Review: To The Moon Serie

Screenshot: Collage aus Szene aus To the Moon Serie von links oben nach rechts unten: To the Moon, Finding Paradise, Impostor Factory, Just a To the Moon Beach Episode

Seit einigen Jahren gibt es im Indie-Bereich Spiele, die sich ungewöhnlichen Themen annehmen, die in großen Mainstream-Spielen selten Erwähnung finden. Und wenn, dann meist recht plakativ bis plump, es fehlt das nötige Fingerspitzengefühl. Und vielleicht passen sie auch nicht zu Games, wo es mehr um Zerstreuung geht. Dazu gibt es einfach zu bedienende Tools wie RPGMaker und Ren’Py, die es auch weniger technisch versierten Entwicklern ermöglicht, eigene Spiele zu entwickeln. Natürlich ist da auch viel Müll dabei, der auf itch.io oder Steam geladen wird, aber auch immer wieder Perlen.

Eine davon ist To the Moon des chinesisch-kanadischen Entwicklers Kan Gao. Seit dem gleichnamigen Erstling von 2011, den ich ein paar Jahre später auch gespielt habe, hat sich eine Serie daraus entwickelt. Ich hatte zwar die Nachfolger und keines davon ist wirklich lang, aber trotzdem habe ich es nie geschafft, sie zu spielen. Vielleicht auch weil sie nicht nur simple Zerstreuung bieten. Da kürzlich mit Just a To the Moon Beach Episode ein neuer Teil veröffentlicht wurde, erschien mir das eine gute Gelegenheit, die komplette Serie zu spielen, dazu die mittlerweile verfügbaren Portierungen auf die Nintendo Switch.

Inhalt

Pixelfest: die Technik

Screenshot: Der Garten vor dem Anwesen mit Rentner-Apartments in Finding Paradise zeigt die Pixelkunst der Spiele in voller Pracht
Der Garten vor dem Anwesen mit Rentner-Apartments in Finding Paradise zeigt die Pixelkunst der Spiele in voller Pracht

Alle Spiele wurden mit dem RPGMaker XP oder einem Nachbau davon entwickelt, was vor allem heißt: Es gibt Pixel. Die Software des japanischen Herstellers ASCII ist dafür gemacht, Spiele im Stil alter Rollenspiele aus der 16-Bit-Konsolen-Ära (Super Nintendo, Sega Mega Drive/Genesis, etc) zu entwickeln. Die Auflösung im Spiel ist auf 640×480 beschränkt, was aber den Entwickler Kan Gao und seine Helfer nicht davon abhielt, schön gestaltete Pixelwelten zu erschaffen. Vor allem die vielen Details sind bei dieser niedrigen Auflösung beeindruckend, auch wenn manche Bildschirme etwas überfrachtet wirken. Im Gegenzug laufen die Spiele auf einer übertakteten Kartoffel. Außer den Holiday Episodes, Finding Paradise und sein Prequel A Bird Story haben die Spiele mittlerweile integrierte Skalierungsoptionen, was bei mir den Vorteil hat, dass mein Desktop und Fenster-Anordnung nicht verschoben werden. Dass die Weihnachts-Episoden als kurzer Snack kein Update bekommen haben verstehe ich, aber dass es bei der zweiten Hauptepisode und sein Prequel nicht auch nachgezogen wurde, erschließt sich mir nicht.

Die Musik kommt nicht aus eine Soundchip (oder einer Software-Nachbildung davon), sondern wird, wie heute Standard, aus Dateien abgespielt. So Oldschool ist die Entwicklungsumgebung dann doch nicht. Der Stil orientiert sich aber stark an den alten Spielen, es gibt keinen orchestralen Bombast, stattdessen ruhige Töne und vor allem viel Klavier-Stücke. Sie ist genauso gefühlvoll wie die Geschichten und passt deshalb exzellent zu den Spielen.

Die Soundeffekte sind selten, sie wirken auf mich etwas überdreht und comichaft. Sprachausgabe gibt es keine, die vielen Dialoge müssen gelesen werden. Die Texte gibt es mittlerweile auch auf Deutsch, nur für die neueste Episode und die beiden Mini-Episoden sind aktuell nur englische (und Sprachen, die ich nicht beherrsche wie Chinesisch oder Polnisch) verfügbar.

