nicht die Muße, das auszuprobieren. Zudem vermute ich, dass der höchste Schwierigkeitsgrad mehr Kenntnisse über Resistenzen und anderes verlangt, damit man ihn ordentlich spielen kann. Deshalb denke ich, dass die Option nur ein Alibi ist, aber aus meiner Sicht nicht wirklich taugt, wenn man von "Normal" direkt zu "Legendär" wechselt. Zumindest für mich.

Screenshot: Im Atlantis-DLC treffe ich auf viele aquatische Gegner
Im Atlantis-DLC treffe ich auf viele aquatische Gegner

Ich weiß das Endgame-Content für Hardcore-Spieler heute dazu geliefert werden muss. Und da hat Titan Quest auch einiges, wobei das eher Nebenquests oder optionale Aktivitäten sind. Aber keine storyrelevanten Inhalten. Warum sie es hier gemacht haben? Keine Ahnung. Und ja, es steht in der Beschreibung, aber nur unauffällig im Fließtext. Das habe ich schlicht überlesen.

Da bei mir eh schon ziemlich die Luft raus war, habe ich dazu schlicht keine Lust mehr. Vielleicht nie, weil die Entwickler hier für ich zu viel Gatekeeping betreiben. Dazu sind die Reviews auch eher durchwachsen, der DLC wird als mehr vom selben beschrieben, mit noch größeren Level und entsprechenden Laufwegen – NOCH mehr? Da steht mir aktuell nicht der Sinn danach. Wenn überhaupt irgendwann mal.

Fazit

Screenshot: Aufrechtgehende Krokodile sind einer der vielen Gegner entlang des Nils
Aufrechtgehende Krokodile sind einer der vielen Gegner entlang des Nils

Mein Fazit zur Anniversary Edition von Titan Quest fällt gemischt aus: Das Grundspiel und das erste Addon, also was von Haus aus dabei ist, ist ein sehr solides Action-RPG, das vor allem mit seinem ungewöhnlichen Setting punktet und der Möglichkeit, zwei Klassen zu kombinieren punktet. Das Gameplay ist etwas old-school und spielt sich deshalb nicht so flüssig wie moderne Vertreter des Genres. Wer aber vor allem Lust auf das Setting hat, kann zugreifen. Und eventuell als Vorbereitung auf den [Nachfolger]https://www.youtube.com/watch?v=uGQ_9OK8pPI) nutzen.

Für die DLCs kann ich nicht dasselbe sagen. Sie haben vor allem eines gemeinsam: Sie sind nicht so gut wie das Hauptspiel und das Addon der Original-Entwickler. Im Kern sind sie mehr vom selben und durchaus solide, aber fallen doch spürbar ab. Den letzten halte ich für einen schlechten Witz, weil nur für absolute Endgame-Spieler sinnvoll spielbar – und das, nachdem ich bereits dafür bezahlt habe.

Meine Empfehlung für Spieler, die ihre Zeit wertschätzen: Kauft die Anniversary Edition und spielt die. Wenn ihr dann noch Lust auf mehr Inhalte habt, könnt ihr euch die DLCs holen, vielleicht mit Ragnarök und/oder Atlantis anfangen. Das könnt ihr auch davon abhängig machen, welches Setting euch mehr reizt. Eternal Embers nur, wenn ihr das Spiel richtig durchsuchten wollt.