Dass die Spiele aus dem RPGMaker kommen, merkt man unschön an den Minispielen. Fast alle Spiele haben sie, meist einfache Rätsel oder Geschicklichkeitsspiele. Bei ersteren habe ich hin und wieder Fehleingaben produziert, weil ich wohl zu schnell Klicken wollte, aber da ist es nicht tragisch, weil die Rätsel nicht schwer sind und Fehler verzeihen. Bei den actionreicheren ist es dagegen nervig, die Steuerung wirkt auf mich steif und unpräzise, dazu leicht verzögert. Die Technik ist für rundenbasierte Rollenspiele gedacht, alles andere fühlt sich darin einfach nicht gut an. Ich habe hin und wieder mehrere Versuche gebraucht (ich vermute, teils wird das von der Story vorgegeben) und vielleicht kann man sie auch überspringen, was ich aber nicht ausprobiert habe. Ich war aber trotzdem dezent von ihnen genervt.

Verschlimmbessert: Auf der Switch

Die Switch-Version baut die Räume sehr detailliert und akkurat nach, wirkt aber durch die neuen Hintergründe und Farben etwas anders

Die erste beiden, große Episode To the Moon und Finding Paradise wurden mittlerweile auch auf Mobilegeräte mit Android und iOS sowie Nintendos Hybrid-Konsole Switch portiert, letztere habe ich gespielt. Sie laufen nicht mehr in der RPGMaker-Engine, sondern wurden auf Unity portiert. Dazu wurde die Grafik angepasst, die Spiele laufen im Breitbild-Format und haben neue Grafiken für Hintergründe. Die Neuerungen sind aber nicht immer zum besseren.

Die sehr pixeligen Hintergründe der Originale neu gezeichnet, die zwar immer noch einem Pixel-Stil folgen, aber mit deutlich höherer Auflösung und 16:9-Format, mehr Details haben sie meistens nicht. Dafür wirken sie teils sehr weichgezeichnet, was vor allem mit den harten Pixelkanten von Charakteren und Objekten bricht und das Spiel uneinheitlich aussehen lässt. Es wirkt so, als würden die Objekte regelrecht herausstechen – egal ob sie relevant oder nur Verzierung sind, das konnte ich deswegen oft nicht unterscheiden. Dazu fehlen die Pfeile, welche Türen anzeigen, sodass ich hin und wieder raten musste, wo es weiter geht.

Die Originale sind alles, aber nicht anspruchsvoll an die Hardware und laufen entsprechend flüssig (in 40FPS für die Spiele mit älterer Basis, ohne Skalierungsoptionen, 60 für die anderen – ist eine Limitierung der RPGMaker-Versionen). Das sollte kein Problem sein, selbst für die für aktuelle Verhältnisse untermotorisierte Switch. Trotzdem haben es die Entwickler des Portierungsstudios X.D. Network Inc geschafft, in die Versionen technische Probleme einzubauen. Beim Wechseln eines Bildschirms muss ich Ladezeiten abwarten, teils von 4-6 Sekunden, wo die PC-Version keine wahrnehmbaren hat. Das ist auch völlig unabhängig von der Größe der Umgebung, egal ob komplettes Stockwerk eines Gebäudes oder Winzraum, es wird immer und unverständlich lange geladen. An ein paar wenigen Stellen in Finding Paradise fing das Spiel dazu ohne erkennbaren Grund zu ruckeln an, was nach dem Wechsel der Szene (nicht Raum) oder Neustart des Spiels behoben wurde. Das scheint einfach schlecht programmiert zu sein.

Dazu hatte ich Probleme mit der Steuerung, die per Stick oder der Steuerkreuz entspricht der per Pfeiltasten am PC, aber durch die undurchsichtige Kollisionsabfrage bin ich öfters an Ecken hängen geblieben, weil die Kollisionsgröße von Objekten teils stark variiert und kaum ersichtlich ist. Automatisch laufen zu einem Punkt, in diesem Fall per Touchscreen, funktioniert auch nicht zuverlässig, weil die Wegfindung nicht die beste ist und ebenfalls Probleme mit der Kollisionsabfrage hat. Dazu brauche ich zur Bestätigung immer den A-Knopf, diese Eingabemöglichkeit bringt also auch keinen wirklichen Vorteil. Treppen sind in To the Moon auf der Switch ein besonderer Feind, weil man über sie nicht automatisch läuft und geradeaus Laufen nicht funktioniert, weil sie etwas schlecht designt sind. In den PC-Versionen war das nie ein Problem, für die Switch-Version von Finding Paradise wurde das immerhin behoben. Dafür bin ich in dieser Version ein paarmal in die Situation gekommen, dass ich nach einem Dialog festhing und meine Spielfigur nicht mehr bewegen konnte. Dann musste ich neu Laden, immerhin speichert das Spiel gefühlt alle fünf Sekunden.

Screenshot: Die neuen Hintergründe wirken sehr weichgezeichnet; Pixel-Objekte stechen teils deutlich heraus, auch wenn sie nur der Dekoration dienen
Die neuen Hintergründe wirken sehr weichgezeichnet; Pixel-Objekte stechen teils deutlich heraus, auch wenn sie nur der Dekoration dienen

Es gibt aber auch gutes: die Switch-Versionen haben eine Kapitel-Auswahlbildschirm, wo man zu bereits abgeschlossenen zurückspringen kann. Nett, aber etwas torpediert durch den Umstand, dass deren Länge stark variiert (meist ist der zweite Akt sehr lang und die anderen recht kurz). Dazu sind die Notizen keine einfache Liste mehr, sondern wirklich wie ein Notizbuch mit kreuz und quer verteilten Aufschrieben gestaltet, zugegebenermaßen etwas kindlich vom Design her. Das ist nett, aber ändert mein Fazit zu den Portierungen nicht.

Insgesamt spielen sich die Portierungen zu unrund. Deshalb würde ich empfehlen, eher die PC-Versionen zu spielen, vor allem in Anbetracht der vielen Probleme. Zumal die Switch-Versionen recht teuer sind, in Sales gibt es die Originale für PC schon für wenige Euro.

Emotional und ungewöhnliche Themen: Stories

Sollte hier nicht noch erst ein Abschnitt zum Gameplay kommen? Normalerweise schon, aber alle Spiele der Serie haben eigentlich keines. Eigentlich sind es nur Geschichten, die über eine Spiel-Engine erzählt werden. Selbst die Interaktivität ist extrem begrenzt, komplett vorgegeben und Entscheidungen gibt es nicht. Es gibt Minispiele, die aber entweder sehr einfach sind, beliebig oft wiederholt werden können, bis man die Lösung hat oder auch gleich komplett übersprungen werden können. Die genauen Unterschiede behandle ich in den jeweiligen Abschnitten.

Screenshot: Selten gibt es schön gezeichnete Zwischensequenzen für besonders wichtige Momente in der Story
Selten gibt es schön gezeichnete Zwischensequenzen für besonders wichtige Momente in der Story

Da die Geschichten das Einzige sind, was die Spiele ausmachen, sind sie für mich schwer zu besprechen. Selbst wenige Andeutungen können schon zu viel vorwegnehmen, und da es keinen anderen interessante Aspekt gibt, versuche ich das so gut es geht zu vermeiden. Das führt aber dazu, dass meine Beschreibungen nur die Grundprämisse und meine Meinung dazu beinhalten. Alle Spiele sind miteinander verbunden, es macht am meisten Sinn, sie auch in der Veröffentlichungsreihenfolge zu spielen, auch wenn ihre Geschichten zu unterschiedlichen Zeitpunkten stattfinden.

Dreh- und Angelpunkt des Universums ist die Firma Sigmund Corporation (kurz SigCorp), welche über eine Technologie verfügt, mit der ihre Mitarbeiter die Erinnerung von Klienten verändert oder komplett neu schreiben können. Ich weiß nicht, ob es Zufall ist, aber es erinnert stark an den Film Inception von Christopher Nolan aus dem Jahr 2010, der über eine sehr ähnliche Grundprämisse verfügt und auf ähnliche Techniken setzt, aber dessen Ziel ein wenig anders ist.

Hauptdarsteller der Spiele sind Dr. Eva Rosalene und Dr. Neil Watts, die in den ersten beiden Hauptspielen zusammen einen Klienten betreuen, der kurz vor seinem Tod noch eine andere Erinnerung eingepflanzt haben möchte. A Bird Story befasst sich mit der Kindheit des Klienten im zweiten Spiel, Finding Paradise. Die dritte Hauptepisode Impostor Factory hat zwei völlig andere Hauptfiguren und befasst sich mit der Entwicklungsgeschichte der Technologie der SigCorp, ist also ein Prequel zu den anderen Spielen. Ich würde aber trotzdem empfehlen, die Reihenfolge der Veröffentlichung einzuhalten. Am Ende wird noch die Brücke zu den anderen Geschichten geschlagen. In der neuesten Episode etwas langatmig als Just a To the Moon Beach Episode betitelt, werden einige Fäden aus dem direkten Vorgänger aufgenommen und viele Figuren aus den anderen Spielen tauchen auf.

To the Moon

Screenshot: Die Minispiele sind meist nicht der Rede wert
Die Minispiele sind meist nicht der Rede wert

Dieses Spiel hat die Serie begründet und gilt bis heute als der beliebteste und beste Teil – wo ich mich anschließen würde. Gleich zu Beginn wird man in die wesentlichen Konzepte eingeweiht, anhand des Patienten Johnny. Die beiden Hauptcharaktere Dr. Eva Rosalene und Dr. Neil Watts werden vorgestellt, sie sollen dem Patienten die Erinnerung geben, dass er zum Mond geflogen sei – nur weiß er nicht, warum. Also reisen die beiden durch seine Erinnerungen und versuchen zu ergründen, was es mit dem Wunsch von Johnny, seiner verstorbenen Frau River und den vielen Origami-Hasen auf sich hat, die sie bis zu ihrem Tod gebastelt hat. Dabei läuft nicht alles glatt, die beiden Hauptdarsteller erfahren mehr als ihnen lieb ist. Es gibt den ein oder anderen, unangenehmen Twist, aber alles ist sehr gefühlvoll inszeniert. Es werden durchaus ernste Themen angesprochen, da sie zu ergründen schon ein Spoiler sein könnte, nenne ich sie lieber mal nicht. Etwas aufgelockert wird die Geschichte durch die Frotzeleien zwischen Eva und Neil, dazu werden auch die ein oder andere Pop-Kultur-Referenz gemacht, wobei ich es noch im Rahmen fand.

Spielerisch wird nicht viel geboten, außer herumlaufen und die Erinnerungs-Mementos suchen gibt es eigentlich nichts. Um zum nächsten Abschnitt zu kommen, muss ein kleines Bilderrätsel gelöst werden, was aber sehr einfach und fast schon belanglos ist. Das hat sich seit meinem ersten spielen 2014 nicht geändert, neu sind nur die deutschen Bildschirmtexte.

To the Moon ist eine ziemlich einzigartige Erfahrung, weil in der Geschichte einige Themen behandelt werden, die man sonst in Videospiele eher selten sieht. Dazu mit dem richtigen Fingerspitzengefühl, dass es nicht plump oder erzwungen wirkt. Man muss damit zurechtkommen, dass es kein heiteres Spiel ist, sondern auch emotional packt. Und vor allem spielerisch nur sehr wenig zu bieten hat.

Holiday Episodes

Screenshot: Die beiden Holiday-Episodes drehen sich um eine Weihnachtsfeier in SigCorp
Die beiden Holiday-Episodes drehen sich immer um eine Weihnachtsfeier in SigCorp

Als kleinen, kostenlosen Nachschlag zum Erstling erschienen 2013 und 2015 zwei sehr kurze Zusatzepisoden. Sie sind nicht separat erhältlich, sondern an To the Moon angeschlossen. Wirklich viel neues bringen sie nicht, in den jeweils ca. 20 Minuten kann da auch nicht viel gehen. Immerhin lernt man hier bereits die anderen Mitarbeiter der SigCorp kennen, wenn auch nur kurz – und mal ehrlich, wenn Roxy und Rob später in Finding Paradise eine größere Rolle spielen, macht das kurze Kennenlernen auch keinen Unterschied. Hier werden auch erstmals die moralischen Aspekte der Technologie kurz angeschnitten, aber wirklich nur sehr kurz.

Beide Episoden spielen zu Weihnachten und erzählen jeweils, wie Eva und Neil ihre Feiertage verbringen. Da ist wenig Weltbewegendes dabei und die größere Story wird hier noch nicht behandelt, es gibt nur ein paar weitere Andeutungen. Sie sind nur auf dem PC verfügbar und auf dem alten Stand, sprich 640×480 ohne interne Skalierung.

Die zwei Episoden sind nette Boni, aber wirklich nicht nötig. Selbst wer sich tiefer mit der Serie befassen will, kann sie auslassen. Andererseits dauern sie auch nur 20 Minuten.

A Bird Story

Screenshot: Einige der Szenen aus Erinnerungen, speziell hier in A Bird Story, nehmen teils surreale Züge an.
Einige der Szenen aus Erinnerungen, speziell hier in A Bird Story, nehmen teils surreale Züge an

Dieser kleine Titel sollte man nicht als eigenständig, sondern als Vorgeschichte zu Finding Paradise sehen, alleine macht er wenig Sinn. Man spielt dessen Patienten, aber noch als Kind. Das Grundkonzept ist, dass man alles aus seiner Perspektive, also der eines Kindes (ich vermute im Grundschulalter) sieht. Dadurch sind einige der Szenen sehr surreal. Die Story dreht sich um einen verletzten Vogel, den der Protagonist findet und wieder gesund pflegen will. Dabei zeichnet seine Fantasie ein ganz eigenes Bild.

Es gibt keinen Text im Spiel, wenn etwas verdeutlicht werden soll, müssen Piktogramme in Sprechblasen herhalten. Minispiele gibt es keine, man läuft nur Punkte ab, damit die Story weiter geht. Ganz analog zu den Mementos in den anderen. Ansonsten gibt es nicht viel zu sagen, mit gerade mal einer Stunde Spielzeit ist es wirklich nur als Ergänzung zur Hauptepisode zu sehen. Und ganz ehrlich: wer sie auslässt, verpasst auch nichts wesentliches, Finding Paradise sollte man auch ohne verstehen können.

Finding Paradise

Screenshot: Musik spielt eine wichtige Rolle in der Beziehung von Colin zu seiner Frau Sophia in Finding Paradise
Musik spielt eine wichtige Rolle in der Beziehung von Colin zu seiner Frau Sophia in Finding Paradise

Die zweite, große Episode dreht sich um den neuen Patienten Colin, zu dem Eva und Neil gerufen werden (ihr Kollegen Roxy und Rob spiele eine kleine Nebenrolle). Auch hier müssen die beiden "Erinnerungs-Detektive" (es gibt ein Musikstück, dass ganz Bescheiden "The Greatest Detectives in the World" benannt ist) durch seine Lebensgeschichte wühlen, um herauszufinden, wie sein ungewöhnlicher Wunsch entstand, den ich mal nicht nenne, weil das schon zu viel vorwegnehmen würde. In A Bird Story spielt man eine wichtige Episode seiner Kindheit, aber alles wesentliche wird auch hier erklärt, man muss den Ableger also nicht gespielt haben. Für Eva und Neil läuft hier noch weniger glatt als in To the Moon, was die beiden Mitarbeiter von SigCorp vor einige Herausforderungen stellt. Ein wenig am Rande und sehr subtil werden größere Ereignisse angedeutet, die aber erst im Nachfolger so richtig behandelt werden. Wirklich übertrieben haben es die Entwickler aber mit den Pop-Kultur-Referenzen, die sind noch sehr viel häufiger und teils auch echt unpassend eingebaut. Ich fand auch, dass auf sie teils sehr viel Zeit (und wahrscheinlich auch Arbeit) verwettet wurden, nur um eine Anspielung oder einen blöden Witz zu machen? Gerade in Anbetracht der ansonsten ersten Themen wirken sie nicht wie Auflockerung, sondern wie ein Fremdkörper und unpassend.

Spielerisch gibt es wenig neues, die meiste Zeit ist man damit beschäftigt die Mementos zu sammeln, um zur nächsten Erinnerung zu kommen. Dazwischen gibt es wieder ein Minispiel, diesmal eine Match-Three-Variante, aber gehaltvoller wird das Spiel dadurch nicht. Später gibt es ein paar Action-Sequenzen, die mir aber nur wieder zeigen, wie wenig sich der RPGMaker dafür eignet, da sie sich sehr hölzern spielen. Die Steuerung ist unpräzise und alles wirkt leicht verzögert, sodass sie nicht wirklich Spaß machen. Da sie nicht sonderlich schwer sind, habe ich sie trotzdem geschafft. Ich habe nicht überprüft, ob man bestehen muss oder die Geschichte auch ohne weiter geht.

Abschließend fand ich Finding Paradise doch ein gutes Stück schwächer als den Vorgänger (und den Nachfolger). Mich hat es emotional nicht so gepackt wie die anderen, die behandelten Themen haben mich nicht so angesprochen
wie in den anderen Spielen. Dazu waren es mir zu viele Anspielungen und blöde Witze, für ein doch eher ernstes Thema.

Impostor Factory

Screenshot: Impostor Factory dreht sich um die Entwicklung der Technologie um Erinnerungen zu manipulieren; die bisher gezeigten Maschinen waren Weiterentwicklungen, die hier gezeigte ursprüngliche war deutlich größer
Impostor Factory dreht sich um die Entwicklung der Technologie um Erinnerungen zu manipulieren; die bisher gezeigten Maschinen waren Weiterentwicklungen, die hier gezeigte ursprüngliche war deutlich größer

In der dritten Episode ist alles anders: Es gibt keinen Patienten und die bisherigen Protagonisten tauchen nicht auf. Es geht um die Vorgeschichte der Technologie, die SigCorp einsetzt, um die Erinnerungen der Patienten zu manipulieren. Entsprechend spielt die Geschichte weit vorher und hat mit Quincy und Lynri zwei neue Hauptcharaktere. Die Texte sind alle auf Deutsch verfügbar, aber hier teils etwas merkwürdig übersetzt. Manche Begriffe wurden wort-wörtlich übersetzt, was zu seltsamen Konstrukten führt, die niemand so im Deutschen verwendet wurde. In den vorherigen Spielen ist das nicht passiert, da die Übersetzungen größtenteils aus der Community stammen, kann es gut sein, dass hier jemand anderes dafür verantwortlich war.

Der Ton des Spiels ist deutlich düsterer als die der anderen. Hier wird eine durch und durch tragische Geschichte erzählt, die herzerwärmenden Momente sind recht selten. Dazu ist auch die Musik mysteriös bis düster. Spielerisch tut sich wenig, das Prinzip besteht immer noch daraus, die Orte nach Mementos abzuklappern und dann weiterzuziehen. Ich fand ein paar der Szenen nicht so geschickt verknüpft wie früher, die Verbindung wirkt da etwas zu sehr gewollt. An anderer Stelle werden viele Szenen sehr schnell abgehandelt, es wirkt staccatoartig.

Ansonsten wird auf jegliche Minispiele verzichtet, was ich grundsätzlich begrüße, aber dann ist es nur noch Story. Vor allem aber wird fast komplett auf Referenzen und Meta-Jokes verzichtet, was ich im ersten Teil noch tolerieren konnte, im zweiten dann zu viel fand. Es würde aber auch zu der eher traurigen Geschichte so gar nicht passen.

Mein Fazit zu Impostor Factory ist deutlich positiver als zum direkten Vorgänger, weil endlich mehr über die Hintergründe der Serie zu Tage kommt. Das ist zudem gut mit einer traurig-schönen Geschichte verwoben. Die blöden Anspielungen und Witze sind komplett weg und ich habe sie nicht vermisst. An den Erstling kommt es trotzdem nicht ganz heran.

Beach Episode

Screenshot: Auf der Dachterrasse des Hotels tummeln sich einige bekannte Charaktere aus älteren Spielen
Auf der Dachterrasse des Hotels tummeln sich einige bekannte Charaktere aus älteren Spielen

Die meisten Animes haben eine Episode, wo die Helden-Truppe aus einem an den Haaren herbeigezogenen Grund an einen Strand fährt, um Urlaub zu machen. In den Stories macht es meist überhaupt keinen Sinn, es dürfte eher ein vorgeschobener Grund sein, um speziell die weiblichen Charaktere in knappe Outfits zu zwängen. Fan-Service eben. Kan Gao hat sich entschlossen, so etwas auch für To the Moon zu machen, was ebenfalls größtenteils Fan-Service ist, aber anders.

SigCorp gönnt seinen Mitarbeitern einen Tag (!!!) Urlaub, immerhin zählt die Anreise nicht dazu. Also machen sich Eva, Neil, Roxy und Rob auf zu einem Strand-Resort, wo sie viele Charaktere aus den vorherigen Spielen treffen. Was auf den ersten Blick keinen Sinn ergibt, ist schonmal ein Fingerzeig, dass es um weit mehr als einen simplen Urlaub geht. Die Auflösung erfolgt aber erst sehr spät, der Großteil der zweieinhalb Stunden Spielzeit verbringt man mit Urlaub – oder wie auch immer man das nennen mag. Man sucht zwar keine Mementos, aber mehr als vorgegebene Punkte abklappern ist spielerisch nicht drin. Der etwas abstruse Humor ist wieder da, aber hält sich im Rahmen.

Dass man mit bekannten Charakteren wieder etwas Zeit verbringt und sie im ungewohnten Setting sieht, dürfte vor allem Fan-Service sein, eine weitere Bewandtnis hat sich mir zumindest nicht erschlossen. Erst ganz am Ende wird klar, was das Ganze eigentlich soll. Auch wenn es nicht direkt ausgesprochen wird, wer Impostor Factory kennt (und das solltet ihr an diesem Punkt!) weiß, worum es geht. Und wird dabei auch ein Tränchen verdrücken, ansonsten ist man komplett gefühlskalt und innerlich tot.

Letztendlich erweitert Just a To the Moon Beach Episode das Universum der Spiele nur marginal. Durch das Auftauchen vieler bekannter Charaktere ist es vor allem Fan-Service, aber nicht im klassischen Sinne. Es greift einige der Fäden aus Impostor Factory auf und ein spinnt sie ein wenig weiter. Aber wirklich nur "ein wenig". Allerdings sei gesagt: Es ist nur etwas für Fans. Es gibt keine Einführung, wer die anderen Spiele nicht gespielt hat, wird weder die Charaktere kennen noch die Konzepte und dürfte entsprechend nur verwirrt sein. Also erstmal alle anderen Spiele spielen.

Weiteres

To the Moon ist kein einzelnes Spiel mehr, sondern fast schon ein Franchise, mit mehr wie den fünf bisher besprochenen Spielen und den Zusatzepisoden. Nichts davon ist wirklich notwendig, um die Geschichten zu verstehen, aber erweitern die Geschichten und man erfährt mehr für die Charaktere. Aber nur, wer es auch wirklich will.

The Mirror Lied

Screenshot: The Mirror Lied ist ein experimentelles Adventure und mehr Spiel als die vorherigen, der Stil von Kan Gao kommt aber schon zum Tragen
The Mirror Lied ist ein experimentelles Adventure und mehr Spiel als die vorherigen, der Stil von Kan Gao kommt aber schon zum Tragen

Nur ein paar Worte zu The Mirror Lied, was vor To the Moon erschien, aber von der Geschichte her nichts damit zu tun hat. Es war das erste abgeschlossene Werk von Kan Gao, seine Serie Quintessence: The Blighted Venom blieb unvollendet.

Das Spiel beginnt ohne große Erklärung, im Kinderzimmer (nehme ich mal an) des Mädchens Lea. Sie kann ganz im Stil klassischer Rollenspiele der SNES-Ära in ihrem Haus herumlaufen, die Farbe ihres Kleides ändern (was, soweit ich das beurteilen kann, keine weiteren Auswirkungen hat), Gegenstände einsammeln und mit Objekten interagieren, es gibt keine weiteren Charaktere. Dabei muss sie kleine Rätsel lösen, die sich aber darauf beschränken, Schlüssel für Truhen oder Schränke zu finden, in welchen sich weitere Gegenstände finden lassen, damit es weiter geht. Meist ist es klar ersichtlich, was zu tun ist, das Spiel gibt genug Hinweise. Oder man probiert einfach durch, so viele Optionen gibt es nicht. Dass ich die Tür im Keller mit einer Pistole aufschießen muss, wäre nicht mein erster Gedanke gewesen.

Zwischendurch wird es Surreal, ich möchte da aber nicht zu viel verraten, weil wie bei den späteren Spielen vor allem die Story im Vordergrund steht – oder was davon im Spiel ist, es wird wenig erzählt, vieles optisch angedeutet (achtet auf die Landkarte im Arbeitszimmer). Nur mit einem Anrufer am Telefon kommuniziert sie direkt, wobei das sehr einseitig in die Richtung von Lea ist und selbst dann wird vieles nur angedeutet. Das Ende hat mich dann mit mehr offenen Fragen zurückgelassen als beantwortet.

The Mirror Lied ist ein interessantes Experiment, was schon etwas vorzeichnet, wo es mit den weiteren Spielen von Kan Gao hingehen sollte. Mit gerade mal 25 Minuten ist es sehr kurz, aber auch kostenlos und schnell beendet. Da es aber keine Verbindung zu den anderen hat, kann man es aber auch getrost auslassen.

Comics und Film

Screenshot: Unbeschwerte Kindheitserinnerungen sind ein wiederkehrendes Thema der Spiele
Unbeschwerte Kindheitserinnerungen sind ein wiederkehrendes Thema der Spiele

Für einen Teil der Spiele gibt es Comics als DLC, welche weitere, meist ziemlich belanglose Geschichten erzählen. Es werden ein paar Andeutungen gemacht, die aber nur mehr Spekulationen erzeugten. Dabei geht es insbesondere um Eva und Neil und wie sie zueinander stehen – einiges ist klar, anderes möglich, aber wird nie wirklich geklärt. Die Comics sind deswegen nett, aber auch kein muss. Nur für Fans, die voll in das Universum von Kan Gao eintauchen wollen.

2018 wurde angekündigt, dass To the Moon als Anime verfilmt werden soll. Da das Spiel komplett linear ist und kaum spielerische Elemente hat, dürfte die Geschichte ohne größere Änderungen in das lineare Medium übertragbar sein. Aber die Sache roch von Anfang an etwas fischig, weil weder das Animationsstudio noch die Geldgeber bekannt waren. Nur dass sie aus China stammen sollen und dass ihr Budget größer sein soll als das des Anime-Hits Your Name. Ich war skeptisch, und da man seitdem nicht mehr gehört hat, ist es gut möglich, dass hier ein Scam am Werk war. Ich rechne jedenfalls nicht mehr damit.

Last Hour of an Epic RPG

Schon vor Release der Beach Episode hat Kan Gao ein neues Spiel angekündigt, mit dem wieder sehr kompakten Titel The Last Hour of an Epic RPG. Die vier bekannten Mitarbeiter von SigCorp sind wieder am Start, aber diesmal in einem Fantasy-Abenteuer oder genauer gesagt, nur die letzte Stunde davon – weil niemand Zeit hat, diese Hundertstunden-Monster zu spielen. Ob das wirklich so ist und wie sich das in den Kanon einreiht, wird man sehen müssen. Einen Termin gibt es bisher nicht, ich rechne auch erst in ein oder eher zwei Jahren damit.

Fazit

Screenshot: Am meisten brilliert die Serie in ihren ruhigen, emotionalen Momenten
Am meisten brilliert die Serie in ihren ruhigen, emotionalen Momenten

To the Moon ist eine besondere Serie: Die vier Titel als Spiele zu bezeichnen ist etwas weit hergeholt, weil die Spielmechaniken sehr simpel sind – wenn es sie überhaupt gibt. Es geht vielmehr um die Geschichten, die sehr gefühlvoll und emotional erzählt werden. Leider bauen die Titel nach dem Erstling spürbar ab, die letzte Episode ist fast nur Fan-Service (auf seine eigene Art) und baut das Universum nur geringfügig aus. Meine Favoritenliste ist To the Moon > Impostor Factory > Finding Paradise + A Bird Story > Beach Episode. Spielen sollte man sie aber in der Reihenfolge, wie sie erschienen sind.

Technisch brauche ich nicht viel dazu sagen, es sind Spiele aus dem RPGMaker, also Pixelgrafik in 640×480. Die Versionen für die Switch sind aus meiner Sicht nicht gelungen. Die neuen Hintergründe sind zwar höher aufgelöst, aber auch merkwürdig weichgezeichnet und brechen mit den pixeligen Objekten. Die PC-Versionen haben vielleicht eine niedrigere Auflösung, dafür einen einheitlichen und stimmigen Stil. Die Musik ist herausragend und zum Spiel passend kein orchestraler Bombast, sondern meist nur mit einem Klavier gespielt und genauso emotional wie die Titel selbst.

Ich mag die "Spiele", weil sie ihre ganz eigene Erfahrung bieten, ungewöhnliche und teils tiefgehende Themen aufgreifen und mit viel Fingerspitzengefühl behandeln. Allerdings muss man sich darauf einlassen können, dass man eigentlich kaum etwas "tut" und Gameplay im Endeffekt nicht vorhanden ist. Dann bekommt man aber eine Erfahrung, die kaum eine andere Spieleserie bietet.